Dietlinde Beerbom

Entscheidung auf Sardinien


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Unbefangenheit raubte ihr den Atem und sie musste sich widerwillig eingestehen, dass sie diese Frau sympathisch fand. Wenn sie ihr nicht den Mann ausgespannt hätte, hätte sie sich sogar vorstellen können, sich mit Katrin anzufreunden. Unter den gegebenen Umständen kam das natürlich nicht in Frage.

      Deshalb beschloss sie, entgegen ihrer eigentlichen Art, nicht besonders höflich zu sein. „Alle Achtung, du traust dich ja was!“, sagte sie deshalb ungnädig. „Ich kann nicht behaupten, dass ich mich über unsere Bekanntschaft freue.“

      So kannte Christian sie gar nicht und maßregelte sie prompt: „Es gibt keinen Grund so feindselig zu sein, Sabine.“

      Da schäumte die Wut so richtig in Sabine hoch und sie konterte: „Wenn hier jemand Grund zur Feindseligkeit hat, dann doch wohl ich. Erst lässt du mich wegen ihr sitzen und dann besitzt du auch noch die Unverschämtheit, sie ohne vorher zu fragen hier anzuschleppen.“

      „Ich sagte doch bereits, dass Katrin von dieser Wohnungsauflösung ebenfalls betroffen ist und somit ein Grund für ihre Anwesenheit vorliegt.“, gab Christian gestelzt von sich.

      „Inwiefern ist sie von unserer Wohnungsauflösung betroffen? Das ist doch wohl eine Sache zwischen dir und mir.“, antwortete Sabine. Diese Situation war so irreal, zumal sie immer noch alle drei am Tisch standen, statt sich zu setzen.

      „Katrin und ich überlegen, die Wohnung zu übernehmen und falls es dir keine Umstände macht, würden wir sie gleich im Anschluss auch mal kurz anschauen, damit sich Katrin ein Bild machen kann.“, ließ Christian die Katze aus dem Sack.

      „Jetzt bist du wohl total übergeschnappt!“, fauchte Sabine und es war ihr völlig egal, dass alle Köpfe im Restaurant ihnen zugewandt waren. Sollten doch zumindest einige Leute heute Abend ihren Spaß haben, sie würde hier sowieso nie wieder hingehen.

      „Warum denn? Das wäre doch die perfekte Lösung. Wir könnten dich auszahlen und du müsstest dir keine Sorgen um den Verkauf der Wohnung machen.“

      Sabine schnappte nach Luft. Sie schaute erst ungläubig Christian und danach Katrin an. Die war immerhin so anständig, ein betretenes Gesicht zu machen. „Das habt ihr euch ja fein ausgedacht. Glaubst du wirklich, dass wir erst ganz friedlich etwas essen und danach gemeinsam in unsere Wohnung fahren? Würdest du bei dieser Gelegenheit vielleicht auch gerne gleich mit Katrin unser Bett ausprobieren? Dann bräuchte ich mir auch keine Gedanken machen, ob das in meine neue Wohnung passt.“, ätzte Sabine. Jetzt hatten sie endgültig die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Restaurant-Gäste.

      „Sabine, es gibt doch wirklich keinen Grund sich so aufzuregen! Musst du hier so eine Szene machen?“

      „Eine Szene? Du weißt gar nicht, was eine Szene ist!“, keifte Sabine und zog mit einem Ruck das Tischtuch samt Geschirr auf den Boden. Anschließend spuckte sie Christian vor die Füße, drehte sich auf dem Hacken um und verließ hoch erhobenen Hauptes das Lokal. Dem hatte sie es gezeigt!

      Kapitel 4

      Auch für Kerstin war der Abend anders als erwartet verlaufen. Sie hatte sich ebenfalls auf eine lockere Klatsch- und Tratschrunde gefreut. Dass es dann zu so einem ernsten Themenwechsel kommen würde, überraschte auch Kerstin. Der Auslöser dafür war ihre aktuelle Beziehung mit Karsten.

      Grundsätzlich ist sie gerne mit Karsten zusammen. Er ist aufmerksam, sieht gut aus, ist gebildet, verdient nicht schlecht und hat auch kein Problem mit der Teilung der Aufgaben im Haushalt. In der letzten Zeit hat sich aber etwas in ihre Beziehung geschlichen, was sie nicht so genau benennen kann.

      Im Gespräch mit ihren Freundinnen war ihr bewusst geworden, dass ihr Sexualleben eine ziemlich untergeordnete Rolle in ihrem Leben spielt. Es interessierte sie einfach, ob es in anderen Beziehungen auch so eine Entwicklung gab. Vielleicht ist es ja normal, dass dieser Teil einer Partnerschaft irgendwann auf Sparflamme kocht. Möglicherweise ist auch gar nicht das Sexualleben der Punkt, der schief läuft. Sie war sich immer noch nicht sicher, woher dieses Gefühl stammt, beschloss aber zumindest die Gelegenheit im Frauengespräch zu nutzen, die Erfahrungen ihrer Freundinnen in dieser Richtung zu erfragen. Eine wirkliche Antwort hatte sie nicht bekommen, aber die impulsive Reaktion ihrer Freundinnen auf dieses Thema, zeigte ihr zumindest, dass man dieses nicht vernachlässigen sollte.

