Helge Brühl

New York bis September


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wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Sie wollte mit ihren Träumen nicht so hoch fliegen, aber sie konnte einfach nichts dagegen tun. Trotzdem schien es ihr unvorstellbar, dass ein kurzer Moment im Leben, solche Emotionen auslöste. So etwas gibt’s doch nur im Märchen, dachte sie, und aus dem Alter war sie doch schon lange raus.

      Susan schien zu ahnen, was Laura gerade durch den Kopf ging.

      >> Du denkst an ihn Laura, stimmt`s? <<

      Sie errötete leicht und mit einer kleinen Verzögerung sagte sie, >> Ja, ich denke an ihn. <<

      >> Liza, bringen sie mir doch bitte mal die Baupläne von der Shoppingmall in Clark, << rief Frank durchs Büro. >> Sie wissen schon, das Projekt, wo ich am Montag den Rohbau begutachtet habe. Die Kunden heißen Barker und Westwood. Aber bitte nur die Pläne und die Flächenangaben. Ach so, wenn es ihnen bitte nichts ausmacht, einen Kaffee könnt ich auch noch vertragen, <<

      >> Ich schau gleich nach Mr. Bender, bin noch am Telefon, << kam postwendend die Antwort.

      Frank überflog gerade den Posteingang in der Mappe, die Liza ihm vor einer Stunde auf den Schreibtisch gelegt hatte. Die Mappe wurde auch von Tag zu Tag dicker, so wie die Flut von Kreditanträgen, die er täglich zu prüfen hatte. Gott sei Dank war endlich Freitag. Die letzten Tage hatten ihn geschafft. Vor sieben kam er hier nie raus und langsam begriff er, dass dieser Job mehr verlangte, als er angenommen hatte. Leider hatte sich diese wunderschöne Frau vom Times Square nicht bei ihm gemeldet, was ihn etwas deprimierte, auch ein wenig enttäuschte. Was bin ich nur für ein Idiot, dachte er, daran zu glauben, dass diese Frau von ihm Notiz genommen haben konnte. So was Dummes aber auch, alles nur Phantastereien, die seinem Irrtum nur Tür und Tor öffneten. Inzwischen hatte er sich aber locker damit abgefunden, so meinte er jedenfalls. Aber die Wirklichkeit war viel komplizierter. In Wahrheit dachte er nicht im Traum daran, sich damit abzufinden. Ständig musste er sich ermahnen, wenn er an sie dachte, einen kühlen Kopf zu behalten.

      Am Mittwoch hatte er Liza zum Essen eingeladen, nicht wegen ihrer weiblichen Reize, sondern als kleine Entschädigung für die vielen Überstunden. Ihre Attraktivität war unbestritten, auch wenn sie nicht unbedingt seinem Idealtyp entsprach. Wenn sie im Büro mit ihren hochhackigen Sandaletten an ihm vorbeistöckelte, konnte Frank ihr genau in den Ausschnitt sehen. Irgendwie hatte er das Gefühl, das sie seine Blicke bemerkte. Das war ihm unangenehm und er wusste manchmal beim besten Willen nicht, wie er reagieren sollte. Was ihm relativ selten passierte. Aber er spürte, wie sie in weiter ansah, und er versuchte ein gleichgültiges Gesicht zu machen. Sie lächelte charmant und das Spielen mit ihren Reizen schien zuzunehmen, so kam es ihm jedenfalls vor. Liza war geschieden, so erzählte sie ihm, und wohnte mit ihrem achtjährigen Sohn in Queens. Ihre Eltern wohnten zwei Häuserblocks weiter und kümmerten sich hauptsächlich um den Jungen. Der Vater des Kindes war nach Kanada verschwunden und zahlte natürlich keinen Unterhalt. Ihr schmales Gehalt reichte vorne und hinten nicht und ohne die Hilfe ihrer Eltern, würde sie ganz schön dumm aus der Wäsche gucken, wie sie ihm sagte. Es war angenehm mit ihr zu plaudern, was eine rechte Abwechslung für ihn bedeutete. Liza war dem Wein recht zugetan, doch weder ihrer Stimme, noch ihrer Haltung war etwas anzumerken. Sie bewegte sich mit ruhiger Anmut, als sie aufstand und mit ihm aus dem Restaurant hinausging. Seine alte Devise, Sex und Job strikt zu trennen, wollte er auch in New York nicht aufgeben. Außerdem waren ihm One-Night-Stands oder kleine Verhältnisse zuwider. Was hatte er in Frankfurt nicht schon alles erlebt, Liebesaffären, echte und angedichtete. In der Bank wurde geflirtet auf Teufel komm raus. Heimliche Treffs in kleinen Hotels, Quickies im Auto oder vorgeschobene Dienstreisen, um das Wochenende als sexuelles Highlight abzuhaken. Manche wurden selbst im Büro erwischt. Lehrmädels verliebten sich in ihre weitaus älteren Chefs, welche diese Chancen eiskalt nutzten. Die übliche Tuschelei, das Gerede und der Neid, drangen dann irgendwie aus der Bank hinaus und prompt gab es die größten Probleme. Eifersucht, Scheidungen und vor allem viele Peinlichkeiten. Versetzung als berufliche Konsequenz war noch das kleinere Übel. Trotzdem, die Vernunft war selten Gewinner und die Natur zog weiter ihre Kreise. Abwechslung, Abenteuer oder die Suche nach Bestätigung waren sicher die Ursachen, selten war Liebe im Spiel.

