Mady Chambers

Wo du auch sein wirst


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      Dieser Idiot hatte absolut nicht das Recht an ihrem Stand einzukaufen, das war ihr Territorium, den ganzen Weg bis in ihr Büro regte sie sich noch über ihn auf. In der Redaktion angekommen, knallte sie ihre Tasche auf den Schreibtisch.

      „Na aber da hat ja jemand gute Laune.“ Jannes kam um den Tisch und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

      „Wer wagt es denn so früh am Morgen meine Prinzessin zu ärgern?“, sagte er mit schlecht gespielter Entrüstung.

      „Rate. Wer ist der einzige Mensch auf dem Planeten, der mich wirklich zur Weißglut bringt?“

      „Unser Schönling doch nicht etwa?“

      Sie biss die Zähne zusammen und ließ sich auf ihren Stuhl sinken.

      „Ach Liebes, im tiefsten Herzen weißt du, dass du eigentlich nur scharf auf ihn bist.“ Jannes zwinkerte verschwörerisch.

      „Pah von wegen. Wer könnte schon scharf auf ein selbstverliebtes, egoistisches Arschloch sein?“

      „Ich.“ Jannes lachte und schwang sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Auf jeden Fall, wenn er so aussieht.“

      Feline ermahnte sich still, sich auf ihren Artikel zu konzentrieren und mit der Recherche zu beginnen. Sie würde Jannes Kommentar einfach ignorieren. Heute früh hatte sie sich überlegt, dass sie sich zunächst über den genauen Ablauf der Ahnenforschung informieren wollte. Wo begann man, welche Stellen musste man anlaufen, wie vertrauenswürdig waren die Informationen. Ihre To-Do Liste nahm langsam Formen an.

      Sie verbrachte den ganzen Vormittag damit und fand diverse Anlaufstellen, Stadtarchive, auch Internetanalysen und natürlich Quacksalber, die einem die Ahnen aus der Hand lesen konnten. So ein Schwachsinn, dachte Feline. Und es gab tatsächlich Menschen die dafür Geld ausgaben.

      Da sie heute keine Interviews führen musste, konnte sie sich ganz entspannt ihrem Mittags Bagel widmen und dann weiter recherchieren. Das war die Arbeit die sie liebte. Ein Thema das sie interessierte, war deutlich leichter und schneller zu recherchieren, als zum Beispiel eine Story über irgendeinen fremdgehenden Popstar. Solche Themen waren nicht ihr Gebiet und sie hielt sich immer ewig daran auf, es spannend zu formulieren. Denn: Und dann hat er, wie es schon vorauszusehen war, die Nanny geknallt, stellte Louise komischerweise nicht zufrieden.

      Die Woche verging relativ reibungslos, sie recherchierte viel und fuhr zu einigen Archiven um sich schon mal ein paar Informationen zu holen.

      Sie hatte immer noch kein Opfer gefunden, nach dessen Ahnen sie forschen durfte, aber irgendwann würde sie schon wen finden. Jannes weigerte sich noch vehement.

      Er sagte, seine Familie reiche ihm schon mit dem Wissen das er über sie hatte, da musste er nicht auch noch ihre Vorgeschichte kennen und diese in New York verbreiten.

      Endlich war Freitag und sie konnte die nächsten 2 Tage von zu Hause aus arbeiten und musste wenigstens das Gesicht ihrer Chefin nicht sehen.

      Für den Abend war sie mit Jannes zum Essen verabredet, er hatte eigentlich ein Date, wollte aber, dass sie mitkam und ihm Deckung gab, falls er den Typen nicht heiß fand. Ein Blind Date. Jannes ließ sich öfter auf solche Abenteuer ein. Für Feline war das gar nichts, sie wollte lieber im Vorfeld wissen worauf sie sich einließ. Denn zu lügen und sich aus einem schlechten Date zu winden, war nicht ihre Art.

      Sie würde es bis zum bitteren Ende durchziehen und sich aus Mitleid vermutlich auch noch küssen lassen. Außerdem könnte es ja auch genauso gut sein, dass ihr Gegenüber sie nicht mochte. Das alles wollte sie sich lieber ersparen.

      Sie hatte schon ein paar schlechte Beziehungen hinter sich, hauptsächlich mit Vollidioten. Selbstverliebt, fordernd und egoistisch. Wie Jeremy King, dachte sie. Vielleicht hegte sie auch genau deshalb so eine starke Abneigung gegen ihn. Er hätte prima in die Reihe ihrer Ex Freunde gepasst. Einige hatten sogar ein Problem mit ihrem Beruf, sie war viel unterwegs und arbeitete oft auch zu Hause noch. Dass eine Frau ihren Beruf liebte, war für manche Männer offenbar nicht akzeptabel.