      Vielleicht war der Anlass ihrer Nachdenklichkeit aber auch ihr Geburtstag. 50 –eigentlich nur eine Zahl, aber trotzdem ist es kein Geburtstag wie jeder andere. Diese Zahl führt einem deutlich vor Augen, dass die Hälfte der Lebenszeit im Normalfall überschritten ist. Nach offizieller Definition gehört sie nun sogar zu den Senioren. Unglaublich! Dabei fühlt sie sich doch noch gar nicht alt. Das wiederum führt zu der Frage, was man bisher mit seinem Leben angestellt hat und was die Zukunft noch bringen wird. Sicher ist es ein hoher Anspruch, nach dem Sinn des Lebens zu fragen, aber man kann es nicht verhindern. So ist es auch bei Kerstin.

      Bisher war ihr Leben ein bunter Reigen von nicht allzu lange verweilenden Partnern. Sie hatte es nie geschafft, eine Beziehung länger als ein paar Monate am Leben zu erhalten. Nun steht für sie die Frage im Raum, warum das so ist. Wenn man jung ist, hat man unweigerlich die Zukunftsvision zu heiraten, Kinder zu bekommen und ein tolles Leben zu führen. Alles ist möglich und wahrscheinlich zieht jede Frau an diesem bedeutenden Geburtstag ein Resümee, was aus diesen Träumen geworden ist. Selten dürfte sich dabei herausstellen, dass die Träume, die man hatte, in Erfüllung gegangen sind. Ein paar schon, aber die anderen vermutlich nicht. Es dürfte schwer sein, jemanden zu finden, der in der Jugend genau das Leben geträumt hatte, das er anschließend wirklich führte. Das galt wohl für Frauen und Männer in gleichem Maße.

      Ob Männer das genauso hinterfragten wie Frauen? Vermutlich. Aber es schien, dass sie eine andere Umgangsweise mit dem Ergebnis ihrer Betrachtungen hatten. Für viele Männer schien es üblich zu sein, sich in ihrem Leben mit allen von der Gesellschaft erwarteten Statussymbolen einzurichten: Kinder, Karriere, Auto. Darüber definierten sie offensichtlich, ob sie erfolgreich waren oder nicht. Eine Geliebte für die persönlichen sonstigen Bedürfnisse zur Ergänzung des nach außen zur Schau getragenen Erfolges, ist scheinbar ein akzeptabler Weg. Wenn das nicht funktioniert, wird die Familie als Ballast abgeworfen und man kann noch einmal von vorne anfangen, wobei oft die gleichen Werte wie zuvor angestrebt werden. Natürlich gibt es auch bei den Männern Ausnahmen. So wie auch beim anderen Geschlecht.

      Die meisten Frauen gehen jedoch anders mit dieser Frage um. Sie denken auch darüber nach, in ihrem Leben etwas zu ändern, aber selten ist die Lösung, sich einfach einen Nebenmann zu suchen und nach Außen die Fahne der intakten Familie vor sich herzutragen. Die Veränderungen, wenn sie dann stattfinden, sind radikaler. Wenn die Veränderung mit einem anderen Mann einhergeht, dann handelt es sich im Allgemeinen um einen für alle sichtbaren Austausch des Partners. Es muss aber nicht unbedingt ein anderer Partner sein. Manchmal ist es auch die Entscheidung, nicht mehr mit dem bisherigen Partner zusammen zu bleiben, sondern ohne Partner neue Wege zu gehen. Mit oder ohne Partnerwechsel – erstaunlich oft beginnen Frauen in diesem Alter auch, sich beruflich noch einmal neu zu orientieren, was bei Männern eher selten ist. Männer wechseln vielleicht noch einmal den Arbeitgeber, aber selten den eigentlichen Beruf. Wenn Frauen sich zu einer beruflichen Veränderung entschließen, beschränkt sich diese meistens nicht auf den Wechsel des Arbeitgebers, sondern erstreckt sich auf eine völlig andere Tätigkeit, bevorzugt als eigene Chefin. Mag sein, dass das damit zusammenhängt, dass selbständige Frauen scheinbar eher mit ihrer beruflichen Wahl zufrieden sind. Vielleicht ist der Grund aber auch darin zu sehen, dass Frauen in Angestelltenverhältnissen gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt werden, ihre Leistung dort nicht so anerkannt wird. Männer definieren sich (meistens) über den Neid ihrer Artgenossen, Frauen über Anerkennung ihrer Person.

      So hat auch Kerstin den Wunsch, dass ihre Fähigkeiten und Talente entsprechend gewürdigt werden. In ihrem jetzigen Job sagt man ihr zwar gelegentlich, dass sie ihre Arbeit gut erledigt, aber eine entsprechende finanzielle Würdigung gibt es nicht. Sie macht ihre Arbeit gut und zuverlässig, ist genauso intelligent oder vielleicht sogar noch intelligenter als ihre männlichen Kollegen, aber bei Gehaltserhöhungen und Beförderungen nützt ihr das nichts.