Michael Stuhr

DIE GABE


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leisteten. Die Montenaux´ hatten sich von Caetan verabschiedet und Diego saß mit seinen Eltern im Heck des acht Meter langen Beiboots der Manhattan.

      „Ach, Caetan ist ganz in Ordnung. Er sucht wohl immer noch einen Schwiegersohn“, meinte Diego.

      René Montenaux schüttelte verständnislos den Kopf. „Seine Töchter wollen doch gar nicht heiraten. Marisa hätte Angst, dass sie nicht mehr so oft ihre geliebten Partys feiern kann und Louisa hält sowieso nicht viel von Männern. – Und gerade die würde er gerne mit dir verheiraten.“

      „Ich weiß.“ Die Eigenheiten der jüngsten Töchter Caetans hatten sich auch schon bis zu Diego herumgesprochen, nur der König selbst wollte es nicht wahrhaben, dass es familiär bei ihm ein wenig aus dem Ruder lief. Im Lauf seines mehrhundertjährigen Lebens hatte er sich wohl einige Moralvorstellungen der Luftatmer zu Eigen gemacht. So war er bemüht, Normalität zu heucheln, obwohl es eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Nach den Regeln des Alten Bundes war jedenfalls alles in bester Ordnung, und eigentlich hätte ihn nur das interessieren müssen.

      „Eine Ehe zwischen Lou und mir wäre wohl für beide eine ziemliche Katastrophe. Trotzdem hat Caetan mir so ganz nebenbei erzählt, was für eine schöne Zeit er erlebt hat, als er frisch verheiratet war. Eine Werbebotschaft reinsten Wassers!“

      „Und?“

      „Ich habe ihm was von Lana vorgeschwärmt, das hat sein Interesse vorerst gedämpft.“

      „Kann ich mir vorstellen!“ Der Vater konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

      „Der hat es gerade nötig, Reklame für die Ehe zu machen.“ Diegos Mutter verzog das Gesicht. „Der muss jetzt so ungefähr zum siebzehnten Mal verheiratet sein.“

      „Siebzehn Mal? Das wusste ich gar nicht. Na, offenbar braucht er es immer etwas reichlicher.“

      „In allem was er tut“, bestätigte der Vater. „Gut, dass du aus der Sache so elegant rausgekommen bist. Ich will ihm ja nicht unrecht tun, aber als Schwiegervater für dich kann ich ihn mir nicht so richtig vorstellen.“

      „Ich auch nicht“, lachte Diego. „Er ist ja ziemlich in Ordnung, aber spätestens nach einem halben Tag geht er mir ganz gefährlich auf die Nerven. Er kann einen einfach nicht in Ruhe lassen. Das hat er nicht drauf. – Na, irgendwann wird er aufgeben. Jetzt muss ich nur noch Hercule loswerden. Das ist auch so einer, der den ganzen Tag nur rumnervt. Den kann ich in Berkeley nun wirklich nicht gebrauchen. – Wie sind seine Eltern bloß darauf gekommen, dass wir uns eine Studentenbude teilen sollen?“

      „Ich habe mit ihnen gesprochen.“ Der Vater sah Diego ernst an. „Die LaSalles haben mittlerweile auch mitgekriegt, dass ihr Sohn ein bisschen überdreht ist. Sie hoffen, dass du da ein wenig aufpassen kannst, damit er sich nicht allzu sehr in Schwierigkeiten bringt.“

      „Was? Ich soll auf den aufpassen? Der taumelt doch von einer Katastrophe in die andere, schneller als ich ´Stop` sagen kann. Weißt du noch, wie er mal für ein paar Wochen bei uns auf dem Schiff war, und wie er unbedingt Tontauben schießen musste, als ein japanisches Küstenwachboot uns gerade gestoppt hatte? Der Kerl hätte fast den dritten Weltkrieg ausgelöst.“

      „Ja, weiß ich noch“, nickte der Vater. „Plötzlich krachten ein paar Schüsse auf dem Achterdeck, niemand wusste, was los war, und innerhalb von Sekunden waren zwei Schnellfeuerkanonen mit grimmigen Japanern dahinter auf uns gerichtet.“

      „Oder wie er versucht hat, aus Küchenzutaten und Dieselöl einen Feuerwerkskörper zu bauen?“

      „Immerhin ist es ihm gelungen“, lachte der Vater. „Ich würde das Ding aber eher einen Brandsatz nennen.“

      „Jetzt kannst du darüber lachen, aber ich erinnere mich, dass du damals ganz schön sauer warst. Seine Kabine war ziemlich angekokelt und für den Rest der Reise nicht mehr zu gebrauchen“, meinte die Mutter.

