Anton Theyn

Keine Anleitung zum Mord


Скачать книгу

ich bin am falschen Platz. In Australien kam ich gut zurecht, das war kein Problem. San Francisco war mir ohnehin mehr oder weniger vertraut, wenngleich sich vieles geändert hat und die Amerikaner ganz anders als Europäer ticken – sofern es den Europäer gibt. Und hier in Mittelamerika fühle ich mich mindestens so fremd wie in Hongkong. Mit dieser Lebensweise, dieser Mentalität komme ich nicht zurecht.

      Mein Ziel - ich benötige eine diskrete Bank. Das große Bankenviertel habe ich von vornherein ausgeschlossen. Die Bank meiner Wahl wird kein Glaspalast mit dutzenden von Stockwerken sein. Nein, ich brauche eine kleine, familiäre Bank. Keine Vorstände, die Aktionären verpflichtet sind. Abseits des großen Bankenviertels beginne ich meine Suche. Naiv wie ein Teenager betrete ich die nächstbeste Bank und trage mein Anliegen vor. „Mein Herr“, werde ich schroff und mit einem strafenden Blick abgewiesen, „da sind Sie bei uns völlig falsch.“

      Beim Hinausgehen murmelt er mir noch den Namen eines Instituts zu, das wohl meine Wünsche erfüllen wird. Auf meine Frage, wo genau diese Bank zu finden sei, macht er unauffällig für die anderen Mitarbeiter des Hauses eine Geste, die ich als immer der Straße entlang interpretiere. Der Versuch einer Nachfrage wird mit eindeutiger Miene beantwortet. Mir stehen keine Fragen mehr zu, geschweige denn Antworten.

      Da ich ohnehin kein anderes Ziel habe, laufe ich die endlos erscheinende Straße entlang. Wohl fühle mich ich mich nicht in dieser fremden Stadt, in dieser fremden Kultur und bei tropischer Hitze. Mein Unwohlsein ist völlig irrational. In südeuropäischen Städten sieht es außerhalb der Luxusviertel mit ihren Prachtstraßen kein bisschen anders aus. In früheren Jahren habe ich mehrmals Urlaub in Südeuropa gemacht. Von daher sind mir solche Stadtbilder durchaus bekannt. Das Stadtbild kann somit nicht die Ursache für meine Beklemmung sein.

      Sind es die Temperaturen? In Australien war es heiß, meistens dreißig, manchmal sogar vierzig Grad und mehr, aber hier ist es unerträglich. Dabei sind die Temperaturen eher niedriger als in Australien. Das ist nicht das Problem. Die Luftfeuchtigkeit nimmt mir den Atem. Es regnet jeden Tag. Ich komme mir wie im Tropenhaus eines botanischen Gartens vor. Das Unwohlsein, die Beklommenheit können nur eine Ursache haben. Ich habe ein Anliegen, das außerhalb meiner Lebenserfahrung liegt. Ich bin dabei, eine Schattenwelt zu betreten.

      Bereits durchs Nichtstun steht mir der Schweiß auf dem gesamten Körper. Hinzu kommt das Laufen entlang dieser nicht enden wollenden Straße. Jeder Schritt, der mich dem nach wie vor unbekannten und unklaren Ziel näher bringt, steigert mein Gefühl, dass das nicht gut gehen kann. Die Anspannung wächst unaufhörlich und ich weiß, glaube zu wissen, dass es keine Alternative gibt. Es gibt nur diesen einen Weg. Diesen einen Weg zur Bank – diesen einen Weg durch die Stadt. Ich sehe, zumal als Alleinreisender, bestimmt wie ein Tourist aus, den man mal schnell ausrauben kann. Ich möchte nicht das Opfer eines Überfalls werden. Und das wäre nur das kleinere Problem.

      Tatsächlich komme ich nach fast einer halben Stunde Fußmarsch zu einer Bank, deren Namen so ähnlich klingt, wie das Gemurmelte meines letzten Gesprächspartners. Aber ohne den Namen zu lesen, hätte ich ihn nicht aussprechen können. Mein Spanisch-Wortschatz reduziert sich auf ein Semester Volkshochschule und reicht gerade einmal für das Bestellen einer Mahlzeit und ein paar wenigen Grußformeln.

      Völlig durchgeschwitzt und mit einem beklemmenden Gefühl stehe ich unsicher wie vor dem ersten Rendezvous vor der Bank. Jetzt bin ich so weit gereist und habe nun Angst, die Bank zu betreten. Naja, Naturwissenschaftler. Ich bin eben kein BWLer. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und betrete unsicher die Bank. Ich formuliere beim nächstbesten Angestellten meinen Wunsch in der Erwartung, dass mein Gegenüber englisch spricht und mich versteht. Dieser dreht sich schweigend um und verschwindet in einem der hinteren Räume. Was ist jetzt los? Ruft er die Polizei? Werde ich verhaftet?

      Er hätte mich abweisen können, das kenne ich schon. Aber mich so stehen zu lassen. Am liebsten würde ich auf dem Absatz umdrehen und unverrichteter Dinge das Weite suchen. Allerdings wäre damit mein Problem nicht gelöst. Ich habe keinen Ansatzpunkt und fange dann wieder bei null an. Ich werde noch eine Minute warten und dann verschwinden. Zumal ich noch ein paar Züge das klimatisierten Gebäudes zwecks Abkühlung genießen möchte. Und ich habe auch noch nichts verbrochen, beruhige ich mich langsam.

