Limbo Donut

Krustenbraten-Casanova


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Zimmer 117. Allerdings nannten die Arabianer ihre Behausungen „Bungalows“. Ob das in irgendeiner Beziehung zu Silvio Berlusconi und dessen Bunga-Bunga-Politik steht, ist nicht überliefert. Wir verabredeten uns mit Tina und Kerstin für 16 Uhr am Strand, weshalb noch genug Zeit blieb, Bungalows und Anlage zu inspizieren.

      Schon nach zwei Minuten Fußweg auf einem schmalen, betonierten Pfad, der sich an einem Hügel aufwärts schlängelte und von allerlei Palmen und mediterranem Gesträuch gesäumt war, erreichten wir die 117. Da Pascal, Bert und Hannes direkt um die Ecke in Bungalow 119 wohnten, trennte sich unsere Gruppe. Nachdem Pablo aufgeschlossen hatte, warf ich stöhnend meine schwere Reisetasche auf den Boden und mich auf das Bett rechts neben der Eingangstür. Ich ließ den Blick kreisen. Unser Bungalow verdiente das Prädikat Mittelklasse. Die nackte Wand war lehmig-rot, der geflieste Boden im gleichen Ton gehalten. Das Bad, das man nicht abschließen konnte, war zwar nicht geräumig, doch es hatte eine funktionierende Dusche und Toilette, wie Lukas, der das sofort überprüft hatte, mit einem Kopfnicken feststellte.

      Fünf Tage zuvor, immer noch Tag eins: Arriba-abajo-alcentro-paradentro

      Der Club Punta Arabi liegt im südlichen Teil des Dorfes Es Canar, das im Osten der Insel zum Verwaltungsgebiet der Stadt Santa Eulària des Riu gehört. Das Gelände des Vergnügungsbetriebs erstreckt sich über ein paar Hektar auf einer Landzunge, die zwischen der Bucht Sa Carbonera und der Cala des Gat, einem kleinen Sandstrand, ins Mittelmeer hineinragt. Diese Landzunge steigt zum Wasser hin immer weiter an und mündet spitz in einer Steilklippe mit atemberaubend zerklüfteten Felsen. Und genau in diese Felsen mussten die ihren Pool bauen – reine Schikane.

      „Leck mich doch am Arsch!“ Hannes fluchte. Die Sonne brannte nun, am frühen Nachmittag, über das Gelände des Club Punta Arabi auf Ibiza und der Weg von den Bungalows 117 und 119 zum Pool war verdammt steil und alkoholgeschwängerter Schweiß quoll aus allen Poren.

      Nach der Ankunft an dem in L-Form gehaltenen Becken erwartete ich Entschädigung für den schweißtreibenden Weg. Ich sah einen wunderbar blauen Himmel, eine kleine, aber feine Poollandschaft, eingerahmt rechts von einer Bar und einem schwarzen Schlund, über dessen Tür „Punta Palace“ stand, von einer mittelprächtigen Theaterbühne vorne und auf der linken Seite von einer weiteren Bar, neben der ein Schild den Weg zu den Toiletten wies. Natürlich konnte das nur ein gut gemeinter Versuch sein, die nachmittägliche Mittelgebirgswanderung zu rechtfertigen.

      Also ließ ich meinen Blick Richtung Horizont streifen und direkt vor dem blauen Himmel und einer kleinen Steinmauer, die die Poollandschaft von einer eindrucksvollen Klippe trennte, malte sich meine Entschädigung ab. Direkt hinter dem Pool lagen etwa 100 Frauen in Bikinis, die uns ihre blitzenden, eingeölten Hintern und Rücken zustreckten. Dass etwa 30 davon der Kategorie „Ich-trag-Größe-54-weil-ich-Schilddrüsenprobleme-hab“ und 20 der Kategorie „Ich-studiere-Lehramt-könnte-aber-auch-in-der-Geisterbahn-arbeiten“ entsprachen, war egal. Denn die anderen 50 gehörten definitiv zur Kategorie „Du-musst-schon-maßlos-angeben-oder-verdammt-viel-Kohle-haben-damit-du-überhaupt-eine-Chance-bei-mir-hast“. Die etwa 100 Kerle, die sich auf den Liegeflächen und im Pool zwischen den Mädels tummelten, störten nicht.

      Pascal dagegen störte schon. Er begann, in die Hände zu klatschen. Dann setzte er sein Jokergrinsen auf und stimmte an: „Bamberger Jungs, Bamberger Jungs...“

      Bert und Hannes stimmten sofort mit ein: „... Wir sind alles Bamberger Jungs!“ Achselzuckend sahen Pablo, Lukas und ich uns an. Also machten wir mit. In Polonaise tanzten wir Richtung Becken und schunkelten unter dem Getöse der uns anfeuernden Pool-Schönheiten und -Hässlichkeiten ins Wasser.

