Anton Theyn

Keine Anleitung zum Mord


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hätte ich mich in Australien bereits detailliert über die Palette der technischen Geräte in einer Art Katalog informiert. Leider bin ich nicht fündig geworden.

      Nach zwei Testtagen verwerfe ich manches wieder, nehme mir aber ein reichhaltiges Sortiment mit ins Hotel. Unter anderem erwerbe ich einen universellen elektronischen Autoschlüssel. Man stellt den Fahrzeugtyp ein, fängt das Signal eines legalen Nutzers beim Öffnen oder Schließen des Fahrzeuges ab und kann dann mit dem Gerät das Auto jederzeit auf- und zuschließen. Wegfahren ist natürlich nicht möglich. Das kann dann eventuell die nächste Gerätegeneration. Für mich als Test und zur Verblüffung ihrer Besitzer öffne ich gerade abgestellte Autos wieder und höre das vertraute Klicken, das den Zustandswechsel des Fahrzeuges anzeigt. Zwei, drei Mal das Auto geöffnet und der verunsicherte Besitzer weiß nicht, ob sich von seinem Auto entfernen kann. Ich muss auch meinen Spaß haben.

      Auf meiner Einkaufsliste stehen letztendlich:

       Elektronischer Autoschlüssel

       Spezialvideokamera, kaum größer als eine Streichholzschachtel und einer Aufzeichnungszeit von rund 24 Stunden

       Das gleiche noch einmal, allerdings wird pro Sekunde nur ein Bild erstellt. Damit kann man bis zu einer Woche aufzeichnen.

       Ortungssender getarnt als Kugelschreiber

       Ortungssender etwa so groß wie zwei Stück Würfelzucker versehen mit einem extrastarken Haltemagneten, verkapselt und sogar unter Wasser bedingt einsetzbar. Keine großen Tiefen, aber für mich reicht es.

       Für beides entsprechende Ortungsempfänger mit den Entfernungsanzeigen20, 50, 100, 200, 500 Meter

       GPS Tracker, also Aufzeichnungsgeräte, kaum größer als vier Stück Würfelzucker. Das Gerät hat einen extrem starken Haltemagnet, ist verkapselt und funktioniert auch bei Feuchtigkeit. Mit dem Gerät kann ich das Bewegungsmuster von Personen und Fahrzeugen leicht aufzuzeichnen.

       GPS-Tracker, allerdings getarnt als Kugelschreiber.

       GPS-Spezialsender, mit dem ich die Position eines Fahrzeuges weltweit bis auf wenige Meter Genauigkeit angezeigt bekomme. Leider ziemlich groß. Ziemlich groß heißt in der Größe einer Zigarettenschachtel. Die Daten kann ich weltweit auf einem PC mit Zusatzgerät und Spezialsoftware empfangen.

       Diverse Abhörwanzen nebst einem Empfangsgerät

       Ein Nachtsichtgeräte mit Kopf-Mount-System, das heißt man kann es mittels eines Kopfbügels fixieren und hat die Hände frei

       Ein Nachtsichtgerät mit zehntausendfacher Lichtverstärkung und zuschaltbarer Infrarot-Erkennung. In Deutschland würde ich dafür vermutlich etwa zehntausend Euro bezahlen. Ich bekomme es für weniger als ein Zehntel. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Gerät nicht zur Generation 4 gehört, die zurzeit ausschließlich dem Militäreinsatz vorbehalten ist und hier illegal vertrieben wird. Das gäbe beim Zoll richtig Ärger.

      Die beiden Nachtsichtgeräte sind fast als eine Art Reminiszenz an die Ereignisse auf der Brücke zu sehen.

      Die meisten Geräte haben keine Stecker. Der Datentransfer und das Aufladen des Akkus erfolgt über Induktion, ähnlich wie bei einer elektrischen Zahnbürste. Durch die komplette Kapselung würde ein ungewolltes Auffinden keinen Argwohn hervorrufen. Die hochkomplexe Elektronik im Inneren sieht man den grauen Kunststoffgehäusen nicht an. Irritiert, wenngleich erfreut ist der Verkäufer, dass ich von GPS-Trackern und den Ortungssendern gleich zehn Stück nehme. Von dem GPS-Spezialsender kaufe ich fünf Stück. Hinzu kommt noch die Spezialsoftware, die er mir auch gerne fünfmal verkauft hätte. Da ich die Software nur einmal kaufe, ermahnt mich Mister Yang, ich dürfte sie nicht kopieren. Sonst käme er persönlich nach Deutschland und lacht ohne Ende. Er steigert sich derart in sein Lachen, verschluckt sich, bekommt einen Hustenanfall und ich befürchte fast, dass er erstickt. Der Erfolg meiner Einkaufstour übertrifft meine Erwartungen. Allerdings auch finanziell. Der Spaß kostet mich fast hunderttausausend Hongkong-Dollar, also rund zehntausend Euro. Das könnte Ärger beim Zoll geben. Nein, das wird Ärger bei Zoll geben oder noch einmal entsprechende Kosten. Wie ich jeweils zehn Stück erklären soll, muss ich mir noch überlegen.

