Dietlinde Beerbom

Entscheidung auf Sardinien


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es denn immer eine Jüngere sein?“, lacht Anja. „Soweit ich weiß, ist es eine Frau aus seinem Büro. Damit erfüllt er natürlich auch jedes Klischee. Scheint so, als ob es wirklich gefährlich ist, seinen Mann arbeiten zu lassen. Vielleicht sollte ich Rainer mal lieber zum Hausmann ummodeln?“

      „Das hört sich aber auch nicht nach einer zufriedenstellenden Lösung an. Außerdem könnte er etwas mit deiner heißen Nachbarin anfangen. Zeit genug hätte er dann allemal.“, stichelt Sabine.

      Anjas Stimme überschlägt sich fast vor Panik: „Spinnst du?“

      „Nein, ich wollte nur sagen, dass einsperren wohl auch keine Lösung ist und nicht davor schützt, wenn jemand sich anders orientieren will.“, widerspricht Sabine.

      „Sprichst du da aus Erfahrung?“, ätzt Anja.

      „Kann sein!“, räumt Sabine geheimnisvoll ein.

      Anja und Kerstin reißen die Augen auf. Das sind doch mal ganz neue Aussichten und das bei der so selbstsicheren Sabine. Ob da was dran ist? „Willst du darüber reden?“, fragt Anja.

      Sabine muss es wohl endlich mal loswerden, denn sie antwortet ohne zu zögern: „Wahrscheinlich habe ich es schon viel zu lange in mich hinein gefressen und ich denke immer wieder darüber nach, ob meine Beziehung damals zu retten gewesen wäre, wenn ich mich anders verhalten hätte. Dieser Gedanke lässt mich einfach nicht los. Schuldgefühle können sich wirklich lange halten und seltsamerweise geht mir diese Sache neuerdings wieder ständig durch den Kopf. Der Auslöser dafür ist vermutlich, dass ich Christian und seine Frau mit ihren süßen Zwillingen neulich gesehen habe. Da dachte ich plötzlich, dass ich jetzt so mit ihm durch die Stadt laufen würde, wenn ich damals nachsichtiger mit ihm gewesen wäre. Sie sahen so glücklich aus.“

      „Das mit dir und Christian ist doch schon Lichtjahre her. Ich dachte immer, ihr hättet euch getrennt, weil seine Mutter dauernd dazwischen gefunkt hat und dich nicht leiden konnte. Der war aber auch ein elendes Muttersöhnchen.“, meint Anja angewidert.

      „Das war unsere offizielle Version, weil die Wahrheit für mich damals viel unerträglicher war und ich mich geschämt habe, dass ich nichts bemerkt habe, bevor es zu spät war. Ihr wisst ja, dass Christian damals der Meinung war, er bräuchte eine Auszeit vom Beruf und da ich gut verdiente, sah ich keinen Grund, ihm diesen Wunsch abzuschlagen. Nachdem er eine Weile zu Hause alles auf dem Laufenden gehalten und mich in jeder erdenklichen Form verwöhnt hat, dachte ich, dass es eine gute Entscheidung war. Es war toll, dass sich jemand um mein Wohlbefinden kümmerte und mir den Rücken für meinen anstrengenden Job freihielt. Ich brauchte mich zu Hause um nichts zu kümmern. Wenn ich von der Arbeit kam, war der Haushalt erledigt und das Essen stand auf dem Tisch. Christian war wirklich ein guter Hausmann mit erstaunlichen Fähigkeiten, die ich vorher nicht bei ihm vermutet hätte. So konnte ich mich voll und ganz auf meine Karriere im Verlag konzentrieren, die damals auch wirklich sehr positiv verlief. Wie ihr wisst, bin ich ziemlich schnell zur Verlagsleitung aufgestiegen. Die jüngste Verlegerin Deutschlands und Christian war total stolz auf mich. Er gab überall damit an, wie gut ich in meinem Job sei und was für eine tolle Frau er hätte.

      Ich war absolut glücklich und so sehr auf mich selbst fixiert, dass ich nicht mitbekam, dass er zwar stolz auf mich war, aber auch darunter litt, dass ich erfolgreich war, während er „nur“ Hausmann war. Er hat auch nie etwas in der Richtung gesagt. Irgendwann merkte ich, dass er sich zu Hause langweilt und ermunterte ihn, doch etwas für sich zu tun und einen Kurs zu belegen, der ihm Spaß machen würde. Nach einigem Überlegen entschied er sich, eine Foto-Safari mitzumachen, die von einem bekannten Fotografen geleitet wurde. Da er schon immer gerne fotografiert hat, fand ich die Idee super, zumal es quer durch Afrika gehen sollte, wo er schon lange einmal hin wollte. Da ich nicht die Absicht hatte, jemals nach Afrika zu fahren, konnte er sich so gleich zwei Träume unabhängig von mir erfüllen und das sollte für eine Beziehung doch gut sein. War es dann aber nicht. Zu der Safari-Truppe gehörten sowohl Männer als auch Frauen. Es dauerte nicht lange und das enge Miteinander der Truppe brachte den ganzen Haufen einander näher als mir lieb war. Als Christian aus Afrika wiederkam, war er braun gebrannt, glücklich und ich Single.“

      „Hat er eine Tussi aus dem Fotokurs abgeschleppt?“ Kerstin ist ganz gebannt von Sabines Enthüllung. Mann, dass solche Dinge im wahren Leben passieren und Sabine bisher nichts davon erzählt hat.

