Ted McRied

Drei Wünsche


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ein Tisch auf den Namen Cole reserviert wurde.«

      »Sehr gerne. Einen kleinen Moment bitte.«

      Während die junge Frau ein in Leder gebundenes Buch aufschlägt, beobachtet Olivia jede ihrer Bewegungen. Ihre Haut wirkt ebenmäßig, beinahe makellos. Trotz der rötlichen Haare und blauen Augen ist das Gesicht frei von Sommersprossen und verleiht ihr dadurch ein ungewöhnlich faszinierendes Aussehen. Das Schwarz der Uniform bringt diesen Kontrast zur Perfektion. Olivia schaut auf das längliche Schild über ihrer linken Brust. Anique Dubois – was für ein unverschämt schöner Name, was für eine unverschämt schöne Frau!

      »Schwarz steht Ihnen nicht besonders gut, Anique«, bemerkt Olivia wider besseres Wissen. »Sie sollten eine andere Farbe wählen.«

      Überrascht schaut die Bedienung auf. »Das ist eine Vorgabe der Geschäftsleitung. Wir tragen alle die gleiche Kleidung. Es tut mir leid, dass sie Ihnen nicht zusagt, Madame.«

      Diese neutrale Höflichkeit, dieser französische Singsang in der Stimme schmerzt in Olivias Ohren. »Dann sollten Sie Ihren Job überdenken«, erwidert sie. »Haben Sie die Reservierung endlich gefunden?«

      »Bedauerlicherweise nicht. Es liegt uns keine Buchung auf den Namen Cole vor. Aber wir hätten trotzdem einen freien Platz für Sie. Bitte folgen Sie mir.«

      Widerwillig setzt Olivia sich an den letzten unbesetzten Tisch in der Mitte des Cafés, der ihr zugewiesen wird. Sie bestellt einen Prosecco und schaut auf die Armbanduhr. Kurz bevor sie die Geduld verliert, öffnet sich die Schiebetür und ein Mann mittleren Alters tritt ein.

      »Liv«, ruft er und kommt mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Olivia schluckt. Diese Aura! Weiß Gott nicht jeder würde ihn im klassischen Sinne als »schön« bezeichnen. Er ist nicht übermäßig groß, seine Augen stehen einen Tick zu nah beieinander, die Nase ist eine Spur zu breit und am seitlichen Haaransatz kommen erste Anzeichen von Geheimratsecken zum Vorschein. Aber wenn er einen Raum betritt, verändert sich die Atmosphäre darin spürbar. Gespanntes Knistern liegt in der Luft – kein Wunder, dass er es so weit gebracht hat. Als seine Lippen bei der Begrüßung ihre Wange berühren, zuckt Olivia unmerklich zusammen.

      »Du kommst spät«, sagt sie kühl. Betont elegant setzt sie sich wieder zurück auf ihren Stuhl.

      »Tut mir leid, Honey. Das wird nicht mehr vorkommen.« Ben lehnt sich zurück und betrachtet Olivia über den Tisch hinweg. Ihr rot geschminkter Mund ist leicht geöffnet. Die Unterlippe glänzt im matten Schein der Beleuchtung, nachdem ihre Zunge in einer geschmeidigen Bewegung darüber hinwegglitten ist und sie leicht benetzt hat. »Du bist wunderschön, weißt du das?«, sagt er. »Diese anmutige Zerbrechlichkeit habe ich bisher bei keiner anderen Frau gesehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe. Erzähl mir bitte aus deinem Leben. Was machst du? Wie geht's dir?«

      Olivia räuspert sich. »Mir geht es gut. Im Job und auch privat läuft alles wunderbar – ich könnte nicht zufriedener sein.«

      »Das freut mich für dich. Du hast also einen Freund?«

      Sie nickt. Schweiß tritt aus ihren Poren. Der Sommerschal scheint sie strangulieren zu wollen – wie eine Schlange schmiegt er sich fest um ihre Kehle, bereit, sein mörderisches Werk jeden Moment zu beenden. Hektisch zerrt Olivia daran herum und legt dabei ungewollt die Abdrücke auf ihrem Hals frei.

      Ben runzelt die Stirn. »Was ist passiert? Hat dir jemand weh getan?«

      »Natürlich nicht!« Olivia schüttelt den Kopf. »Mein Freund Scott und ich haben gewisse Vorlieben für uns entdeckt. Du verstehst schon …«

      Bens Augen blitzen auf. »Ja, ich verstehe.« Olivia lächelt. Seine Stimme hat einen rauen Unterton angenommen.