      Genau genommen gibt es nichts zu überlegen, es kann nur eine Lösung geben. Mr. Yang muss mir helfen. Ich frage Mr. Yang, ob er direkt nach Deutschland liefern könne. Das könne er mir leider nicht anbieten. Zum deutschen Zoll hätte er keine guten Kontakte, dieser sei da viel zu genau. Ob mir denn mit Italien geholfen wäre? Mit dem italienischen Zoll könne man verhandeln. Ich habe Phantasien, was er mit Verhandeln meint. Sein Cousin lebe in Prato.

      Na klar, in Prato, wo sonst, denke ich für mich. Ich werfe ihm fragende Blicke entgegen. Wo soll Prato sein? Das habe ich in meinen Leben noch nie gehört. Er hält mir sein Tablet-PC unter die Nase. Ich googele Prato. Ok, Prato liegt in der Toskana und dort arbeiten tausende von Chinesen in der Bekleidungsindustrie. Soweit ich das auf die Schnelle lese, unter meist ausbeuterischen Bedingungen. Offensichtlich eine moderne Form der Sklaverei.

      Diese Form des Warentransports sollte machbar sein. Jedenfalls allemal besser als dem deutschen Zoll irgendwelche Erklärungen abzugeben. Ich nicke zufrieden und nehme das Angebot gerne an. Ich hätte es wissen können - das Ganze hat einen Haken. Der Haken heißt Vorkasse. Für mich ein erhebliches Risiko. Zehntausend Dollar sind auch bei dem derzeitig günstigen Wechselkurs für mich kein Pappenspiel. Ich nehm´s mit unserer Kanzlerin. Für mich ist es alternativlos.

      Nach dieser Erledigung strebe ich das nächste Ziel an. Ich werde nach Kalifornien fliegen. Per E-Mail schreibe ich ein paar ehemaligen Instituts-Kollegen aus meiner Promotionszeit in den USA und kündige meinen Besuch an. Wir haben nach wie vor noch Kontakt oder treffen uns gelegentlich auf Kongressen. Ich verbringe noch ein paar Tage in Hongkong, aber nur, bis meine Maschine nach San Francisco startet. In dieser Stadt – und dann noch alleine – fühle ich mich nicht wohl.

      San Francisco

      Endlich sitze ich im Flugzeug. Die Stewardess zeigt engagiert Maßnahmen gegen das Ertrinken bei Wasserlandungen. Ich entspanne mich sofort. Wenngleich es mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegt, habe ich das Gefühl, ich komme in eine vertraute Umgebung. Gerne denke ich an die drei Jahre meiner Promotionszeit in San Francisco zurück. Zugegeben, in den fast dreißig Jahren wird sich vieles geändert haben. Ich bin gespannt, was meine ehemaligen Kollegen zu erzählen haben.

      Drei meiner früheren Kollegen holen mich vom Flughafen ab. David, John und Mark. Das sind auch die Drei, mit denen ich den meisten Kontakt hatte. David, denke ich für mich, was bist du fett geworden. Früher war er eine Sportskanone und alle Mädels wollten mit ihm ausgehen. John hat schon immer so viel geredet. Er konnte eine Stunde lang reden, ohne zu merken, dass ihm keiner zuhörte. Dass Mark dabei ist, freut mich am meisten. Wir waren wirklich gute Freunde. Ich glaube, er hat sich kaum verändert. Schlank, kaum graue Haare und noch immer den Schalk in den Augen. Ganz der alte Mark. Nur mit Mühe konnte ich sie davon abbringen, bei einem von ihnen einquartiert zu werden. Da ich noch ein paar weitere Pläne habe, möchte ich weitgehend unabhängig bleiben. Ich brauche diesen Freiraum.

      Der Empfang ist herzlich und ich werde in den nächsten Tagen überall in den Familien und im Freundeskreis vorgestellt und herumgereicht. Ich komme mir wie ein exotisches Tier vor, das jeder einmal bewundern möchte. Wir alten Kollegen reden, als hätten wir uns vorgestern das letzte Mal gesehen. Gerne würde ich an einigen Forschungsvorhaben und Ergebnissen ihrer aktuellen Arbeit teilhaben. Leider sind die Ex-Kollegen in diesem Punkt sehr zurückhaltend. Geheimhaltung wird nach wie vor großgeschrieben. Es wird regelrecht gemauert. Schade, da hatte ich mir doch mehr erhofft.

      Nach einer Woche habe ich genug von alten Geschichten und nehme mir den vermutlich schwierigsten Teil meiner Rundreise vor. Ich fliege nach Mittelamerika. Während meines Australienaufenthalts hatte ich mich hinreichend informiert, welches Land für mein Vorhaben die besten Voraussetzungen bietet. Für mich als unbedarften Mitteleuropäer macht das fast keinen Unterschied. Es funktioniert oder es funktioniert nicht. Am Flughafen angekommen fahre ich per Taxi zu meinem Hotel. Dank