      Sie wusste selbst nicht, warum sie sich immer wieder auf solche Charakter-Versager einließ. Sie waren alle durchweg wirklich hübsche Männer, aber eben nur äußerlich.

      Mit keinem wurde es jemals wirklich ernst.

      Ab und zu stach sie der Gedanke, dass sie sich langsam mal auf etwas Festes einlassen sollte. Schließlich war sie schon 30. Aber dann ärgerte sie sich über sich selbst, nur weil ihre Schulkameradinnen schon seit Jahren verheiratet waren und Kinder hatten musste sie sich doch nicht unter Druck setzen lassen. Sie war voll berufstätig und liebte ihren Job und solange der richtige Mann noch nicht um die Ecke kam, würde sich sicher nicht irgendeinen nehmen nur um verheiratet zu sein und einem Klischee nachzugeben.

      Sie traf sich mit Jannes direkt vor dem Restaurant. Eigentlich war es ein Restaurant / Bar / Disco. Die bauten nach dem Essen die Tische so weg, dass eine Tanzfläche entstand. Es reichte wohl heutzutage nicht mehr sich nur noch einem Geschäftsfeld zu widmen, dachte Feline.

      Sie hatte sich ein silbernes, knielanges Kleid angezogen, dazu eine Lederjacke und schwarze Boots. Ihre Haare lockten sich, denn sie hatte nach dem Duschen keine Lust sie nochmal zu glätten. Am Wochenende hatte sie keine Energie für die ganze Arbeit. Es gab eine Zeit, da hat sie ihre Locken gehasst, aber mittlerweile hatte sie sich damit abgefunden. So war sie eben nun mal. Das war vermutlich ein Vorteil des Älterwerdens, man fing an sich mehr und mehr zu akzeptieren, was deutlich entspannter war, als ständig an sich selbst rum zu kritisieren.

      Jannes war wie immer zu spät, also wartete sie draußen auf ihn. Es wehte eine milde Frühlingsbriese und deshalb war es auch nicht so schlimm auf ihn zu warten.

      15 Minuten später sah sie ihn um die Ecke biegen, definitiv nicht gehetzt, sondern ganz gemütlich schlendernd.

      „Schönheit braucht seine Zeit.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und sie hakte sich bei ihm unter als sie in das Restaurant gingen.

      „Und falls ich das sagen darf, du siehst umwerfend aus.“

      Feline freute sich über das aufrichtig gemeinte Kompliment. Sie war sich bei dem silbernen Kleid ein wenig unsicher gewesen, aber jetzt fühlte sie sich doch wohl.

      „Danke, du aber auch.“

      Er sah wirklich toll aus, er trug ein paar schlichte dunkle Jeans, ein weißes Hemd und darüber einen feinen Strickpullover mit engem Halsausschnitt, sodass man das Hemd nur ansatzweise sah. Wäre er nicht schwul und sie würde ihn irgendwo in einem Club sehen, dann würde sie definitiv ein zweites Mal hinschauen.

      Sie bemerkte beim Reingehen die Blicke der Frauen die auf ihm ruhten, aber er kümmerte sich darum nur wenig. Er hatte ihr mal erzählt, dass er es zwar mal mit Frauen versucht hatte, aber das war nichts für ihn. Er mochte einfach Männer. Es war bewundernswert wie entspannt er damals mit seinem Outing war und fast noch bewundernswerter fand sie die Reaktion seiner Familie. Seine Mutter sagte ihm schlicht: Wir haben schon 7 Enkelkinder, das reicht. Falls du aber adoptieren willst, nehmen wir auch noch mehr.

      Jannes hatte 6 Geschwister, von denen 5 schon eigene Kinder hatten. Wie gesagt es war also eine riesen Familie. Sie machten alle nie eine große Sache daraus, dass Jannes schwul war. So war es einfach und Feline fand, dass die ganze Welt genauso damit umgehen sollte.

      Sie bekamen einen Tisch zugewiesen und bestellten sich zunächst eine Flasche Wein. Die Auswahl an Essen war riesig und sie konnten sich absolut nicht entscheiden, was sie nehmen sollten. Feline entschied sich schließlich für das Steinpilz Risotto und Jannes nahm das Zanderfilet in Weißweinsauce.

      „Wann wollte dein Blind Date hier aufschlagen?“ Feline sah sich im Laden um.

      „Wir sind für 22:00 Uhr verabredet. Nicht zum Essen, sondern zu Cocktails.“

      „Isst man heute nicht mehr zusammen bei einem Blind Date?“

      „Bei einem Cocktail kann ich das ganze schneller beenden, falls er mir nicht gefällt. Beim Essen müsste ich von Vorspeise über den Hauptgang bis zum Dessert durchhalten,