Katja Piel

Kuss der Wölfin - Trilogie (Fantasy | Gestaltwandler | Paranormal Romance | Gesamtausgabe 1-3)


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uns sicher nicht aufgefallen... hättest du nicht diese waghalsige Flucht unternommen.“

      „Sie wollten mich verbrennen“, sagte Sibil. „Ich hatte wohl kaum etwas zu verlieren.“

      „Das haben die anderen auch nicht. Dennoch lassen sie sich zur Schlachtbank führen wie die Lämmchen. Doch nun komm mit. Du bist erschöpft. In deinem... Zustand... wirst du im Wald erfrieren, ehe der Mond aufgeht.“ Raffaelus nahm Sibil an die Hand und zog sie mit sich. Marina ging auf ihrer anderen Seite. Die wolfsartigen Kreaturen folgten.

      „Ihr wohnt hier im Wald?“, fragte Sibil vorsichtig. „Warum habt ihr keine Kleider an?“

      „Wir brauchen keine“, sagte Marina.

      „Aber friert ihr nicht?“

      „Nein. Wir sind etwas ganz Besonderes.“ Sibil hingegen fror ganz erbärmlich. Ihre Füße waren ganz gefühllos, und manchmal wusste sie nicht, ob sie schlief oder wach war. Irgendwann fand sie sich dann in Raffaelus' Armen wieder, der sie trug. Der Wald glitt lautlos an ihr vorbei.

      Schließlich ragte eine Felswand über ihr auf. Ein hohes Felsportal führte in eine Höhle, die sich nach innen verjüngte. Es roch nach Feuer und gebratenem Fleisch. Ein Wärmehauch streifte Sibils erstarrtes Gesicht. Sie wurde an einer Feuerstelle abgelegt und mit Fellen zugedeckt.

      „Was machen wir mit ihr?“, brummte eine Männerstimme, die sie noch nicht kannte. „Fressen oder beißen?“ Sibil blinzelte. Auf der anderen Seite des Feuers war ein kleiner, untersetzter Mann mit wildem Bart und pechschwarzem Haupthaar, auch er völlig nackt.

      „Du machst weder das eine noch das andere mit ihr, Utz“, sagte Raffaelus entschieden. „Sie ist ein dünnes, wildes Ding. Fressen wäre Verschwendung.“

      „Aber ich habe Hunger“, begehrte Utz auf, seine Augen glitzerten grün.

      „Dann geh dir einen Hasen jagen“, knurrte Raffaelus.

      Sibil fielen die Augen zu. Sie hatte längst aufgehört, sich zu wundern. Vielleicht war sie ja tot, und dies war der Vorhof des Ewigen Lebens. Sie spürte, wie jemand die Felldecke hob und sich zu ihr auf das Lager schob. Es war Marina, die ihr mit vorsichtigen Händen das Hemd abstreifte. Dann streckte sie sich neben Sibil aus und nahm sie in die Arme. Sie war weich, und Hitze ging von ihr aus wie von einem Stein, der in der Sonne gelegen hatte. Gleichzeitig spürte Sibil, wie sich ein anderer Körper von hinten gegen sie drängte. Muskulöse Arme umfassten sie und befühlten ihre Brüste. Sibil machte sich steif, doch der Schmerz blieb aus. Dann spürte sie, wie etwas Warmes, Hartes, aber Elastisches sich gegen ihren Hintern drängte. Raffaelus stöhnte leise von hinten in ihre Haare. Sibil kannte das. Ihr Vater hatte es sie gelehrt. Sie musste sich entspannen und still halten, dann ging der Schmerz vorbei. Und es war jedenfalls besser als verbrannt zu werden.

      „Noch nicht.“ Marina fasste über Sibil hinüber und schob Raffaelus sachte weg. „Lass sie ausruhen.“ Raffaelus stöhnte unwillig. Sibil schlief ein. Irgendwann wachte sie halb auf, weil jemand ihr warme Milch zu trinken gab. Sie schluckte gierig, bis nichts mehr nachkam, und schlief wieder ein. Dann waren Stimmen um sie herum. Im flackernden Feuerschein erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf einen hübschen blonden Mann, sehr jung, fast noch ein Knabe, dann fielen ihr wieder die Augen zu. Als sie wieder aufwachte, war sie umlagert von warmen Körpern. Hände glitten über ihre Haut, weiche Brüste schmiegten sich gegen ihre eigenen. Sie öffnete die Augen, und Marina lächelte sie an und legte ihr den Finger an die Lippen. Hinter Sibil war wieder Raffaelus. Er atmete tief und rieb sein Geschlecht an Sibils Hintern, doch er verursachte ihr keine Schmerzen. Im Gegenteil, was er tat, fühlte sich angenehm an und entfachte ein warmes Prickeln zwischen ihren Schenkeln. Sie öffnete die Beine ein wenig, und Raffaelus glitt tiefer. Nun war er dort, wo der Vater ihr immer Schmerzen verursacht hatte. Seine Finger glitten über eine empfindliche Stelle, und Sibil erschauerte.