      >> Mr. Bender, die Pläne und Flächenangaben bitte, den Kaffee bring ich ihnen gleich, << unterbrach Liza seine Gedanken und legte die gewünschten Akten auf seinen Schreibtisch.

      Wie eine Gazelle schritt Liza Burke durch sein Büro. Ein süßliches Lippgloslächeln umgab sie. Allein ihr Hintern bewegte sich rhythmisch so aufreizend, dass man wenigstens ein Auge darauf werfen musste. Frank fragte sich oft, war das angeboren oder Resultat stundenlangen Trainings. Er schmunzelte in sich rein, verwarf seine lausbübischen Gedanken.

      >> Danke Liza, seien sie doch bitte so nett und besorgen mir aus der Kreditabteilung die entsprechenden Verträge. Und bitte Liza, ich möchte jetzt auf gar keinen Fall gestört werden, << rief er ihr hinterher.

      Er begutachtete die Pläne und die Flächen, sein Tischrechner tönte schon wie Lizas Tastatur, wenn sie die Schreiben abtippte.

      Am Montag hatte er den Rohbau eines neuen Einkaufcenters in Clark, New Jersey, erstmalig gesehen. Bis dahin war alles reine Routine. Schon optisch war zu erkennen, dass die angegebenen Flächen im Eingabeplan erhebliche Abweichungen zum tatsächlichen Baukörper aufwiesen. Da begann für ihn das Muster langsam deutlicher zu werden. An der Sache schien richtig was faul zu sein, dessen war er sich ganz sicher. Hier ging es um sehr viel Geld, hin und wieder kam es vor, dass die Kreditnehmer absichtlich manipulierten um die Darlehenssummen zu erhöhen. Deutsche Banken hatten dies erst, im großen Stil, beim Fall Dr. Schneider hinter sich. Jener Dr. Schneider hatte in den neunziger Jahren die halbe deutsche Bankenwelt mit manipulierten Plänen und Mietverträgen geleimt. Akribisch rechnete er, verglich die Planung mit den Zeichnungen der Baugenehmigung. Hier stimmte etwas nicht und sein Bestreben lag eindeutig darin, dieses Bauvorhaben näher unter die Lupe zu nehmen. Er musste alles lesen, damit ihm nichts entging. Vertieft in die Akten bemerkte er zwei Stunden später, wie sich leise die Tür öffnete.

      >> Mr. Bender, Telefon für sie, eine Mrs. Curren, << sagte Liza mit einem entschuldigenden Blick in sein Büro.

      >> Ich hatte ihnen doch gesagt, das ich nicht gestört werden wollte. <<

      >> Das weiß ich doch. Ich habe der Frau vorhin schon mal gesagt, dass sie in einer wichtigen Besprechung sind, und wollte mir auch ihre Nummer notieren, aber sie hat sie mir nicht gegeben. Sie hat schon zweimal zurückgerufen. Ich hab sie noch in der Leitung. <<

      >> Wer sagten sie ist am Apparat? << fragte Frank etwas genervt.

      >> Eine Mrs. Curren von der Firma Smith & Wade. <<

      >> Kenn ich nicht, noch nie gehört. <<

      >> Sie kennen Smith & Wade nicht? Ein Riesenladen, << sagte sie fast ehrfurchtsvoll, >> die sitzen im World Trade Center. <<

      >> Na, dann stellen sie ausnahmsweise durch, << erwiderte Frank mit ernstem Blick.

      Sie schloß die Tür und Frank schaute gespannt auf sein Telefon. Der Klingelton kam, Frank nahm erst nach dem zweiten Läuten ab.

      >> Frank Bender am Apparat. Was kann ich für sie tun? <<

      >> Eine Kleinigkeit nur Mr. Bender, nur eine winzige Kleinigkeit, << antwortete eine recht freundliche Stimme. >> Ich möchte ihre wertvolle Zeit auch gar nicht lange in Anspruch nehmen. Mein Name ist Laura Curren. Vielleicht können sie sich ja an mich erinnern? <<

      >> Mit absoluter Sicherheit nicht, << antwortete er etwas verdutzt. >> Es tut mir leid Mrs. Curren, aber sie werden mir bestimmt gleich auf die Sprünge helfen. <<

      >> Das kann ich aber gar nicht verstehen, Mr.Bender! << drang es leicht ironisch durch den Hörer.

      >> Warum nicht? << Sein Ton klang brüsk, obwohl das gar nicht seine Absicht gewesen war.

      >> Warum nicht? Sie sind mir ja ein richtiger Gentlemen. Da begießen sie eine nichtsahnende junge Frau am helllichten Tag mitten auf dem