      „So ist es! Sie hatten sich eines Abends gelangweilt, es gab nicht sehr viel andere Zerstreuung in den Lodges und so kamen er und eine Frau aus dem Kurs auf die Idee, gegenseitig Fotos von sich im schwindenden Tageslicht zu machen. Das Licht verschwindet sehr schnell in Afrika und so verlegten sie ihre Foto-Session kurzerhand in Christians Bungalow. Bei Fotos blieb es dann nicht.“

      „Oh je, du Arme!“, bemerkt Anja mitfühlend.

      „Ich habe euch die Geschichte nicht erzählt, um bedauert zu werden. Viel mehr dachte ich, wir könnten daraus etwas darüber lernen, wie Beziehungen laufen, was wichtig ist, um zusammen zu bleiben. So eine schlimme Zeit wie nach der Trennung von ihm will ich nicht noch einmal erleben. Außerdem schäme ich mich irgendwie immer noch, weil ich damals so blauäugig war, ihn alleine fahren zu lassen.“

      „Dafür musst du dich nicht schämen. Du wolltest ihm damit ein wunderbares Geschenk machen, um das ihn viele Leute beneiden würden und dieser Mistkerl hatte nichts Besseres zu tun, als dein Vertrauen zu missbrauchen!“, ereifert sich Kerstin.

      „So einfach ist es glaube ich nicht. Wenn eure Beziehung in Ordnung gewesen wäre, wäre es nicht passiert. Dann hätte er die Reise machen können, ohne über die nächstbeste Frau zu klettern.“, behauptet Anja.

      „Über unsere Beziehung haben wir nie wirklich gesprochen. Christian gab mir hinterher die Schuld, weil ich seine Bedürfnisse nicht geteilt hätte. Er sagte, wenn ich mehr Interesse für seine Wünsche gehabt hätte, hätte er sich seine Selbstbestätigung nicht woanders suchen müssen.“

      „Wow, was für ein Arsch!“, schäumt Kerstin. „Erst treibt er es hinter deinem Rücken auf einer Reise, die du ihm bezahlt hast, mit einer anderen und dann schiebt er dir die Schuld in die Schuhe. Das ist ja wirklich der Hammer! Und du plagst dich seitdem mit Schuldgefühlen? Warum hast du uns denn nicht eher davon erzählt? Ich dachte, wir wären Freundinnen.“

      „Wir sind Freundinnen, Kerstin, aber ich habe mich so geschämt, weil Christian mir eingeredet hat, dass ich alles leichtfertig aufs Spiel gesetzt hätte, indem ich so dämlich gewesen bin, ihn alleine mit anderen Frauen nach Afrika fahren zu lassen. So wie er argumentiert hat, konnte ich nicht anders als ihm zuzustimmen. Es war mir so peinlich, dass ich unsere Beziehung kaputt gemacht hatte, weil ich immer nur an meine Bedürfnisse gedacht habe. Ich wollte nicht, dass das jemand erfährt und deswegen haben wir gemeinsam beschlossen, seine nervige Mutter als offiziellen Trennungsgrund vorzuschieben.“

      „Himmel, ich hätte nie gedacht, dass du dich dermaßen vorführen lässt. Ich dachte immer, du stehst mit beiden Beinen im Leben, bist klug und selbstbewusst. Und dann lässt du Christian damit durchkommen, dass er sein Fehlverhalten auf dich projiziert. Wenn er sich wirklich so unverstanden gefühlt hat oder sich gewünscht hätte, dass du seine Interessen teilst, hätte er doch mit dir darüber sprechen können anstatt die nächstbeste Schlampe flachzulegen. Glaub mir, wenn einer Grund hat sich zu schämen, dann nicht du, sondern dieser Blödmann. Ich wünschte wirklich, du hättest es uns früher erzählt. Nicht, weil ich neugierig bin, sondern weil dir dann viel Leid erspart geblieben wäre. Am liebsten würde ich zu diesem Mistkerl fahren und ihm mal so richtig die Leviten lesen.“ Kerstin ist wirklich außer sich. Sie hat zwar immer ein lockeres Mundwerk, aber so aufgebracht haben ihre Freundinnen sie selten erlebt.

      Ungläubig starren sie Kerstin an bevor Anja ihre Meinung beisteuert: „Ich finde auch, dass Christian es sich auf deine Kosten sehr bequem gemacht hat. Das bestätigt aber auch, was ich vorhin gesagt habe. Mit eurer Beziehung war etwas nicht in Ordnung. Wahrscheinlich wäre sie früher oder später sowieso den Bach runtergegangen. Wenn man Probleme nicht offen anspricht und stattdessen ein anderes Ventil sucht, hat man keine Chance an den Problemen zu arbeiten. Ich muss Kerstin rechtgeben, der Fehler liegt nicht bei dir und du