Claudia A. Wieland

Für immer Rosa


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      Claudia A. Wieland

      Für immer Rosa

      2. Südkalifornien

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       II. SÜDKALIFORNIEN

       Eine Schulklasse in Deutschland

       13. Kapitel

       14. Kapitel

       15. Kapitel

       16. Kapitel

       17. Kapitel

       18. Kapitel

       19. Kapitel

       20. Kapitel

       21. Kapitel

       22. Kapitel

       23. Kapitel

       24. Kapitel

       Impressum neobooks

      II. SÜDKALIFORNIEN

       This beautiful place…It has all time. It knows the people are a tide That swells and in time will ebb, and all Their works dissolve. Meanwhile the image of the pristine beauty Lives in the very grain of the granite, Safe as the endless ocean that climbs our cliff …

       Robinson Jeffers, Carmel Point

      Eine Schulklasse in Deutschland

      Es ist gerade Pause. Ein zierliches Mädchen mit lockigen, dunklen Haaren und grünen Augen, vielleicht zwölf Jahre alt, sitzt auf seinem Platz in der dritten Reihe. Vor ihm liegt ein Blatt Papier, die Kopie einer Zeitschriftenseite.

      »Was liest du denn da?« Eine Mitschülerin, groß und mit groben Knochen, offenbar diejenige mit der größten Klappe, steht hinter dem Mädchen und reißt das Blatt an sich. »He, das ist ja ein heißer Typ. Wer ist denn das?« Sie versucht, den Artikel zu lesen. »Scheiße, der ist ja auf Englisch!« Sie liest mühsam die Schlagzeile: BRITISH SUPERSTAR COMMITS CAREER SUICIDE. »Hä? Da hat sich irgend so ein Superstar umgebracht«, grölt sie durch die Gegend.

      Drei Jahre Englischunterricht haben wohl nicht viel gebracht, seufzt das zierliche Mädchen in Gedanken. Die Mitschülerin spart sich die Lektüre des Artikels und versucht stattdessen, das Datum zu entziffern. »Aber das Geschreibsel ist ja von Anno Tobak«, ruft sie entgeistert aus. Sie rechnet die Jahre zusammen. »Der Typ muss doch heute ein alter Knacker sein!«

      Das zarte Mädchen zuckt zusammen. Dann atmet es tief durch. In seinen Augen glüht es. Es nimmt ein Lineal vom Tisch, steht auf, senkt den Kopf, ballt die freie Hand zur Faust und geht auf die grobschlächtige Mitschülerin zu. »Gib das her! Gib das SOFORT her!«, sagt es mit leiser, aber eindringlicher Stimme. Die Mitschülerin macht keine Anstalten, dem Wunsch zu entsprechen. Daraufhin sagt das Mädchen nur: »Du hast es nicht anders gewollt.« Als es zum Schlag ausholt, lodert das Feuer in seinen Augen. Es trifft seine Gegnerin mitten auf die Nase. Dann entreißt es ihr das Blatt, dreht sich um, kehrt zu seinem Platz zurück, setzt sich schweigend hin und liest weiter, als sei nichts gewesen

      XXX

      Die wehrhafte Kleine ist wieder zuhause. Sie sitzt mit verschränkten Armen auf ihrem Bett, die Stöpsel ihres MP3-Players in den Ohren. Neben ihr liegt die Kopie der Zeitschriftenseite. Sie denkt daran, wie es begann.

      Vor ein paar Wochen hatte sie auf dem Dachboden einen großen Karton, voll mit alten Zeitungsausschnitten, gefunden. Da man in ihrem Elternhaus keine Geheimnisse voreinander hat, war es unwahrscheinlich, dass jemand diesen Karton zwischen dem alten Plunder hatte verstecken wollen. Wahrscheinlich hatte dieser Jemand, den Artikeln nach zu urteilen ihre Mutter, den Krimskram einfach aus den Füßen schaffen wollen.

      Sie trug den Karton in ihr Zimmer und schaute sich die Artikel an. Sie stammten allesamt aus einer Zeit, als sie noch nicht geboren worden war. Es waren Ausschnitte aus deutschen Boulevardzeitschriften, aber auch Ausdrucke aus dem Internet. Da waren Fakten, Klatsch und Tratsch zu lesen: über Michael Jackson, den heute noch berühmten King of Pop, der vor mehr als 15 Jahren an einer Überdosis eines Betäubungsmittels gestorben war; über die Schauspielerin Romy Schneider, die damals schon, als ihre Mutter begonnen hatte, diese Artikel zu sammeln, nicht mehr lebte; über den Schauspieler Johnny Depp, damals wie heute ein Superstar, obwohl jetzt doch schon ziemlich in die Jahre gekommen. Da waren ein paar wenige Artikel über einen relativ unbekannten Rockmusiker, in dem die Kleine grinsend ihren Papa erkannte. Und da waren viele Seiten über einen gewissen Tom Savage, einen britischen Schauspieler, der offenbar in Los Angeles gelebt hatte. Sie hatte nie von ihm gehört. Sie blätterte durch die Artikel, die ihn betrafen, schaute die Fotos an und spürte eine merkwürdige Beklemmung, die langsam aus dem Bauch nach oben kroch und sich wie ein schwerer Klotz auf ihr Herz setzte. Er war sehr gutaussehend gewesen, keine Frage. ATTRACTIVE, SEXY, STEAMY waren die Attribute, mit denen man ihn in der englischsprachigen Presse bedacht hatte. Aber auf manchen Fotos hatte er dicke Tränensäcke und dunkle Schatten unter verschleierten Augen. Er sah unendlich traurig aus. Sie las alle Artikel, einen nach dem anderen, bis sie auf einen englischen Artikel mit der Überschrift BRITISCHER SUPERSTAR BEGEHT KARRIERESELBSTMORD stieß. Hier war von einem Tom Savage zu lesen, der sich sinnlos betrank und im Rausch Reporter verprügelte. Sie schüttelte den Kopf. Instinktiv wusste sie, dass an dieser hässlichen Geschichte irgendetwas nicht stimmen konnte. Sie deponierte den Karton unter ihrem Bett, nahm den englischen Artikel aber an sich, um ihn dann und wann hervorzuziehen und sich jedes einzelne Wort wieder und wieder durchzulesen.

      Dann kam jener Tag, als sie Tom Savage zum ersten Mal in einem seiner Filme sah. Sie hatte sich über das Internet die Originalfassung von VICTOR UND CLAIRE besorgt und an einem regnerischen Nachmittag, als sie sich allein und unbeobachtet wusste, angeschaut. Tom Savage hatte sie total beeindruckt. Er war ein supertoller Schauspieler. Wie er der Claire die Gedichte in dieser schaurigen Abtei vorlas und wie er ihr zum Schluss erklärte, warum er weggegangen war und sich entschuldigte. Das war so grandios! Aber am meisten hatte sie die Szene berührt, in der er Claire dieses Liebeslied IF THE STARS WERE MINE vorsang und dazu auf der Gitarre spielte. Das hatte sie komplett geflasht. Ihr waren die Tränen in die Augen geschossen und nur so die Wangen heruntergelaufen. Sie hatte sich gar nicht mehr beruhigen können, obwohl das Lied doch gar nicht traurig war. Aber seine Stimme hatte so etwas … etwas Sehnsüchtiges. Sie war ganz anders als seine weiche, melodische Sprechstimme. Sie war so eindringlich, fordernd, ging einem durch Mark und Bein, und an manchen Stellen war sie schluchzend und verzweifelt.