Dietlinde Beerbom

Entscheidung auf Sardinien


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ist. Weil ihr das nicht gelingt, beginnt sie sich in Gedanken selbst zu beschimpfen, um ihren Verstand zur Ruhe zu bringen. Aber auch das hilft nicht. Irgendetwas hat der Abend mit Kerstin und Sabine bei ihr in Gang gebracht und das lässt ihr keine Ruhe. Sie steht auf und kocht sich einen Tee. Das hat ihre Mutter ihr schon nach ihrem ersten Liebeskummer als Seelentröster beigebracht. Ihr jetziges Gefühl ist ein kleines bisschen wie Liebeskummer, da hilft Tee bestimmt.

      Als sie sich an den Küchentisch setzt und ihre Teetasse vor sich abstellt, merkt sie, wie das vertraute Ritual sie tatsächlich ein wenig zur Ruhe kommen lässt. Sie schaut sich aufmerksam in ihrer Küche um, um ihre Gedanken abzulenken. Ihre Küche ist wirklich gemütlich. Das schöne Kirschholz der Schränke sowie die roten Wände strahlen Wärme und Behaglichkeit aus. Das weiche Licht der Schrankbeleuchtung taucht die Küche in einen gemütlichen Schimmer.

      Plötzlich kommt Rainer ebenfalls in die Küche. Am liebsten würde sie ihn wieder ins Bett schicken, um in Ruhe nachdenken zu können. Aber das kann sie ihm wohl schlecht erklären.

      „Was ist denn los? Warum schläfst du nicht?“, fragt er. „Du hast dich solange hin und her gewälzt, dass ich schließlich wach geworden bin. Als du länger weggeblieben bist, habe ich beschlossen, nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Stimmt etwas nicht?“ Das erklärt zumindest sein plötzliches Erscheinen. Normalerweise schläft er so fest, dass man um ihn herum das Haus abbauen könnte, ohne ihn zu wecken.

      „Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken. Aber ich kann einfach nicht schlafen. Willst du auch einen Tee?“ Sie hofft, dass er ablehnt und wieder ins Bett verschwindet, aber den Gefallen tut Rainer ihr nicht.

      „Gerne.“, sagt er stattdessen und fragt interessiert: „Was beschäftigt dich denn so?“

      Kann sie darüber mit ihm reden? Sie weiß doch selbst nicht, was los ist. Wie soll sie ihm das denn erklären? So beschließt sie, ihn vorerst nicht zu beunruhigen und erst für sich selbst herauszufinden, was sie umtreibt. Also hält sie sich mit ihrer Antwort sehr bedeckt und hat komischerweise ein schlechtes Gewissen dabei. „Ach, mir gehen die Gespräche mit Sabine und Kerstin durch den Kopf. Es war gar nicht so wichtig, aber trotzdem beschäftigt es mich.“

      Prompt will Rainer wissen, worüber denn gesprochen worden ist, dass es sie so aufgewühlt hat. Verdammt! Wenn man sich wünscht, dass er in einem Gespräch Interesse zeigt, ist das oft nicht der Fall. Und ausgerechnet jetzt, wo sie sich wünscht, dass er wieder schlafen geht, ist er hellwach und stellt unbequeme Fragen. Nun muss schnell eine zufriedenstellende Antwort her, die nicht allzu viel Erklärungsbedarf erfordert. Nach kurzem Überlegen, das sie durch völlig unnötiges Umrühren ihres Tees verschleiert, hat sie schließlich eine Idee wie sie sich aus dieser Situation retten kann: „Fred und Rosie trennen sich. Das hat mich total umgehauen. Es hatte doch immer den Anschein, als ob bei ihnen alles perfekt wäre.“

      „Was ist schon perfekt?“, fragt Rainer kryptisch.

      Nanu! Findet er etwa auch, dass ihre Ehe nicht perfekt ist? Warum hat er nie etwas gesagt? Anja ist ein wenig gekränkt. Soll sie ihn zur Rede stellen? Lieber nicht mehr heute Nacht. Es wäre besser, erst einmal darüber zu schlafen, damit sie nichts Unbedachtes sagt. „Lass uns morgen darüber reden. Vielleicht klappt es jetzt mit dem Schlaf.“, meint sie.

      „Gute Idee. Ich bin jetzt auch viel zu müde für tiefschürfende Gespräche.“, antwortet Rainer, nimmt ihre Hand und zieht sie mit sich ins Bett. Ganz kurz blitzt in ihr der Wunsch auf, dass er sie dort nicht nur zum Schlafen hinzieht. Aber diese Hoffnung wird bereits im Keim erstickt, als Rainer sie in seinen Arm zieht und auf der Stelle in ein leichtes Schnarchen verfällt.

      Ob sie noch Sex hätten, hatte Kerstin gefragt. Anja überlegt, wann sie das letzte Mal miteinander geschlafen haben und kann sich beim besten Willen nicht mehr genau daran erinnern. Schon drängt sich ihr noch eine weitere Frage auf: „Ist der Sex nach so vielen Jahren noch aufregend oder doch eher eine Pflichtübung?“ Warum stellt sie sich plötzlich so komische Fragen? Seit vielen Jahren spielt Sex für sie nur eine untergeordnete Rolle. Wenn es mal dazu kam, war es meistens gut, wenn nicht, war es auch nicht so schlimm. Es reichte ihr schon, wenn es überhaupt gelegentlich dazu kam.

