Robin Lang

Schön, dich gesehen zu haben


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Sie wollte nicht. In einem Gespräch hatte sie fallen lassen, dass sie mit Sabrina nicht klar kam, denn die wolle immer ihre neue beste Freundin werden und mache sich dadurch nur lächerlich.

      „Mama, ich finde es einfach nur affig, wenn sie dann vorschlägt, dass wir uns gemeinsam die Nägel machen und über Jungs reden. Aber genau das ist ihre Vorstellung von gemeinsamer Zeit. Sie versucht mich dann auch immer über Papa auszuhorchen. Darauf habe ich keine Lust!“

      Weil ich so viel Zeit mit meinen Kindern verbracht hatte, war Thomas ein bisschen auf der Strecke geblieben. Aber das wollten wir diese Woche nachholen, denn die Kinder waren gestern mit meinen Schwiegereltern weggefahren und würden auch erst nächsten Sonntag wiederkommen.

      Ein bisschen fühlte ich mich wie Falschgeld oder eine schlechte Mutter. Meine letzten elf Jahre waren vor allem von den Kindern und dem Leben mit ihnen geprägt. Man stellte seine komplette innere Uhr nach ihnen und wenn sie dann mal weg waren, dann wusste man nicht viel mit sich anzufangen.

      Ich hatte erstmal das Haus geputzt und mich dann ziemlich dekadent mit einer Flasche Sekt in die Badewanne gelegt. Dazu hatte ich mir noch Viccis Minianlage genommen und laut Musik gehört. Beinah wäre ich sogar in der Wanne eingeschlafen – das warme Wasser zusammen mit dem Alkohol hatte wohl diese Wirkung auf mich.

      Abends war Thomas vorbeigekommen. Eigentlich hatten wir ausgehen wollen, aber ich war dann wohl doch zu angeheitert und er hatte schnell entschieden, dass wir etwas bestellen würden. Er war dann über Nacht geblieben, etwas, was er sonst so gut wie nie tat. Er hat nach eigenen Aussagen keine Lust, sich morgens mit meinen Kindern ums Bad zu streiten oder ihnen beim Frühstück gegenüber zu sitzen. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Vor allem Vicci konnte meine Wahl nicht verstehen, aber da Thomas sich fast immer aus unserem Familienleben raushielt und es kaum zu Berührungspunkten kam, funktionierte das für uns alle ganz gut.

      „Meine Tochter will heiraten – Weihnachten, irgend so einen Punk aus der Uni!“

      Thomas ließ die Bombe fast beiläufig platzen.

      Ich musste ein Lachen unterdrücken.

      Ich hatte seine Tochter kennengelernt, Leonie war 25, ziemlich abgeklärt und studierte Medizin, sie würde sich mit Sicherheit nicht auf einen „Punk“ einlassen.

      „Thomas – so schlimm wird es schon nicht sein, oder? Hast du ihn schon kennengelernt?“

      „Ich habe ihn ein oder zwei Mal gesehen, er studiert mit ihr zusammen, scheint schon ein bisschen älter als sie zu sein.“

      „Du bist auch zehn Jahre älter als ich …“, warf ich ein.

      Er sah mich über den Rand seiner Teetasse hinweg an.

      „Das ist was anderes, wir sind im zweiten Versuch!“ (Nett, ich wollte schon immer der zweite Versuch sein!)

      „Außerdem hat er lange Haare und ist tätowiert …, ich werde die Jugend von heute nicht mehr verstehen. Und er hat so 'nen komischen Namen, klingt seltsam … Juri, glaube ich.“

      Nun musste ich lachen.

      „Was spricht gegen den Namen?“

      „Na, du weißt, was ich meine, wer weiß, wo der Junge herkommt.“

      „Thomas, wenn der Junge, wie du sagst, mit ihr auf der Uni ist und Medizin studiert, dann wird er ein Abitur haben und nicht ganz ungebildet sein. A ußerdem glaube ich, dass deine Tochter klug und zielstrebig genug ist, sich nicht auf irgendeinen Punk einzulassen.“

      „Aber sie ist zu jung zum Heiraten!“

      „Wenn ich richtig rechne, dann hattest du in ihrem Alter schon ein Kind und du warst auch schon mit deiner Frau verheiratet!“

      „Das waren andere Zeiten damals!“

      Irgendwie war es süß von ihm, sich so um seine Tochter zu sorgen. Sie war sein Ein und Alles, zumindest seit sie erwachsen war. Ich konnte nur hoffen, dass er sich beruhigen würde, denn ich wusste, dass Leonie nie von ihrem einmal gefassten Vorhaben abgebracht werden konnte. Ich nahm mir vor, sie demnächst mal anzurufen und auf einen Wein einzuladen. Sie hatte meine Beziehung zu ihrem Vater von Anfang an unterstützt, mich aber auch schon öfter gefragt, was ich mit ihrem eher langweiligen Vater überhaupt wollte. Im Grunde stände ich viel zu sehr im Leben, als dass mir das reichen könnte. Aber abgesehen davon kamen wir prima klar und sie hatte auch schon den einen oder anderen Abend bei mir verbracht, damit meine Kinder nicht alleine waren und ich mit ihrem Vater ausgehen konnte.

