Nadja Christin

Natascha


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ein und schnallte sich blitzartig an. Dabei rückte er in seinem Sitz so weit von mir weg, wie es eben ging. Er war immer noch kreidebleich und stank nach Angst.

      »Willkommen an Bord«, sagte ich freundlich, erntete aber nur ein gemurmeltes »Danke.«

      Er senkte den Kopf wieder.

      Na, das konnte ja heiter werden.

      Ich seufzte und lenkte meinen Mustang in Richtung Stadt.

      Langsam wurde es dämmrig, die Luft roch anders, nach Nacht, nach Dunkelheit, nach Sicherheit, nach Tod und Verderben … Das roch gut.

      Unter mir rollten die Reifen gleichmäßig dahin und brachten mich immer näher an mein nächstes Opfer heran.

      Wie wird es diesmal werden?

      Wie wird es sein, meine Zähne in seinen Hals zu schlagen?

      Wie wird sein warmes süßes Blut wohl schmecken?

      Als wir in der Stadt ankamen, war es schon fast dunkel. Justin entspannte sich die ganze Fahrt über nicht. Er presste sich in seinen Sitz. Ich fragte mich, wie weit seine Verwandlung schon fortgeschritten war. Ich kann zwar besser riechen als ein Hund, aber den genauen Stand seiner Verwandlung wusste selbst ich nicht. Ich wusste nur, dass er noch kein Blut geschmeckt hatte. Also fragte ich ihn danach. Er schreckte kurz zusammen, als meine Stimme so plötzlich die Stille zerriss. Er antwortete mir aber erstaunlich ruhig und gelassen.

      »Ich bin schon recht schnell«, er überlegte kurz, »und ich kann gut hören und riechen.«

      Das war ja schon mal was. Somit stand er mir heute Nacht wenigstens nicht im Weg.

      Obwohl ich die Antwort schon kannte, fragte ich ihn nach der Blutsaugersache.

      »Hast du auch schon anderes Blut geschmeckt?«

      »N-Nein«, antwortete er zögerlich.

      Umso besser, dachte ich, dann gehört dieser Alexej heute Nacht mir ganz alleine. Ich konnte mein Glück kaum fassen.

      Ich dachte darüber nach, was wir in den nächsten Stunden anstellen könnten. Da ich den Ort und die genaue Zeit kannte, hatte es keinen Sinn früher zuzuschlagen.

      Ich überlegte, ob ich mit meinem Schüler eine Kleinigkeit trinken sollte. Mir fiel ein, wohin ich mit ihm gehen könnte. Wo er in Sicherheit vor anderen Vampiren war und andere Menschen vor mir nichts zu befürchten hatten.

      »Justin, es ist noch früh, wir gehen einen Trinken bis die Zeit reif ist«, sagte ich und sah ihn an. »Was sagst du dazu?«

      Er blickte unsicher zurück, seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

      »Von mir aus«, meinte er gedehnt. Er hatte schöne Augen.

      »Was ist los, vertraust du mir etwa nicht?« Er gab mir keine Antwort, warf mir nur einen verärgerten Seitenblick zu. Ich grinste vor mich hin.

      Am Stadtrand befindet sich das Vergnügungsviertel und mittendrin gibt es eine Bar mit dem bezeichnenden Namen Desmodus. (Desmodus draculae ist der lateinische Name für eine, bereits ausgestorbene, Riesenvampirfledermaus Art)

      In unseren Kreisen ist sie ein beliebter und bekannter Treffpunkt für Vampire und auch Halbblüter. Oberste Regel in diesem Etablissement: Hier wird Nichts und Niemand gebissen. Aber es gibt erstklassiges Konservenblut zu trinken und auch noch ein paar andere Köstlichkeiten.

      Ich parkte etwas abseits vom Desmodus, da mein Wagen bekannt war und nicht jeder wissen musste, dass ich mich hier amüsierte, vor allem Frank nicht.

