Ralph Scheible

Die Rote Baskenmütze


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Irgendwann wird es Geschichte sein und kaum mehr vorstellbar. Gut, da wären noch die Briten, die bis heute an ihrer Magna Carta von 1215 festhalten. Der ehemalige Freibrief für Adelige ist immer noch Grundlage der Gesetze des Vereinigten Königsreichs und besonders die Verfassung der USA bezieht sich in Teilen auf diese Gesetze. Einem Vereinigten Europa kann das allerdings nicht im Wege stehen, denkt Max. Lustig ist freilich, dass laut der Magna Carta, niemand in den Houses of Parlia- ment sterben darf. Tritt dieser Fall ein, muss der Leichnam sofort herausgeschafft werden. Warum? Weil solch eine Begebenheit ein Staatsbegräbnis nach sich ziehen würde. Noch ein Kuriosum aus dem Jahr 1872, wonach es verboten ist, betrunken auf Pferden und Kühen zu reiten. In den Vereinigten Staaten von Europa wird es wohl nur noch Hobby Monarchen geben, überlegt sich Max, was ja auch seinen Reiz haben kann. Vermutlich wird sich Europa ausdehnen wie die USA. Diese Territorialen Expansionen ermöglichten vor allem die damaligen Einwanderer aus Europa im Osten und die Hispanics im Westen. Mit Hawaii haben die USA inzwischen auch Anteile an Ozeanien. Die englische Amtssprache ist dagegen nur in30 der Vereinigten Staaten Gesetz. Also, auf was wartet Europa noch. Die einzelnen Länder behalten doch ihre Kultur und Sprache. Max kann sich ein uniformelles Europa so auch gar nicht vorstellen.

      Max philosophiert über ein tolles Europa so vor sich hin, als er jäh vom Klingeln seines Telefons unterbrochen wird. Schade aber auch.

      3.Social Media

      »Schänkel hier. Hallo Max. Jetzt habe ich mal eine Frage. Warum bist du so saublöd und gehst zu Facebook? Beim surfen habe ich dich dort entdeckt.«

      »Na hör mal, warum bin ich jetzt blöd? Wer war denn auf dem Baggersee surfen und guckt dabei Facebook?«

      »Ich war doch nicht auf dem See surfen, du Doof. Im Internet surft man natürlich.« echauffiert sich Sven jetzt. »Ach so ist das. Und in der Glotze wird fleißig gezappt? Hast du auch was mit Bergsteigen und Alpintauchen gefunden? Also gut, klar bin ich bei Facebook, warum denn nicht? Ich bin auch bei Twitter und suche noch nach anderen geilen Plattformen. So sieht das aus.« sagt Max. »Weißt du nicht, dass die deine ganzen Daten sammeln? Das ist doch gefährlich. Die wissen nachher alles von dir. Und du kriegst ständig Werbung und Spam und was noch alles.« regt sich Adviser-Sven auf. »Ja das ist doch prima. Deshalb suche ich ja überall nach noch mehr solchen Sozialen Netzwerken.«

      »Du spinnst doch. Ist das dumm oder naiv, oder alles zusammen?« ist Tollwut-Sven jetzt kurz vor Schaum vor dem Mund. »Jetzt reg dich doch nicht auf. Ich nutze das einfach als super praktisches Tool.« freut sich Max.

      »Was???« schäumt Paranoia-Sven weiter. »Ja, ich habe erkannt, dass die einen Nutzen von mir haben. Umgekehrt habe ich den aber auch. Alles was ich von mir so weiß, gebe ich preis, inklusive Fotos und lustige Bilder. Seither kann ich ganz unbeschwert durchs Leben gehen. Der blöden Telekom brauch ich nicht mehr mitzuteilen wie meine Telefonnummer geht. Weil alle möglichen Ämter jetzt auch Bescheid wissen, fülle ich seither keinerlei Formulare aus. Es braucht mich auch niemand mehr ständig am Telefon quälen, steht alles in meiner Chronik. Schön sind natürlich auch die vielseitigen Werbemails, da kann ich mir immer das Beste herausfischen, ohne mir die Hacken wund zu laufen. Der größte Vorteil jedoch ist, ich gehe nicht mehr verloren. Zur Not kann ich immer nachgucken wo ich wohne und wie ich heiße und so weiter. Nachteil, nicht jeder ist bei Facebook angemeldet. Deshalb suche ich ja weiter nach kompetenten ähnlichen Seiten« erklärt Max äußerst plausibel.

      »Hallo Sven?« es kommt keine Antwort mehr, obwohl die Verbindung noch aktiv ist. Hat es ihn jetzt aus den Socken gehauen? »Sven?« fragt Max ganz vorsichtig.

