Werner Siegert

Die Recherche


Скачать книгу

Warum? „Bettina, Bettina“, sagte sie schließlich zu sich selbst, „du zappelst wehrlos gleich in zwei Spinnennetzen - im Lesbennetz und in Piggys lockenden Geldverheißungen!“ Das hatte sie ja nur noch mit einer Notlüge abwenden können, dass diese Brigitte mit zu ihr hinauf in diese bescheidene, nicht aufgeräumte Bleibe gekommen wäre. Ob sie nicht auch ein paar Scheine mehr gebrauchen könnte, hatte sie gefragt. Und wie sie denn bisher ihr Geld angelegt hätte. Als ob sie überhaupt Geld zum Anlegen hätte. Aber das wollte sie natürlich nicht zugeben. Und was, wenn die geschäftstüchtige Blonde mehr gewollt hätte als nur einen Vertragsabschluss? Vor ihren Augen pendelten zwei prächtige Brüste, eingefangen von zarter dunkelroter Spitze. Sie blickte wie in einem Traum in das lieblich runde Gesicht, eingerahmt vom üppigen Blondhaar. Nein, das war keine Mandy. Das war Sinnenfreude in Person. Bettina musste ihre Hände disziplinieren. Ach, käme doch jetzt ein Michael oder Gregor und würde sie zurückvögeln in die Heterowelt! Würde die Spinnweben zerreißen wie einst der Prinz Dornröschens Rosenhecke. Jetzt würde sie sich ficken lassen. Gerade weil ihr dieses Wort verhasst war. Jetzt brauchte sie einen brutalen Orgasmus, um wieder ins Lot zu kommen. Und einen Cognac.

      Ein Gregor? Ach, der ist verheiratet. Ist Familienvater! War ja immer nur ein Geschäftsreise-Fick. Amüsant. Sein Hotelzimmer blieb leer. Das Bett nur oberflächlich verwühlt. Gekuschelt wurde bei ihr. Und Wiedersehen gefeiert. Man kannte sich seit „hundert Jahren“.

      Und Michael? Die Wonnemonate waren im Nu verflogen. Verflogen die Träume vom gemeinsamen Leben. Nach dem Reiz des Neuen, nach dem Luxus, den er zu verbreiten wusste, ohne ihn sich letztlich leisten zu können, da war nur noch Sex. Ausgehen und Sex. Sex und Ausgehen. Keine Gespräche mehr. Nicht das Bemühen um Empathie. Kaum noch die Frage „Wie geht’s dir?“ Eher der Blick in den Kühlschrank und der Griff nach Alkoholischem. Und Rauchen. Ohne zu fragen. Rauchen vor dem Sex, Rauchen nach dem Sex. Und schließlich die Sonja! Die peinliche Panne, dass sich die Sonja bei ihr nach Michael erkundigte. Ob sie wüsste, dass er eine andere hat. Rauswurf.

      Bettina war zunehmend erregt. War da noch irgendwo ihr Summsebrumm, oder hatten die Batterien ausgedient? Und woher die Phantasien nehmen? Kissen zwischen die Schenkel – die tun es ja nicht. Nur nicht an Piggys Brüste denken. Nein, was war denn ihr erotischstes Erleben? Was in der nach oben offenen Bettina-Skala? War das mit Lukas, ihrem 15jährigen Neffen, mit dem verklemmten Pfarrerssohn, den sie nach Strich und Faden verführt hatte?

      Ach Lukas! Wie stand er schüchtern vor ihrer Tür! Klassenfahrt nach München. Den Abend zur freien Verfügung. Bis spätestens 22 Uhr wieder in der Jugendherberge. Statt mit den anderen auf die Sause zu gehen, Hofbräuhaus mindestens, sollte er Tante Bettina einen artigen Besuch abstatten. Mit Blumenstrauß in der Hand. Tante! Eine Tante hatte er sich anders vorgestellt. Älter, grauhaarig, mit blassen Wangen. Stattdessen öffnete ihm ein junges Weib. Im Minirock. Und freizügiger Bluse. Grüß Gott, mein lieber Lukas, und lass mal die Tante weg. Ich bin Bettina. Und wir machen es uns jetzt richtig gemütlich. Hatte sie es darauf angelegt? Ja, ein wenig schon. Pastorensohn – das hatte sie provoziert. Sie wusste, wie eng es bei Pastors zuging. Besonders bei ihrem verklemmten Bruderherz! Und nun dieser junge Mann, hochgeschossen, braungebrannt, kräftig. Sie nahm ihn gleich in ihre Arme. Schön, dich endlich mal richtig kennenzulernen. Erzähl doch mal. Hast du eine Freundin? Er musste erst auftauen. Sie hatte Kaffee und Kuchen gedeckt. Der Kaffee wurde kalt. Der Kuchen auf später verschoben. Prosecco war angesagt. Viel Prosecco. Nein, eine richtige Freundin hätte er nicht. Nur aus der Klasse eine, die öfter mal Schularbeiten mit ihm machte. Sehr evangelisch. Aus der Öko-Gruppe. Rettet den Regenwald und so.