      „Genau!“, bestätigte Diego. „Da habe ich dann zum ersten Mal mit ihm zusammengewohnt, und ich muss sagen, ich bin heute noch satt davon. Mir reichts!“

      „Damals war er Zwölf oder Dreizehn“, versuchte der Vater abzuwiegeln. „Außerdem war er nur an Bord, weil die LaSalles uns einen Gefallen tun wollten.“

      Tatsächlich war es so gewesen, dass Diego damals sehr viel Zeit auf der Yacht seiner Eltern verbracht hatte und zu vereinsamen drohte. Hercules Gesellschaft hatte da aber doch nicht helfen können. Dazu war er schon damals zu oberflächlich gewesen.

      „Ich finde übrigens auch, es wäre ganz gut, wenn er in Berkeley jemanden neben sich hat, der ihn ein wenig bremst“, fuhr der Vater fort.

      „Und das soll ausgerechnet ich sein? Also ernsthaft: Ich halte das für eine ziemliche Zumutung.“

      „Tu uns den Gefallen“, bat die Mutter. „Und die LaSalles würde es auch beruhigen.“

      „Ist ja schon gut! Ich mache es ja. Ich werde ihn behandeln, wie einen Bruder. Es ist ein verdammt großes Opfer, aber wenn es denn sein muss ...“

      „Willkommen im Leben.“ Das war alles, was Diegos Vater dazu zu sagen hatte.

      „Ist ja erst mal nur für ein Semester“, versuchte die Mutter Diego zu beruhigen.

      „Tolle Aussichten“, knurrte der leise vor sich hin. Zumindest das erste Halbjahr seines Aufenthalts in Berkeley war ihm jetzt schon vermiest.

      05 MIRAMAR PLAZA

      Das Miramar Plaza an der Balboa Avenue war eine der ersten Adressen in Panama-City. Von seiner Suite im neunzehnten Stock aus hatte Thakur einen traumhaften Blick auf die Skyline der Stadt und den Yachthafen des Hotels. Das war für ihn aber zweitrangig. Das große Teleskop, das er in der Mitte seines Schlafraums aufgebaut hatte, war auf den Pazifik gerichtet, genauer gesagt auf die King Caetan VII, die weit draußen in der Flachwasserzone auf Reede lag.

      Der Großsegler war vor fünf Tagen aus seinem nordchilenischen Heimathafen in Richtung Panama ausgelaufen. Thakur hatte schon Tage vorher das Computersystem der Hafenmeisterei gehackt und sofort von der Abreise erfahren.

      Es war genug Zeit geblieben, sich von der Familie zu verabschieden. Die Air India hatte ihn nach Hawaii gebracht, von wo aus er mit der PanAm nach Los Angeles geflogen war. Natürlich war den Beamten bei den Sicherheitskontrollen das große Zeiss-Teleskop mit den Nachführmotoren aufgefallen; aber Thakur hatte sich als Hobbyastronom ausgegeben, der in den Anden ein paar Beobachtungen machen wollte. Das hatte die Leute zufriedengestellt.

      Über Mexico war Thakur schließlich nach Panama gekommen und hatte sich am Ufer des Pazifiks im Miramar eingemietet. Dabei war es ihm weniger um den Luxus gegangen, den das Hotel bot, als vielmehr um ein Zimmer, das möglichst hoch lag. Die Suite in dem rechten der Doppeltürme war für seine Absichten perfekt. Hier hatte er das Meer direkt vor sich. Sofort hatte er das Teleskop in seinem Schlafzimmer aufgebaut und stündlich den Horizont nach der unverwechselbaren Silhouette der King Caetan VII abgesucht.

      Vorgestern war der Großsegler am Horizont aufgetaucht und vor der Küste vor Anker gegangen. Sofort war ein kleineres Boot zu Wasser gelassen worden, das nacheinander verschiedene Yachten besucht hatte, die in die Kanalzone einliefen. Thakur hatte sich gefragt, was das bedeuten konnte, aber das hatte sich schon am Abend geklärt. Etliche der Motoryachten hatten den Schutz der Kanalmündung verlassen und sich näher an den Großsegler herangeschoben. Beiboote jeder Größe hatten Gruppen von Menschen auf die King Caetan gebracht.

      „Natürlich! Eine Party“, hatte Thakur geflüstert und wie zur Bestätigung seiner Worte war auf dem Segler die Beleuchtung eingeschaltet worden. Bis in die Masten hinein war das ganze Schiff plötzlich ein Lichtermeer gewesen, und wer es noch nicht gewusst hatte, der war spätestens jetzt darauf aufmerksam geworden, dass hier etwas Besonderes lief. Sicherlich hatten sich auf diese Art noch ein paar Extragäste anlocken lassen. Spender von Lebenskraft für den unersättlichen Appetit des Königs und seiner Gefolgsleute.

      Das Teleskop hatte Thakur in gnadenloser