      Kapitel 3

      Auch für Sabine war der Abend ganz anders verlaufen, als sie es sich vorgestellt hatte. Eigentlich wollte sie einen Abend mit Klatsch und Tratsch mit ihren Freundinnen verbringen und dann war es so persönlich geworden. Letztendlich war sie jedoch froh, dass sie sich endlich einmal ihre Schuldgefühle von der Seele geredet hatte und war dankbar, dass ihre Freundinnen sie nicht verurteilt, sondern getröstet hatten. Wenn sie es recht bedachte, war Christian wirklich keine ihrer Tränen wert gewesen.

      Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Abend als sie sich mit Christian in einem schicken Restaurant getroffen hatte, um über die Auflösung der gemeinsamen Wohnung zu sprechen. Natürlich hatte sie gehofft, dass er inzwischen eingesehen hatte, dass es ein Fehler war, sich mit der anderen Frau einzulassen und Christian sie mit fliegenden Fahnen um Verzeihung bitten würde.

      Stunden verbrachte sie damit, sich für diesen Abend zurecht zu machen. Ein entspannendes Bad in einem Meer von Glückszauber-Schaum leitete die Vorbereitungen ein. Danach Beine und Achselhöhlen enthaaren, sorgfältig schminken. Das stellte schon die erste Hürde dar. Normalerweise schminkte sie sich kaum und so hatte es eine halbe Ewigkeit gedauert bis das Make-up ihren Wünschen entsprach. Als es endlich vollbracht war, schlüpfte sie in sündhaft teure, schicke neue Unterwäsche und zog das eng anliegende, rote Kleid an, das sie in glücklichen Tagen zusammen mit Christian gekauft hatte. Dazu zog sie sich halterlose Strümpfe und die sexy roten Riemchensandalen an. Wenn er sie darin sah, endete der Abend meistens auf eine sehr aufregende, angenehme Art. Sie konnte sich nicht davon abhalten, sich auch für diesen Abend ein entsprechendes Ende auszumalen.

      Als sie das Ergebnis im Spiegel betrachtete, fand sie sich umwerfend. Dass dieses Adjektiv noch Programm für diesen Abend würde, konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

      Sie schnappte sich ihre Handtasche und stieg in ihr Auto. Voller Vorfreude, Christians Augen zu sehen, wenn sie ihm gegenüber stehen würde, fuhr sie gut gelaunt zum 'Chez Philippe'. Dass Christian ausgerechnet ihr früheres Lieblingsrestaurant gewählt hatte, betrachtete sie als gutes Omen. Sie wünschte sich, seine neue Flamme könnte sie in diesem Outfit sehen. Sicher würde sie vor Eifersucht platzen! Ein wunderbarer Gedanke!

      Als sie beim 'Chez Philippe' vorfuhr, wartete Christian bereits am Eingang. In seinen Designer-Jeans und dem halb offenen weißen Hemd, sah er unverschämt gut aus. Während er ihr die Tür aufhielt, sagte er: „Wow, du siehst toll aus!“ Balsam auf ihre wunde Seele! Ein wohliges Kribbeln breitete sich in Sabine aus. Als er wieder den Mund aufmachte, verflog dieses Gefühl jedoch schnell. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich Katrin mitgebracht habe. Es betrifft sie schließlich auch.“

      Sabine fühlte sich, als ob ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. So hatte sie sich das nicht gedacht, als sie sich wünschte, dass seine Neue sie in ihrem Outfit sehen könnte. Wie betäubt ließ sie sich von Christian zu dem Tisch führen, an dem Katrin bereits auf sie wartete und sich zur Begrüßung erhob, als Sabine an den Tisch trat. Warum sie überhaupt noch mit in das Lokal hineingegangen war, verstand sie später selbst nicht.

      Katrin sah ganz anders aus als Sabine es sich ausgemalt hatte. Sie war ungefähr 10 cm kleiner als Sabine – was allerdings an Sabines hochhackigen Sandalen liegen konnte. Kastanienbraune Locken umrahmten ein herzförmiges, dezent geschminktes Gesicht, in dem große blaue Augen strahlten. Das schlichte grüne Kleid betonte eine Figur, die wohl keine Männerherzen kalt lassen würde. Allerdings schien sie sich dessen überhaupt nicht bewusst zu sein. Eher hatte sie eine sehr sanfte Ausstrahlung und schien in ihrer eigenen Mitte zu ruhen. Katrin streckte Sabine die Hand zur Begrüßung hin, schaute ihr direkt in die Augen und ging wie selbstverständlich sofort zum Du über: „Hallo Sabine. Hoffentlich bist du nicht böse, dass ich einfach mitgekommen bin. Christian hat von dir so nett gesprochen, dass ich dich unbedingt kennenlernen wollte. Ehrlich gesagt, war ich sogar ein bisschen eifersüchtig und wo ich dich jetzt so vor mir sehe,