Anton Theyn

Keine Anleitung zum Mord


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Mir steht Schweiß auf der Stirn. „Wollen Sie das Konto einrichten? Wir haben einen Kontoautomat. Heben Sie das Geld ab und zahlen Sie es gleich ein.“ „Geben Sie mir bitte einen Tag Bedenkzeit. Ich will mir das noch einmal überlegen.“

      Bei der Verabschiedung drückt mir mein neuer Bankberater seine Visitenkarten in die Hand und schiebt genüsslich mit sonorer Stimme, fast wie in einem Gruselfilm, noch eine Bemerkung nach. „Alle Banken haben die gleichen Konditionen. Es ist fast wie in Deutschland, die Zinsen unterscheiden sich nicht wirklich. Wir Bankmenschen sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt.“

      Halsabschneider. Und für bescheuert hält er mich auch. Wenn ich in seinem Bankhaus das Geld abhebe, kann ich gleich meinen Reisepass vorlegen. Ich will ein anonymes Konto einrichten. Abgesehen davon, zehntausend Dollar kann ich nicht in einem Zug abheben. Zehntausend Dollar sind kein Pappenstiel. Ich bin schließlich kein Millionär. Ich stehe zwar nach wie vor auf der Gehaltsliste meines früheren Arbeitgebers und die monatliche Überweisung ist nicht gerade gering, dennoch habe ich keinen Goldesel. Ich muss mit meinen Einkünften haushalten. Ich werde noch weitere Kosten haben.

      Ich sehe keine Alternative. Die Zehntausend sind Risikokapital, es sind schon die zweiten Zehntausend. Ich habe zwei Kreditkarten und kann pro Tag und Karte den Wert von dreitausend Euro abheben. Das bekomme ich gestreckt leicht über zwei Tage abgehoben. Ich weiß allerdings nicht, wie ich die zehntausend Dollar sicher vom Hotel in die Bank bringen kann. Das Risiko, dass ich als Tourist überfallen werde, erscheint mir recht hoch.

      Nachdem ich gestern und heute insgesamt zehntausend Dollar abgehoben habe, liegen einhundert Hundertdollarscheine vor mir. Ich komme mir wie nach einem Bankraub vor, wenngleich ich in dieser Branche bisher noch keine Erfahrungen habe. Ein ganz schön dickes Bündel. Ich habe mir ein paar hohe Strümpfe besorgt und stecke je fünfzig Scheine in jede Socke in Höhe der Wade. Unwillkürlich muss ich an Gangster aus einem 50-er Jahre-Schwarz-weiß-Film denken. Was soll´s! Eine bessere Idee habe ich nicht.

      So vorbereitet, mache ich mich auf den Weg zu Senior Garcia. Das nächste Taxi winke ich heran, steige ein und gebe dem Chauffeur die Adresse, sicherheitshalber mit einer deutlich höheren Hausnummer. Circa 200 Meter werde ich dann zurücklaufen. Anonym bleiben ist das eine. Wenn der Chauffeur mitbekommt, zu welcher Adresse ich will, könnte er vermuten, dass ich Bargeld in der Tasche habe. Das Risiko ist mir zur hoch. Zu meinem Erstaunen hält der Taxifahrer direkt vor der Eingangstür der Bank. Meinen irritierten Blick quittiert er mit einem breiten Grinsen. Angesichts meiner Geschäfte, meint er unbefangen, sei es besser für mich, nicht so weit zu laufen. Im Grunde bin ich erleichtert, mit dem vielen Geld nicht durch die unsicheren Straßen laufen zu müssen. Ich gebe ihm ein großzügiges Trinkgeld und bitte ihn zu warten.

      In der Bank suche ich zunächst die Kundentoilette auf, um meine Dollars angemessen unterzubringen, sprich umzuparken. Das Versteck will ich keinem zumuten. Senior Garcia erwartet mich schon mit seinem breiten Grinsen - daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen - und versichert mir, dass ich bei ihm in besten Händen sei. Er bietet mir an, ich könne bei ihm auch eine Vielzahl von Anlagegeschäften tätigen. Diese wären alle kostenfrei.

      Halsabschneider, klar sind sie kostenfrei. Die zehn Prozent von der Einzahlung gehen weg. Wir besprechen noch einmal alle Details. Eigentlich ist es völlig überflüssig. Per Telefon ruft er einen Mitarbeiter im überheblichen Ton des Vorgesetzten und bittet mich, ihm die zehntausend Dollar zu überreichen. Kein Nachzählen, kein Beleg, keine Quittung – einfach so.

      Alles, aber auch wirklich alles ist vorbereitet. Die Konten, die Verträge, die Kreditkarten, die zugehörigen Pins – einfach alles. Er war sich absolut sicher, dass ich kommen werde. Das Ganze erinnert mich an deutsche Gründlichkeit. Mit südländischer oder lateinamerikanischer Improvisation hat das nichts zu tun. Offensichtlich sind wirklich alle Bankmenschen aus dem gleichen Holz geschnitzt. Nicht zuletzt deshalb habe ich ein derart ungutes Gefühl.

      Ich warte nur noch auf den Moment, dass er mich mit meinem Namen anspricht. Ich möchte wetten, dass er ihn kennt und möchte ebenfalls wetten, dass er sich eher die Zunge abbeißen würde, als mich mit meinem Namen anzusprechen. Dann wäre das Geschäft gelaufen. Schließlich ist Diskretion und Anonymität sein Geschäftsmodell.