      „Mach uns doch mal einen schönen Ocean!“ Während ich nur fragend blickte, nickte der spanische Barmann Pascal wissend zu. Mit einer gläsernen Schüssel kam er zurück an die Theke, manövrierte seine Hand zu einem Steinkrug voller Strohhalme, packte beherzt zu und tauchte zehn der Plastikröhrchen in die blaue Flüssigkeit. Ich drückte ihm mit einem „Gracias“ einen von der Poolonaise noch feuchten Zehner in die Hand und folgte dem schüsseltragenden Pascal.

      An einem weißen Plastiktisch hatten sich die tropfenden Bert, Pablo, Lukas und Hannes niedergelassen. Schweigend starrten sie auf Pool und Meer. „Ich trinke auf einen großartigen Urlaub“, hob Pascal an. Alle sogen gierig am Ocean. Nicht schlecht, das Zeug. Es hatte zwar nichts von den ganzen Mode-Mixgetränken mit frischen Kräutern oder Gemüse, aber es knallte süßlich-sahnig, als wäre Tom Cruise als Wodka schüttelnder 80er Jahre-Bartender stark alkoholisiert in einen Eimer Fruchtzwerge gestolpert.

      Eine Stunde später fühlte ich mich, als wäre ich der Eimer – nur gefüllt mit Wodka und einem einzigen Hütchen Fruchtzwerge zum Aufsaugen. Vier Schüsseln hatten wir geleert und dabei nur mäßig Unterstützung von wildfremden Mädchen bekommen, die Pascal in schöner Regelmäßigkeit an unseren Tisch bettelte. Gänzlich unaufgefordert dagegen steuerte ein muskulöser, braungebrannter Typ mit Blendamed-Grinsen an unseren Tisch. „Geiler Auftritt mit eurer Polonaise vorhin“, lobte er. „Ich bin übrigens der Sonnengott und Animateur hier. Seid ihr immer so drauf?“

      „Klar“, nickte die Runde.

      „Dann hab ich was für euch. Jetzt sind gleich Poolspiele und mein Kollege Dennis da drüben“, der Sonnengott deutete auf einen breitschultrigen Solariumgänger mit Surfermatte neben dem DJ-Pult, „bräuchte noch ein paar Teilnehmer!“ Pascal riss die Augen auf. Er konnte es offenbar kaum erwarten, sich bereits zwei Stunden nach dem Check-In zum größten Vollhonk des Clubs krönen zu lassen. Originalzertifiziert vom Animations-Team versteht sich.

      Lukas wiegelte aber ab: „Sorry, Sonnengott. Wir würden ja gerne, aber wir treffen uns jetzt mit Mädels am Strand.“

      Scheinbar hatte der Halb-Inder, wie er erklärt hatte, Spaß daran, gleich am ersten Tag ihrer Ankunft männlichen Gästen ihre Grenzen beim Buhlen um die Gunst der weiblichen Besucher aufzuzeigen. Fix lud sich der Animateur selbst zum Tête-à-Tête im Sand ein: „Da bin ich doch dabei, dann kann ich euch Frischlingen gleich mal den ganzen Club zeigen.“ Lässig schlenderte der Sonnengott mit uns den Punta-Berg hinab. Das Shirt cool über den Schultern in roter Bermuda musste jede Frau, die uns über den Weg lief, uns sechs anderen für Bauern in einem Schachspiel halten, die ihrem sonnengegerbten König mit Sixpack und Blendamed-Lächeln treudoof hinterherkrochen.

      Neben einer langbeinigen Blondine kamen wir zum Stehen. Oder vielmehr kam der Sonnengott zum Stehen. Die treudoofen Bauern stoppten einfach nur wie die Lehrlinge.

      „Mel, wow, toller Bikini.“

      „Hihi“, kicherte die vielleicht 23-Jährige dümmlich, „danke“.

      „Sehen wir uns heute Abend im Palace?“

      „Na klar“, und wieder „hihi.“

      „Oder noch besser, ich hol dich nach der Abend-Show ab. Geritzt?“

      „Okay“, hihite es wieder. Und: „Bungalow 390“.

      „Schau“, knuffte mir Pascal in die Seite. „Der macht's richtig, der Hund.“

      Kurz vor der Rezeption kreuzten zwei junge Damen etwa Mitte 20 unseren Weg. Beide trugen schlabberige Jogginghosen und unspektakuläre Tanktops, was ihrer Attraktivität keinerlei Abbruch tat. Was hatte ich schon zu verlieren?

      „Hey... äh... Ladies!“ Abrupt stoppte das Duo. „Wow, tolle … äh ...“ Ihr anfangs offener Gesichtsausdruck mutierte zu fragend. „... Pyjamahosen. Sehen wir uns heute Abend im Palace?“

      Die Tank-Top-Tussen lachten los, beömmelten sich kurz und liefen dann weiter. „Oder besser: Ich hol euch nach der Show ab.“

      Meine Begleiter prusteten. Das hinterhergerufene „welcher Bungalow?“ ging im allgemeinen Gelächter unter. Was für ein Reinfall! Und hier sollte ich mich so richtig ausvögeln?

      „Hey mein Freund“, väterlich legte mir der Sonnengott den Arm um die Schultern. „Ein Korb ist keine Schande. Darauf trinken wir am Strand einen auf meine Kosten.“ Damit konnte ich leben.

      „Ihr