Nadja Christin

Natascha


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du wirst mich schon bald wiedersehen, vielleicht schneller als du denkst.

      Ich konnte diesen verdammten Auftrag nicht mehr erledigen. Zum Einen hatte ich überhaupt keinen Durst mehr, zum Anderen fühlte ich immer noch Joshs brennenden Blick auf mir, wusste ich doch genau, was er von mir erwartete.

      Außerdem wollte ich einfach frei sein.

      Mitten in meine Gedanken hinein klingelte mein Handy. Ich klappte es auf, es war Frank.

      »Ja?«, fragte ich knurrend.

      »Tascha? Ich bin’s. Vergiss den Auftrag, ich habe etwas anderes für dich.«

      »W-Was ist los?«, ich war mehr als verwundert, noch nie wurde ein Auftrag abgebrochen und so kurz vorher schon gar nicht.

      »Nichts«, Franks Stimme klang unverbindlich, »ein anderer erledigt das.«

      »Aha«, murmelte ich und warf Justin einen kurzen Seitenblick zu, er sah mich fragend an.

      »Komm gegen Morgen zu mir«, fuhr Frank fort, »dann erkläre ich dir alles.«

      »Ist gut«, ich wollte gerade auflegen, als Frank rief:

      »Ach, Tascha?«

      »Ja?«

      »Lebt er noch?«, seine Stimme war scharf.

      Ich musste einfach grinsen. »Ja, ja, nur keine Sorge, Frank. Auch wenn er selbst nicht gerade dazu beiträgt.«

      Am anderen Ende der Leitung hörte ich ihn aufseufzen. »Gut«, dann ein Klicken, er hatte aufgelegt.

      »Was ist los?«, fragte Justin, als ich immer noch grinsend mein Handy wieder wegsteckte.

      »Unser Auftrag wurde abgeblasen, wir fahren zu mir, da ruhen wir uns noch ein bisschen aus. Morgen früh geht’s zu Frank.«

      Ich sah, wie Justin die Stirn in Falten legte und tief Luft holte.

      »Hör mal«, begann er zögernd, »wir können auch in meine Wohnung, sie ist hier ganz in der Nähe.«

      »Ich wollte eigentlich eine Runde duschen«, wendete ich ein.

      Er lachte kurz. »Das kannst du auch bei mir.«

      Nachdenklich sah ich ihn von der Seite her an. »Warum nicht«, murmelte ich nach einer Weile und parkte meinen Mustang in einer Seitenstraße.

      Wir stiegen aus und gingen zu Fuß weiter.

      Seine Wohnung war wirklich nicht weit weg. Er wohnte im obersten Stock, in einem kleinen Geschäftshaus. Als wir eintraten, umgab uns angenehme Dunkelheit. Justins Hände tasteten nach dem Lichtschalter. Ich legte meine Hand auf seine und schüttelte den Kopf.

      »Lass es ruhig so«, sagte ich leise. Er sah mich an, seine Hand war ganz warm und meine, wie immer eiskalt.

      Es war eine kleine Wohnung, mit einer riesigen Fensterfront im Wohnzimmer. Justin verschwand sofort in seinem Schlafzimmer. Er kam wieder, mit dem Arm voller, größtenteils schwarzer, Klamotten, die er auf sein Sofa warf.

      »Die hat meine Schwester da gelassen, sie hat mal kurz hier gewohnt«, sagte er leise, »fühl dich ganz wie zu Hause, hier findest du bestimmt was für dich zum Anziehen.«

      Ich wühlte den Klamottenberg durch und fand wirklich eine schwarze Hose und ein T-Shirt, die mir passen könnten.

      Justin zeigte mir sein kleines Bad. »Hier ist alles was du brauchst. Ich mach mir nur schnell was zu essen«, murmelte er und ließ mich alleine.

      Ich zog mich aus und stellte mich unter das heiße Wasser. Das tat wirklich gut. An die Wand gestützt ließ ich das Wasser auf meinen Nacken und die Schultern prasseln.

      Ich wusste nicht, wie lange ich schon einweichte, aber es kam mir unendlich vor. Langsam drehte ich das Wasser aus, trocknete mich ab und probierte die Sachen an, sie passten perfekt.

      Das passiert mir bei meiner Figur nicht oft.

