Mady Chambers

Wo du auch sein wirst


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Druck. Ihre Chefin war sowieso schon ungenießbar, auch wenn man die richtigen Klamotten anhatte.

      Zum Glück war die Redaktion fußläufig erreichbar und auf dem Weg gab es einen kleinen Wagen, der Kaffee und Bagels verkaufte. Sie war morgens immer in Eile. Oliver ihr Standverkäufer wusste das, sie hatten mittlerweile eine eingespielte Morgenroutine entwickelt. Ihr Bagel mit Frischkäse und ihr Kaffee standen schon an der Seite bereit. „Guten Morgen Schönheit.“

      „Guten Morgen Oli.“ Sie warf das Geld in sein Trinkgeldglas, schnappte sich die Tüte und den Kaffee und schenkte ihrem morgendlichen Lebensretter ein Lächeln. Sie flirtete immer gerne ein bisschen mit ihm. Er war zwar nicht ihr Typ, aber er war irgendwie süß. Sie quetschte sich in die Drehtür zu ihrem Bürogebäude und schaffte es gerade noch in den Fahrstuhl zu hechten, dessen Türen sich gerade schließen wollten.

      25. Stock. Eigentlich hatte sie Höhenangst, aber das Großraumbüro in dem sie saß hatte nur an einer Seite Fenster und sie hatte bei den Gangplätzen damals freie Auswahl gehabt. Alle wollten viel lieber am Fenster sitzen und den Blick über die ganze Stadt genießen.

      Ohne Höhenangst, hätte sie das sicher auch gewollt. Im Büro herrschte schon reges Treiben. Das hatte eine Nachrichtenredaktion wohl so an sich. Sie hatte andere gesehen, deshalb wusste sie, dass es bei anderen Zeitungen nicht anders war.

      Vor ihrer Festanstellung hatte sie ein paar Praktika gemacht, nur um festzustellen, dass keine andere Redaktion sie wollte. Außer sie sah den Sinn als Journalistin darin, Kaffee zu kochen.

      Dabei war sie eine gute Journalistin, aber der Markt war so überflutet von guten Journalisten, dass sie ihr meistens nur Stellen als Assistentin anboten. Dafür hatte sie nicht studiert, dachte sie. Sie hatte einfach noch keine Berufserfahrung und ohne wurde man einfach ungerne eingestellt. Jedoch hatte sie bei der NewsTown Glück und bekam ihre Zusage vor 3 Jahren. Das war ihre Rettung, denn arbeitslos zu sein, war keine Option. Aber ohne diese Zusage wäre das Wirklichkeit geworden.

      Ihre Chefin stolzierte schon in ihrem gläsernen Büro auf und ab und so wie es aussah machte sie wieder jemanden durch ihr Telefon zur Schnecke. Sie hatte die blonden Haare fein säuberlich zu einer Hochsteckfrisur aufgetürmt. Keine einzige Strähne verirrte sich hinaus.

      Die schmalen Lippen hatte sie immer in einem feuerrot geschminkt, dadurch wirkten sie noch schmaler. Meisten trug sie zu enge knallige Kostüme. Für viele ihrer Kollegen war sie der leibhaftige Teufel.

      „Guten Morgen, du bist ja pünktlich. Bist du aus deinem Schlafgemach gepurzelt?“

      „Guten Morgen dir auch. Und ja ich bin auch mal pünktlich. Ich will ja schließlich nicht das mich der Drache zum Frühstück verspeist.“

      Sie duckte sich hinter ihrem Schreibtisch weg. Jeder Schreibtisch war von sogenannten Lärmschutzwänden umgeben, aber sie fand außer dass sie hässlich waren, erfüllten sie eigentlich keinen Zweck. Naja man konnte sie von innen mit Bildern bekleben, aber viel schöner wurden sie dadurch auch nicht. Den Nachbarschreibtisch hatte damals Jannes ergattert, ihr liebenswerter schwuler Leidensgenosse und Lieblingsfreund. Wahnsinnig schwul und außergewöhnlich herzlich und er war eine absolute Tratsch Tante.

      „Hast du schon von Emma und Jan aus dem Archiv gehört?“ Er rollte auf seinem Schreibtischstuhl neben ihren Schreibtisch, damit sie ihn sehen konnte.

      „Nein, wie könnte ich denn etwas vor dir gehört haben?“ Sie zwinkerte ihm zu.

      „Jaja, dabei hast du es doch gerne, dass ich dich immer auf den neusten Stand bringe.“

      „Natürlich, das weißt du doch.“

      „Na gut, wenn du es unbedingt wissen willst, also, sie sollen es in der Kaffeeküche getrieben haben.“

      „Igitt. Ich werde mir meinen Kaffee jetzt also nur noch außerhalb des Büros holen. Wolltest du mir das mitteilen?“ Sie verzog angewidert das Gesicht.