      „Und außerdem sind die erst zwei Monate zusammen – da muss man doch nicht gleich heiraten, oder?“

      „Na, sie hat ja noch ein paar Monate Zeit, es sich anders zu überlegen. Und du kennst deine Tochter besser als ich, aber wenn ich sie richtig einschätze, dann wird sie eher bockig, wenn du versuchst, es ihr auszureden!“

      „Ihr fehlt einfach die Mutter. Glaubst du, du könntest mal mit ihr reden, so von Frau zu Frau?“

      „Wenn es dich glücklich macht und dich beruhigt, dann spreche ich mit ihr. Ich rufe sie morgen mal an! Aber jetzt muss ich arbeiten und du musst auch ins Büro, oder?“

      Thomas arbeitete in einem gut laufenden Architekturbüro – so hatten wir uns auch kennengelernt. Es gab Umbaumaßnahmen in unserem Kindergarten und er war der leitende Vertreter seiner Firma.

      Zwei Tage später saß ich mit einem Glas Wein auf dem Sofa und wartete auf Leonie. Sie hatte auf meinen Anruf sofort reagiert und war mehr als bereit, mich besuchen zu kommen.

      Sie war pünktlich wie immer und umarmte mich zur Begrüßung.

      „Hi du, ich glaube, ich weiß, warum du mich eingeladen hast, aber bekomm ich erstmal ein Glas Wein, bevor wir mit der Inquisition anfangen?“

      Ich musste lachen. Ehrlich und gradlinig wie immer.

      „Dein Vater hat mir erzählt, dass du heiraten willst?“, eröffnete ich das Gespräch beim ersten Glas Wein.

      „Ich dachte mir, dass er damit zu dir kommt. So wenig ich nachvollziehen kann, was du mit meinem Dad willst – du bist auf jeden Fall gut für ihn. Er traut sich ja kaum, mir in die Augen zu sehen, seit wir es ihm gesagt haben.“

      „Er macht sich Sorgen um dich, du bist alles, was er noch hat. Deine Mutter war seine große Liebe, er liebt sie immer noch …“

      „Ist das der Grund, warum du mit ihm zusammen bist? Weil er dich nicht nah an sich heranlässt und deine Gefühle sicher sind?“

      Wow – studierte das Mädchen Psychologie?

      „Es geht hier nicht um deinen Vater und mich, es geht um dich und deinen Verlobten!“

      „Zuerst einmal kannst du meinen Vater beruhigen – ich bin nicht schwanger. Und ich liebe Juri und nein, er gehört nicht zur Russenmafia, um gleich noch eine Frage meines Dads zu beantworten.“

      „Das hat er nicht gesagt!“

      „Nein, aber er denkt es. Er ist so voller Vorurteile und sieht nur den Namen, die Tattoos und die langen Haare, er sieht nicht, dass Juri der netteste, klügste und einfühlsamste Mensch ist, den ich jemals kennengelernt habe.“

      Ihre Augen leuchteten förmlich, als sie von ihm sprach. Ich konnte wirklich nichts Schlimmes an ihrer Geschichte finden.

      „Wenn du magst, dann kannst du ihn auch kennenlernen und meinen Vater überzeugen, dass an ihm nichts auszusetzen ist. Er hat mich vorhin hier abgesetzt und will mich nachher abholen, ich kann ihn anrufen, damit er früher kommt, wenn du magst. Er ist bei Freunden und wartet. Er ist echt nett, glaub mir!“

      Sie sah mich so bittend an, als würde sie sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ich ihren Juri kennenlernen wollte und ihr dann meinen Segen gäbe. Uns trennten vielleicht nur 15 Jahre, aber manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass sie in mir so eine Art Mutterfigur sah. Thomas' Frau war nach langer Krankheit gestorben, so dass Leonie im Grunde keine echte Mutter mehr gehabt hatte seit sie 17 Jahre alt war. Meistens war unser Verhältnis freundschaftlich