      Ich ging wieder in das kleine Wohnzimmer. Justin hatte das Licht in der Küche angelassen und zusätzlich auf dem Couchtisch eine Kerze angezündet. Sie tauchte das Wohnzimmer in ein diffuses, flackerndes Schattenmeer.

      Er stand mit nacktem Oberkörper vor dem großen Panoramafenster, hatte ein Glas in der Hand und starrte auf die Lichter der Stadt unter uns.

      »Ich hoffe«, begann ich, »ich hab dir nicht das ganze heiße Wasser weggenommen.«

      »Ist schon okay.« murmelte er geistesabwesend und starrte weiter in die Lichter, fast wie hypnotisiert.

      Ich atmete durch die Nase ein, es roch nach Staub, Rauch, Whisky und… Justin.

      Ich stellte mich neben ihn und warf auch einen Blick auf die beleuchtete Stadt, es sah wirklich wunderschön aus.

      Ich blickte erneut zu Justin und bemerkte, wie er die Zähne aufeinander biss, wie seine Kiefer sich verhärteten. Was ging bloß in dem Jungen vor, überlegte ich. Er sah so verbissen aus, als tobte ein Kampf in ihm. Als stellte er sich selbst ein paar Fragen, auf die er die Antworten vielleicht nicht hören wollte.

      »Kann ich dir eine Frage stellen?«, begann er auch prompt, seine Stimme klang rau, sein Blick noch auf die Lichter gerichtet.

      »Klar, nur zu«, meinte ich gezwungen fröhlich.

      »Warum dauert die Verwandlung eigentlich so lange? Kann man das nicht beschleunigen?«, er richtete seine Augen auf mich und sah mich gespannt an.

      Auf so eine Frage war ich nicht gefasst. Ich wunderte mich insgeheim, dass Frank ihm das nicht schon längst erklärt hatte, warum er ihn nicht informierte.

      »Die Antwort ist eigentlich ganz einfach«, ich sah Justin direkt an, auch um seine Reaktion zu beobachten.

      »Die Verwandlung dauert so lange, weil man nur dann einigermaßen sicher sein kann, dass der angehende Vampir seinen ursprünglichen Charakter behält. Dass er nicht zu einem blutrünstigen, mordlüsternen Monster mutiert. Sich in die Gesellschaft einfügt, ohne pausenlos über unschuldige Menschen herzufallen und uns Anderen damit alle in Gefahr bringt.«

      Justin schob angestrengt seine Augenbrauen zusammen.

      »Aber es gibt noch einen anderen Weg.« Das war keine Frage, er stellte es einfach fest.

      Jetzt verengten sich meine Augen, ich war mir unsicher, ob er das wissen musste und fragte mich zum wiederholten Mal, warum Frank ihn nicht schon längst darüber informiert hatte.

      »Ja-a, aber das ist kein guter Weg«, ich presste die Lippen aufeinander.

      »Bitte, sag es mir, ich möchte es wissen.« Er atmete ein, als ich keine Antwort gab.

      »Bitte, Tascha«, es klang sehr eindringlich.

      »Es bereitet einem Schmerzen«, begann ich und blickte Justin scharf an, »außerdem kann man sich nie sicher sein, ob es auch funktioniert.« Ich überlegte kurz, ob Justin schon bereit war, für den Rest.

      »Der Vampir saugt das gesamte Blut aus. Alles was drin ist. Dann muss es sehr schnell gehen, da der Gebissene ja eigentlich schon tot ist. Der Vampir beißt sich selbst und gibt dem Toten einen Teil seines Blutes zu trinken. Nicht immer klappt es, man muss den richtigen Zeitpunkt treffen, bevor er ganz gegangen ist, sonst war alles umsonst. Wenn es aber funktioniert hat, kommt das nächste Problem.«

      Ich stockte kurz, Justin hing an meinen Lippen und folgte gespannt meiner Erklärung.

      »Ja?«, fragte er kurz, seine Stimme war nur ein Hauch.

      »Der Charakter, die Seele, das was den Menschen ausmacht, seine Einzigartigkeit, ist raus. Dafür bekommt er sozusagen ein Gemisch vom Vampir wieder. Das ist aber das eigentliche Problem. Der Charakter, die Eigenschaften vom Vampir werden übertragen und heraus kommt dann meist ein Vampirneuling, den man nicht gebrauchen kann, der, wie ich eben schon sagte, mordlüstern und gefährlich ist. Der uns alle in Gefahr bringt.« Damit schloss ich meine Erklärung und sah Justin gespannt