      „Halte still“, flüsterte Marina. „Er tut dir nicht weh.“ Sibil spürte das Gewicht des Mannes gegen ihren Rücken. Dann drang er von hinten in sie ein. Ein zischender Atemzug entkam ihr, aber Marina flüsterte ihr beruhigende Worte zu und streichelte ihr Haar. Raffaelus begann, sich in ihr zu bewegen, und der Schmerz blieb immer noch aus. Im Gegenteil dachte Sibil, dass er weitermachen solle, es fühlte sich angenehm an. Sie fühlte, wie sich ihre Brustwarzen prickelnd zusammenzogen. Ganz von selbst schob sie ihr Becken in Raffaelus' Richtung und rollte weiter auf den Bauch, damit er tiefer in sie eindringen konnte.

      Raffaelus trieb das Spiel lange und schien es offensichtlich zu genießen. Er stöhnte vor Wohlbehagen, küsste Sibils Rücken und biss ihr spielerisch in die Schulter. Sibil stöhnte leise und bewegte sich ihm entgegen. Gleich würde etwas Wunderschönes passieren. Sie machte sich steif, als eine Welle der Empfindungen über ihr zusammenschlug. Gleichzeitig veränderte sich das Gefühl des Mannes in ihrem Rücken. Er wurde schwerer, härter. Sein Stöhnen wandelte sich in ein Knurren. Aus den Händen, mit denen er sie zärtlich umfasst hielt, wuchsen Klauen. Sie sah über die Schulter in sein Gesicht, das eine lange Schnauze mit messerscharfen Zähnen hatte. Seine Augen leuchteten grün.

      Sibil schrie, als ihre Haut aufbrach und die Reißzähne sich tief in ihre Schulter senkten.

      12. Kapitel

      Herbst 2012, Frankfurt am Main

       «Suche Mann mit Pferdeschwanz, Frisur ist mir egal!»

      Vielleicht war das der letzte warme Nachmittag des Jahres. Die Sonne strengte sich nochmal richtig an, und wo der Wind überging, konnte man noch für eine Weile draußen sitzen. In kluger Voraussicht hatten die Betreiber der Straßencafes bunte Decken über die Stühle gelegt, mit denen sich die Gäste wärmen konnten.

      Auch Alexa und ich tranken, in die warmen Decken gekuschelt, unseren wohlverdienten Endlich-Wochenende-Milchkaffee und ließen die Menschen an uns vorbei ziehen. Hier am Rand der Zeil war immer etwas los, und man konnte herrlich über die Passanten lästern.

      „Siehst du die dahinten, mit dem weißen Mini? Die braucht in der U-Bahn auch einen Doppelplatz für sich alleine.“

      „Wie kann man nur so hässliche Schuhe tragen?“

      „Extensions stehen eben auch nicht jedem.“

      „Hast du den Hund in der Handtasche gesehen? Ich dachte, das machen die nur im Fernsehen.“ Spaßeshalber hielten wir auch Ausschau nach hübschen Männern, aber die waren im Frankfurter Straßenbild leider selten. Zu viele glatte Banker oder abgeramschte Jugendliche mit Basecap und dem Hosenboden irgendwo zwischen den Knien. Wir rätselten gerade, was solche Jungs machten, wenn mal ein großer Schritt nötig war, etwa über eine Pfütze oder in einen Linienbus, der nicht direkt am Bordstein hielt, als ein Schatten über unsere Tassen fiel.

      „Guten Tag, die Damen“, sagte ein gut gekleideter Typ. Ende dreißig vielleicht, mit modischem Haarschnitt und einem Durchschnittsgesicht.

      „Darf ich kurz stören?“

      „Kommt drauf an“, sagte Alexa. „Wenn Sie nach dem Weg fragen wollen, ja. Wenn Sie mit uns über Gott reden wollen, nein.“ Der Mann lächelte. „Weder noch. Mein Name ist Tobias Müller, ich bin Modelscout für die Agentur IMB. Und Sie sind...?“ Er sah mich direkt an. „Anna Stubbe“, stellte ich mich vor.

      „Freut mich, Anna.“ Er reichte mir eine Visitenkarte, die ich gehorsam betrachtete. „Sie sind mir gerade aufgefallen“, sagte er. „Wir suchen noch neue Gesichter für eine Modekampagne. Frische, junge, mitteleuropäische Typen, so wie Sie. Darf ich fragen, wie groß Sie sind?“

      „Ähm... einsachtundsiebzig?“

      „Perfekt. Und haben Sie schon einmal gemodelt?“

      „Nein“, log ich. „Noch nie.“

      „Würden Sie es denn gerne mal versuchen? Sie könnten in der Agentur vorbeikommen, ganz unverbindlich. Wir machen dann ein paar Fotos und stellen Sie bei unserm Auftraggeber vor. Das könnte ein sehr lukrativer Job für Sie werden.“

      Déja vu: Schon beim ersten Mal,