      Die Sonne spielte mit. Es war ein heißer Sommertag. Dementsprechend warm war es auch in ihrer Wohnung. Der Anorak blieb nicht lange allein am Haken. Ihm folgte das T-Shirt. Gemeinsam schauten sie erst eine Weile über das Häusermeer von Schwabing. Sie legte – nur so – ihren Arm um seine Schultern. Massierte ihn ein bisschen. Was ihm offensichtlich sehr behagte. Kannst mich nachher auch ein bisschen massieren. Ich bin immer verspannt von der Schreiberei am PC. Machte ihn neugierig. Was schreibst du denn so? Na ja, da gibt es so Texte. Intime Texte. Dann Massage. Natürlich war der BH-Straps im Weg. Meinte sie. Um die Häkchen aufzumachen, war Lukas noch zu ungeschickt. Alles weitere lief dann eigentlich wie von selbst. Als sie sich umdrehte und er mit riesigen Augen und erröteten Wangen ihre Brüste aufragen sah. Der Vorteil kleiner Brüste, dass sie keck sind. Spitz. Ja, da wurde auch Lukas spitz. Eine Tante vögeln? mag er sich gedacht haben. Bettinas Hände ließen keine Zweifel daran, welche seiner Körperteile sie jetzt gern massieren würde. Aber das ging dann schief. Hätte sie wissen müssen. Auf einmal – Lukas konnte seine Jeans nicht mehr schnell genug runterziehen – sprudelte er all das Aufgestaute heraus, in nicht enden wollenden Stößen. Oh wie peinlich für ihn! Und was jetzt tun?

      Nun, die Tante wusste natürlich Rat: alles ausziehen! Sie würde es auswaschen, kein Problem! Nur mit dem Trocknen, das ginge natürlich nicht so schnell. Da müsse er wohl bis morgen früh warten! Also musste er einen Freund mobil anrufen, dass er bei Onkel und Tante übernachten würde, die ihn um 9 Uhr früh wieder in der Herberge abliefern wollten. Ach, was für eine Nacht kam auf sie zu! Was für ein netter Bursche zappelte da in ihren Spinnweben der Lust!

      Für Lukas ließ sie ein Bad ein. Oh wie süß verlegen er war, als er da ohne Jeans und Boxershorts im Badezimmer verschwand. Da stand sie nun mit dem ganzen klebrigen Schmand. Der hätte ja ein ganzes Espressotässchen gefüllt! Die Boxershorts ab in die Waschmaschine. Aber die Jeans würde sie nicht mehr trocken kriegen bis morgen früh. Die müsste sie am Waschbecken abtupfen. Im Bad. Nein, sie klopfte nicht erst an. War es nicht überaus fair von ihr, auch erst alle Hüllen fallen zu lassen? Nackt zu nackt? Oh, an seine Augen erinnert sie sich heute noch. Wie sie da vor ihm stand, mit der klebrigen Hose in der Hand. Und so tat, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, ihm nun den Po zuzudrehen und am Waschbecken seine Jeans abzuschrubben. Edwina wäre schlecht geworden bei dem Spermaduft! Oh Lukas, oh Lukas, welche Lektionen musstest du nun in Sekunden über Mann und Frau nachlernen. Natürlich sah sie ihn im Spiegel, wie er versuchte, sich ganz unter dem Schaum zu verstecken. Aber immer, wenn er bis zum Hals wegzutauchen versuchte, reckte sich weiter unten eine kecke rote Vulkaninsel aus der weißen Schaumdecke. Eigentlich wäre sie gern jetzt zum ihn in die Wanne gestiegen, aber der lange Schlaks füllte sie in voller Länge aus.

      „Komm, wir duschen!“ rief sie ihm zu. „Komm unter die Dusche!“ Zögerlich, sehr zögerlich und schamrot erhob er sich langsam. Die weißen Schaumreste umflockten das haarige Dreieck über seinem Schwengel. Allen Mut musste Lukas zusammennehmen, den Mut sicher auch der Verzweiflung. Schließlich erlag er aber doch dem Reiz des ewig lockenden Weibes. Ach wie gern ließ sie immer wieder vor ihrem inneren Auge gerade diese Szene in Zeitlupe ablaufen, wissend, dass sie dabei ihren absoluten Höhepunkt erreichen würde, wenn sie – wie im Tonfilm – sich sagen hört „Da kannst alles anfassen, alles!“ und seine Hände greift, um sie auf ihre Brüste zu legen.

      Dann zittert sie am ganzen Leib. Dann schüttelt sie die Wollust. Dann, ja kommt der erotischste Moment ihres Lebens wieder zurück. Jetzt glaubt sie die nassen, schüchternen Hände auf ihren Brüsten zu spüren. Das vorsichtige, zärtliche Umfassen ihrer lüsternen Halbkugeln, während sie unten spürt, dass da ein pulsendes Etwas gegen ihren Lustgarten drängt. Da ist es wieder – das Schütteln, das Beben, der kleine Schweißausbruch, der nasse, glitschige, tremolierende Finger! Dieser Moment, und nicht der kurz darauf, als sie Lukas zum ersten Mal in seinem Leben den Eingang zu einem anderen Himmelreich weist, als er es im Elternhaus zu schildern gewohnt war. Da hätte es eher als Eingang zur Hölle gegolten.

      Oh, Lukas, du hattest noch soviel zu lernen. Nicht gleich wieder zu explodieren. Natürlich verlor er sofort die Kontrolle, sprudelte los und riss sich vor Schreck gleich wieder zurück! Das war ganz und gar nicht die romantische erste Nummer, an die er sich sein Leben lang erinnern sollte. Nein, sie sprang gleich wieder unter die Dusche, während der Lukas in den Kissen wegzutauchen versuchte. Welche Gedankenstürme mögen in seinem Gehirn getobt haben? Sie brachte ihm einen Bademantel, der natürlich überall viel zu kurz war und sich vorn nicht gürten ließ! Welch ein Bild!

      Na ja, sie lenkte den Mister Ungeschickt ein wenig ab, indem sie erst einmal was zu essen machte. Ohne darauf vorbereitet gewesen zu sein. Es fehlte an allem; also musste sie einkaufen gehen: viele Eier und Milch für den