      »Eigentlich wollte ich bis nach dem Essen warten.« Er beugt sich über den Tisch. »Wir beide? Wie in alten Zeiten?« Eine Schlüsselkarte schwingt zwischen seinem Daumen und dem Zeigefinger hin und her. Eine Schlüsselkarte für das angrenzende Hotel, in dem sie manche gemeinsame Stunde verbracht haben, wenn die Zeit nicht mehr für den Nachhauseweg gereicht hat.

      Ein triumphierender Ausdruck legt sich auf Olivias Gesicht. »Bist du noch verheiratet?«

      »Ja.«

      »Hast du Kinder?«

      »Zwillinge.«

      »Was machst du dann hier?«

      »Ich halt's zu Hause nicht mehr aus.«

      »Wie kommt's? Das war es doch, was du wolltest.«

      »Es war das, was ich brauchte, um Seniorpartner in der Kanzlei zu werden.«

      »Und das bist du jetzt?«

      »Ja.«

      Sie legt den Kopf schräg. Da sitzt er nun, weiß nicht wohin mit seinen Händen und zappelt wie ein hilfloser Fisch an ihrem Angelhaken. »Lässt du dich scheiden?«

      »Das geht nicht, Honey. Wenn ich das mache, setze ich alles aufs Spiel, was ich bisher erreicht habe. Lucy und ich leben sowieso nur nebeneinander her, da läuft nichts mehr. Und sie hat genug mit den Jungs zu tun – von uns beiden wird sie nichts mitbekommen.«

      »Also läuft es auf eine Affäre hinaus?«

      »Nur bis ich die Kanzlei übernommen habe, dann ist der Weg für uns frei. Ich werde dich nicht mehr verletzen, das verspreche ich dir.«

      Olivia greift nach ihrer Tasche und steht auf. »Gut, lass uns gehen.«

      »Hattest du schon etwas zu Trinken bestellt?«

      »Nein. Der Laden ist nicht mehr das, was er mal war. Die Bedienung schläft beim Laufen ein, offensichtlich hat sie den Umsatz nicht nötig.«

      Gerade als sich die Türen hinter ihnen schließen, kommt Anique Dubois mit einem Glas Prosecco auf dem Tablett bei dem verlassenen Tisch an.

      Bis zum Zimmer schaffen sie es nicht. Mit schwingenden Hüften läuft Olivia vor Ben den Gang entlang, bis er die Anspannung nicht mehr ertragen kann. Von hinten packt er eines ihrer Handgelenke, zieht sie zu sich heran und drückt den schmalen Leib gegen die Wand. Seine Lippen pressen sich auf ihre, seine Zunge lässt keinen Zweifel daran, dass nichts und niemand sie davon abhalten wird, in der nächsten Stunde in jede erdenkliche Körperöffnung vorzupreschen. Als seine Hände sich fordernd unter den Rock und zwischen ihre Beine schieben, ist es um Olivias Selbstbeherrschung geschehen. Hemmungslos graben ihre Nägel sich in die helle Strukturtapete und schlagen schmale Schneisen in die seidige Oberfläche.

      »Mach die Tür auf«, stöhnt sie dicht an seinem Ohr. Ihre Stimme klingt heiser und fremd. Ben fummelt die Schlüsselkarte an seiner Erektion vorbei aus der Hosentasche und hält sie mit bebenden Fingern vor den Sensor des Zimmers 333. Ein Surren ertönt, die Tür schwingt auf und gibt den Weg auf die ersehnte Spielwiese frei.

      »Was ist das?«, fragt Ben und deutet auf Olivias Unterarme.

      »Ach, nur eine Allergie. Ich war schon beim Arzt, aber der Quacksalber hat im Studium wohl nicht richtig aufgepasst – was er mir verschrieben hat, hilft überhaupt nicht. Wenn ich so dilettantisch arbeiten würde, hätte George mich schon dreimal gefeuert.«

      »Apropos George. Hat er dich mittlerweile befördert?«

      Olivia schlüpft in ihre Bluse und nestelt übertrieben lang an den hellen Perlmuttknöpfen herum. »Ich spekuliere auf die Ressortleitung«, antwortet sie schließlich.

      »Die Ressortleitung?« Beeindruckt hebt Ben die Augenbrauen. »Wow! Das ist in einem so breit aufgestellten internationalen Unternehmen eine starke Leistung. Weißt du schon, wann es soweit ist?«

      »Ich arbeite dran.«

      Versonnen beobachtet Ben sie beim Anziehen. »Vielleicht kenne ich jemanden, der dir helfen und die Sache etwas beschleunigen kann.«

      »Wer sollte das können?«, fragt sie auf dem Weg ins Badezimmer.

      Ben zögert. »Ich … ich weiß nicht so recht, wie ich's sagen soll