      »Also, jetzt habe ich gar keine Idee mehr. Da muss ich erst mal schlucken« ist Sicherheits-Sven entsetzt. »Ah, da bist du ja wieder!« »Ja, da bin ich wieder. Bei solch bescheuerten Ideen fällt mir erst mal gar nichts ein. Wie kommt man nur auf so etwas? Wenn du denkst, bei demografischer und seniler Vergesslichkeit einfach mal bei Facebook und Co vorbeizugucken, bist du aber auf dem Holzweg. Wie willst du das dann machen? Hast du immer deinen Computer dabei und wenn ja, weißt du dann noch wie der funktioniert? Aber schlimmer noch, ein soziales Netzwerk lebt doch von Freunden. Über die weiß die ganze Welt dann auch alles. Da brauchst du nur mich einzutragen und schon bin ich verraten und verkauft. Das ist doch eine Sauerei« Sven schwillt schon wieder der Kamm. »Ja genau, alle Svens, auch den Lappen-Sven aus Lappland, sowie den Afrika-Sven aus Timbuktu und vor allem den berühmten Insel-Sven, irgendwo zwischen Havanna und Kingston, wird es ganz hart treffen, die haben dann alle das Sven-Gesicht und die gleiche Geschichte und die gleiche Telefonnummer. Ist mir schon klar, dass du jetzt nicht mehr ruhig schlafen kannst. Aber wegen mir brauchst du dir keine Sorgen machen. Wenn ich nicht mehr weiß wo ich wohne, bin ich entweder zu Hause und kann da nachgucken und wenn ich auf der Straße umher irre, habe ich ja mein Smartphone mit den vielen Äpps dabei und damit kann ich natürlich auch ins Internet. Falls ich es daheim vergessen haben sollte, kann ich doch jeden anhauen, der mich dann nachschauen lässt. Wenn es ganz hart kommt, kümmert sich bestimmt diese beliebte Institution mit den silbrig blauen Autos um mich. Bei denen auf der Wache gibt es schließlich auch jede Menge Computer, und diese Kollegen gibt es in jedem Land auf der Welt. Wie du siehst kann ich dank der sozialen Netzwerke nie verloren gehen.« atmet Max auf.

      »Du hast sie echt nicht mehr alle! Schon mal etwas von Open-Graph Anwendungen gehört, die in die Timeline, oder direkt in den Chronik-Ticker integriertsind?« fragt Sven.

      »Und was kann das?« wundert sich Max.

      »Das postet deine Aktivitäten direkt an den Konzern. Ob du Musik hörst, dir Rezepte anschaust, einfach Alles!«

      »Das ist doch klasse. Dann bekomme ich endlich die Werbung, die genau auf mich zugeschnitten ist. Was soll daran schlimm sein?« wundert sich Max.

      »Damit verdient der Konzern sein Geld!« ärgert sich Neid-Sven wieder. »Dann gibt es noch dieses Social Plug-in. Bei jedem Klick auf den Gefällt mir Button spioniert das deinen Browser aus und gibt das nicht nur deinen Freunden weiter, sondern auch an Personen, die gar nicht bei Facebook angemeldet sind. Frecher geht es doch gar nicht.«

      »Ist ja schon gut. Dann ist es so gesehen besser, wenn du gar nicht mehr ins Internet gehst. Aber dann wirst du irgendwann feststellen, dass du seit deiner Geburt schon überall registriert bist. Egal was du anstellst. Die wissen auch so alles über dich. Am besten du kommst wieder runter. Bei einem Hefeweizen vielleicht. Heute ist ein schöner Tag, die Sonne scheint. Was hältst du davon?« versucht Max Panik-Sven zu beruhigen. »Also gut, das wird wahrscheinlich das Beste sein. Bis dann also.« willigt Sven ein.

      Im Fernseher plärrt noch eine Werbung von Frowenta und ihrem sagenhaften Powerstaubsauger mit dem vielsagenden Namen Intelligence Beauty, bevor Max auf ein anderes Programm umswitcht. Hauptsache dieses blöde Powerding sieht geil aus und eine gewisse Intelligenz wird sich schon noch finden lassen.

      »Diese Bengalos und Pyros sind eine Never Ending Story im deutschen Fußball. Das ist schon sehr creepy.« faselt ein sogenannter Sportreporter daher.

      »Im Wetter sieht man blaue Flecke, die Regen bringen. Der Trend liegt bei Trocken mit mehreren Gewit-

      tern im Süden, bei sage und schreibe 28 Grad.« berichtet Bert Wetterfrosch recht fröhlich. Na dann kann ja nichts mehr schief gehen, denkt Max und macht sich auf den Weg zum noch fröhlicherem Happening mit Outdoor-Sven. Auf der Prachtstraße Kühlackers wird er mit einem freundlichen »Quo vadis?« von Joggl Cloggl angehalten, der kauend an einer der beliebten Döner-Buden steht. »Hallo Joggl, so früh schon Hunger und ohne Mofa heute? Ich treffe mich mit Netzwerk-Sven auf ein Bier, kommst du mit?« bietet ihm Max an. »Nee, ich muss gleich noch malern. Gruß an Sven!« »Ach, immer ein Gschäftle nebenher, dachte du kannst nicht mehr. Wo geht’s denn heute hin?« möchte Max wissen. »Bloß eine Kleinigkeit in Aize, ich mache halt langsam. Der Typ kommt gleich und holt mich ab.« »Also gut, dann frohes Schaffen. Ade.« wünscht Max und geht langsam weiter. So ein schöner Tag heute. Sonne und wolkenloser blauer Himmel, hoffentlich gibt es noch ein freies Plätzchen, draußen beim Eiscafé mit dem wunderbaren Überblick. Schon viel los heute morgen auf dem Broadway der schwäbischen Kleinstadt Kühlacker. Bei schönem Wetter kommen plötzlich alle raus, wie die Ratten aus den Löchern, stellt