      „An deiner Stelle würde ich das definitiv so machen. Ich bin auf Tee umgestiegen.“

      „Aber nur weil Kaffee dich noch mehr aufdrehen würde und das würde ja keiner aushalten.“

      „FELINE“, donnerte es aus der Ecke des verglasten Kastens von Büro, das ihre Chefin ihr Eigen nannte. Der Vorhof zu Hölle, wie es alle anderen gerne beschrieben.

      „Das hast du nun davon, dass du mich immer ärgerst.“, neckte Jannes sie, aber auch er war zusammengezuckt.

      „Scheiße.“ Sie raffte ihre Unterlagen zusammen und hoffte, dass sie nur für die nächste Ausgabe gebrieft werden wollte. Ihre Notizen lagen quer auf ihrem Schreibtisch verteilt. Ordnung zu halten fiel ihr nicht nur in ihrer eigenen Wohnung nicht leicht. An manchen Tagen war sie froh, dass sie ihre Computermaus fand. Der Schweiß brach auf ihrer Stirn aus. Nichtsdestotrotz straffte sie ihre Schultern, legte ihr blondes Haar ordentlich über ihre eine Schulter und eilte zu der bösen Königin.

      „Guten Morgen Louise. Ich hoffe du hattest ein schönes Wochenende?“

      Oh Gott es war erst Montag, dachte Feline, sie hatte also noch die ganze Woche vor sich.

      „Setz dich und schließ die Tür.“

      Sie tat wie ihr geheißen und setzte sich mit wackeligen Knien auf einen der roten Sessel vor dem Schreibtisch ihrer Chefin. Jeden Tag das Gleiche. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem sie keine Angst mehr vor ihr hatte, irgendwann. Bestimmt.

      Leider war sie momentan auf ihr Gehalt angewiesen, ihre kleine Wohnung konnte sie sich sowieso schon nur mit Ach und Krach leisten und sie hatte auch keine Familie die sie finanziell oder auch emotional hätte auffangen können. Sie hatte nur ihre schwule Familie, bestehend aus Jannes. Und der hatte auch keine Kohle.

      Er hatte schließlich denselben ziemlich schlecht bezahlten Job wie sie. Louise setzte sich auf ihren hohen, wie sollte es auch anders sein, roten Lederbürostuhl, überschlug die Beine und zeigte mit ihrem spitzen Bleistift auf Feline. Die Spitze bohrte sich quasi zwischen ihre Augen in ihr Gehirn. Feline beobachtete den Stift genau, um zur Seite hechten zu können, falls Louise sich doch noch entschließen sollte ihr den Stift in den Kopf zu rammen.

      „Was macht der Artikel über die Brandstiftung in Brooklyn?“ Ihre Stimme war nasal und fast piepsig, aber doch scharf wie ein Rasiermesser.

      „Fast fertig. Er muss nur noch einmal durch die Korrektur und kann dann gedruckt werden.“

      Louises Lippen wurden schmal. Oft ein Zeichen dafür, dass sie keinen Einwand hatte, was eher selten der Fall war.

      „Welche Story steht als nächstes auf deiner Liste?“

      Sie hasste solche Fragen, Feline hatte viele Ideen, aber nie war auch nur eine ansatzweise gut genug um vor dem kritischen Urteil ihrer Chefin zu bestehen. Sie fragte sich dann immer warum Louise diese Frage überhaupt stellte. Vermutlich nur um sie zu schikanieren und ihre Ideen sofort zu zerschmettern. Feline versuchte trotzdem immer wieder ihr Glück. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zum Schluss.

      „Ich habe neulich eine interessante Geschichte gehört. Ich sprach zufällig mit einer alten Dame im Supermarkt an der Kasse.“

      Louise verdrehte bereits die Augen. Feline beeilte sich um nicht unterbrochen zu werden, auch wenn Schnelligkeit Louise nicht davon abbringen würde ein knallhartes und voreiliges Urteil zu fällen.

      „Wir kamen ins Gespräch über Familien und sie sagte mir, dass sie keinerlei Erinnerungen an ihre Familie hat. Sie hat sie nie kennengelernt und würde sie so gerne finden, weiß jedoch nicht wo sie anfangen soll.“

      „Ach Feline, solche rührseligen Geschichten haben wir doch schon tausendmal gelesen. In jeder schlechten Fernsehshow werden diese Wiedervereinigungen gefeiert und die Zuschauer können sich zu Tode heulen.“

      Sie hätte kaum abschätziger klingen können. Kein Wunder, dachte Feline, wäre sie in meiner Familie würde ich sie auch nicht wiederfinden wollen.

      „Nein, ich meinte nicht verlorene Verwandte zu finden, sondern ich dachte eher an Ahnenforschung. Wo