      Falls die Polizei kommen sollte, werde ich behaupten, man habe mich missverstanden. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich auch für dieses Nichts oder das Missverständnis mit einer unangenehmen Polizeibefragung rechnen müsste. Als Student war ich einmal in Südamerika. Das Polizeiverständnis ist in diesen Ländern ein anderes als das in Deutschland. Man kann für alles bestraft werden, wenn es dem Uniformierten gefällt bzw. er daraus einen finanziellen Vorteil mit nach Hause nimmt.

      Senior Garcia

      In meiner Phantasie höre ich bereits Sirenen aus der Ferne und male mir aus, wie mich ein unsympathischer Polizist in die Mangel nimmt. Wer wird nach mir fragen, wenn ich in einer kargen Gefängniszelle sitze. Noch mit diesen Bildern beschäftigt, erscheint mein Schweiger wieder und deutet auf mich. Ein Herr, der Kleidung nach aus der Leitungsebene, kommt von der Treppe auf mich zu und begrüßt mich, als würden wir uns schon Jahre kennen. „Mein Name ist Garcia und Sie sind Senior…“, spricht er mich mit einer samtig-schmeichelnden Stimme an. Ich begrüße ihn ebenfalls und will mich gewohnheitsgemäß vorstellen.

      Jäh unterbricht er mich breit grinsend. „Sie heißen Senior. Das genügt.“ Er spricht ein ausgezeichnetes Englisch und ich weiß, dass es kein Kommunikationsproblem geben wird. Er führt mich einen Stock höher in sein Büro. Ich habe es richtig vermutet. Die Innenausstattung des Büros spricht Bände. Er gehört zur Leitungsebene und zeigt das ganz klar in der exquisiten Ausstattung seines Büros. Schwere Möbel, Teakholz vermute ich. Ein Ölgemälde in protzig blattgoldenem Rahmen. Statusdenken wird bei allen Banken großgeschrieben – weltweit. Er ist wer.

      Nach einer Tasse Kaffee und ein wenig Smalltalk werde ich nach meinem Anliegen gefragt. Ich benötige, und komme mir dabei vor wie ein Steuerhinterzieher in einem alpenländischen Bankhaus, ein diskretes Konto. Ich möchte nicht, dass sie meinen Namen und meine Herkunft kennen. Darauf schallt mir ein freches Lachen entgegen. „Bei dem Akzent - Germany.“

      Na gut - Deutschland ist groß. Meine Konten sollen nur eine Nummer haben und keinen Namen. Ich habe sehr genau Vorstellungen. Ich brauche ein Konto für Zahlungseingänge. Ein weiteres Konto unter einem völlig anderen Banknamen für Zahlungsausgänge. Dazu brauche ich ein paar Kreditkarten, mit denen ich weltweit Geld abheben kann. Und eine Telefonnummer, damit ich Sie anrufen kann. Weiterhin möchte ich, dass Sie alle Eingangszahlungen auf das andere Konto umbuchen.

      Mit einem erneuten frechen Grinsen bekomme ich die knappe Antwort. Kein Problem - das machen wir oft. Unsere Bedingungen sind ganz einfach. Bei jeder Einzahlung werden 10% „Spesen“ fällig, alles andere ist Service des Hauses. Da erschrecke ich doch ein wenig und mir entgleisen offensichtlich die Gesichtszüge. Das bedeutet letztendlich 10% der Einnahmen gehen weg.

      „Welche Garantien habe ich?“, frage ich mein Gegenüber. „Keine - es ist ihr Risiko. Aber wir wollen Sie als Kunde gewinnen und behalten. Wenn wir Menschen ausrauben wollten, würden wir auf die Straße gehen und Touristen ausrauben. Unser Geschäftsmodell ist legal und deutlich gewinnbringender. Und das Beste für Sie ist, wir stellen keine Frage. Wir wissen nicht, woher das Geld kommt, was Sie beruflich machen und auch nicht, ob Sie das Geld versteuern.

      Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie müssten nur 10% Ihrer Einkünfte als Steuern bezahlen. Würden Sie sich da beklagen? Nein, Sie würden jubeln. „Sehen Sie, wir sind die Guten. Die Finanzämter sind die Gangster.“ Er schaut mich lange grinsend an. Ich bin einfach nur sprachlos. So einfach geht das. Ich habe mir wochenlang den Kopf zerbrochen, wie ich es anstellen kann, ein anonymes Konto zu führen. „Ach so“, fügt mein neuer Bankberater an, „es gibt eine Grundgebühr. Zehntausende Dollar.“ „Wieso das?“, frage ich entsetzt.

      „Mein Freund, wir haben früher sehr viele Kunden und keine Umsätze gehabt. Seit wir die Gebühr erheben, haben wir deutlich weniger Kunden, aber alle Kunden haben Umsätze. Diese Kunden benötigen wirklich ein diskretes Konto. Bei zehntausend Dollar, das sind bei dem derzeitigen hohen Wechselkurs