      Beim Verabschieden fragt er mich noch, ob ich weitere diskrete Dienstleistungen benötige. Er hätte gute Kontakte zu vielen Firmen. Natürlich alles diskret. Wir können alles. Für mich ist das wie ein Sechser im Lotto. „Klar“, sage ich, „ich brauche noch mehr Unterstützung. Ich benötige noch eine gute Internetseite und diverse E-Mail Konten.“ „Kein Problem.“ Er zieht wieder sein breites Grinsen auf. „Wir haben alle Formalitäten erledigt.“

      Er drückt mir meine drei Kreditkarten in die Hand und will mir am Geldautomaten zeigen, dass die Karten funktionieren. Zum Test soll ich tausend Dollar abheben. Da noch nichts eingezahlt ist, sollte das nicht funktionieren. Der Geldautomat spuckt problemlos 20 Scheine a´ 50 Dollar aus. Senior Garcia nimmt das Bündel und steckt es in seinen Anzug, zieht sein breites Grinsen wieder auf und sagt nur: „Vier Kinder“. Ich habe einen neuen Kontostand: 1000 $ - 1000$ Soll. Das zum Thema Seriosität. Senior Garcia begleitet mich zum Ausgang und geht mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt zu meinem Taxifahren und spricht mit ihm. Neben einem festen Händedrucke bekomme ich zum Abschied nicht nur ein „Auf Wiedersehen“, sondern auch noch ein höhnisch klingendes „Auf gute Geschäfte“.

      Mein Chauffeur fährt los und lässt mich vor einem Haus aussteigen, an dem ich mich fast nicht trauen würde, vorbeizugehen, geschweige denn, es zu betreten. Nach kurzem Zögern fordert er mich auf, an der Tür zu klingeln. Ein junger Mann macht mir die Tür auf und begrüßt mich. „Ich bin Tom und du bist Mister Senior. Das genügt“. Natürlich wusste auch er schon, dass ich kommen werde. Er grinst breit, alle grinsen hier unentwegt.

      Ich trete ein - außen eine Bruchbude, innen nicht wirklich besser. Aber Technik, das würde auch ein absoluter Laie sofort sehen, Technik vom Feinsten. Hier hausen Nerds, wie sie klischeehafter nicht sein könnten. Ein Raum, in der Größe einer kleinen Turnhalle, eingerichtet wie ein Großraumbüro. Fast wie ein Großraumbüro. Außen an der Wand stehen Computer zu kleinen Türmchen aufgebaut. Dazwischen immer wieder Arbeitsplätze, an denen meist junge Männer vertieft arbeiten. In der Mitte des Raumes ein riesengroßer Tisch. Auf der einen Seite des Raumes gibt es eine Art Zwischendeck. Von unten erkenne ich ein paar Flipperautomaten, einen Billardtisch und weitere Spielsachen, die offensichtlich als Pausenunterhaltung für die Computerspezialisten vorgesehen sind.

      Ich schildere Tom mein Anliegen. Er schaut mich fast verächtlich an und sagt: „Kein Problem, das ist sehr einfach.“ Und dann mit einem Blick, als wolle er sagen, du kennst das Spiel, kommt der Nachsatz. „Zweitausend Dollar“ und nach einer kurzen Pause, „zweitausend Dollar pro Jahr.“ Und mit einem genießerischen Blick geht er mit mir in eine Ecke des Raumes. Dort steht zu meinem Entsetzen ein ATM, also ein Geldautomat und ich weiß, was zu tun ist. Ich nehme meine neue Kreditkarte, tippe 2000 Dollar ein und ehe ich mich versehe, greift eine Hand zu. Das kenne ich schon. Es fehlt nur noch die Bemerkung mit den vier Kindern. Mit zweitausend Dollar muss in diesem Land manche Familie fast ein komplettes Jahr auskommen.

      Ich verbringe fast den ganzen Tag bei einem Mitarbeiter von Tom. Zwischendurch bringt ein etwa zehn Jahre alter Junge ein großes Paket mit kulinarischen Köstlichkeiten einer international aufgestellten Fast-Food-Kette und etlichen Dosen eines koffeinhaltigen Getränks. Das Geschäftsessen wird gemeinsam an dem riesigen Tisch in der Mitte des Raumes eingenommen. Ich fühle mich sofort an meine Studentenzeit erinnert.

      Ich bin gut vorbereitet. Im Internet findet sich eine vergleichbare Homepage, die wir als Grundlage verwenden. Zusätzlich habe ich eine klare Vorstellung, wie meine Internetpräsenz aussehen soll. Die Internetseiten wird sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache erstellt. Das deckt meinen erhofften Kundenkreis zur Genüge ab. Es gibt Funktionalitäten, die unverzichtbar für meine zukünftigen Projekte sind. Aufgrund meiner guten Vorarbeit kommen wir gut voran.

      Ich bekomme alle Kontaktdaten und Zugänge und habe jetzt das Gefühl, ich bin in einer seriösen deutschen Firma. Alles wird zu meiner vollsten Zufriedenheit gelöst. Bei der Verabschiedung fragt mich Tom, ob ich noch weitere Geschäfte in der Stadt zu erledigen