      Einen Türsteher gab es nicht, dafür eine verschlossene Tür mit Klingel und Videoüberwachung.

      Gelobt sei das Computerzeitalter.

      »Wer begehrt Einlass?«, dröhnte es über die Gegensprechanlage, als Antwort auf mein doppeltes Klingelzeichen.

      Schnell blickte ich die Straße rauf und runter, auf der Suche nach neugierigen Zuhörern, ehe ich antwortete:

      »Ein Vampir mit Halbblut im Schlepptau.«

      Statt einer Antwort summte es kurz und wir traten ein.

      Im Foyer war es kalt

      »Tascha«, begrüßte mich dröhnend der Herr und Meister über Klingel und Tür. »Lange nicht gesehen, das ist ja schön, dass du uns noch mal besuchst. Wie ich sehe«, meinte er mit einem Blick auf Justin, »züchtest du dir eine neue Dienerschaft heran.«

      »Nein, der gehört Frank. Ich führe ihn nur ein bisschen Gassi.« Ich grinste breit.

      »Ich habe einen Auftrag heute Nacht, aber die Zeit ist noch nicht reif. So habe ich gedacht, wir nehmen einen kleinen Drink. Welche Umgebung könnte passender sein als das Desmodus um ein junges Halbblut in unsere Welt einzuführen.«

      »Da hast du recht, Tascha, na dann immer rein mit euch, viel Vergnügen. Und nicht vergessen: hier wird Nichts und Niemand gebissen!«

      »Schon klar.«

      Wir gingen durch die Doppeltür und befanden uns mit einem Mal in einer anderen Welt. Der Geruch, der uns entgegenschlug war wirklich atemberaubend. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass es Justin auch nicht anders erging. Er war erstaunt, mehr als das, eher schon hypnotisiert und augenblicklich berauscht.

      Für das erste Mal hielt er sich aber erstaunlich gut.

      Diese Geruchsvielfalt war kaum auszuhalten.

      Es roch vorherrschend nach Blut, sehr viel Blut, dann dieser süße, feine Duft der Halbblüter und der staubige, alte Geruch der Vampire.

      Ich war schon oft hier und bin trotzdem jedes Mal wieder aufs Neue berauscht von diesen verschiedenen Gerüchen.

      Der Laden war nicht sehr groß. Es gab nur etwa zehn Tische mit je drei Stühlen, eine kleine Tanzfläche, aber dafür eine schier endlos lange Theke. Hinter der, wie immer, drei Barkeeper ihren Dienst verrichteten.

      Ich ging mit Justin im Schlepptau in Richtung Theke.

      »Was möchtest du trinken?«, fragte ich ihn.

      »W-Was trinkt man denn hier so?«, gab er zögernd zurück

      »Na ja, ich weiß schon was ich trinke, du kannst dir bestellen, was immer du möchtest. Eigentlich gibt es hier alles. Also, was darf es sein?«

      »Eh, … ich hätte gerne ein Bier.«

      Ich wartete an der Theke auf die Bedienung und blickte mich um. Ganz gut gefüllt heute Abend, fast alle Tische waren besetzt. Überall stand Konservenblut herum. Mal wieder mehr Vampire als Halbblute hier.

      Ich sah jede Menge bekannte Gesichter unter den Vampiren. Früher, in meiner aufregenden Halbblutzeit, war ich oft mit Frank hier.

      Es hatte schon was für sich, wenn man von einem der Oberen des Clans beschützt wurde. Auch wenn, laut der Tradition des Desmodus‘, hier Nichts und Niemand gebissen wird, gab es immer den einen oder anderen Blutrünstigen, der sich nicht an die Regeln hielt.

      Die Bedienung kam, eine Vampirin, und fragte nach meinen Wünschen

      »Ein Bier und was Leckeres«, gab ich meine Bestellung auf.

      »Tascha, ich hab dich gar nicht erkannt. Komm lass dich drücken.« Sie umarmte mich ungeschickt über die Theke hinweg und drückte mir rechts und links einen Kuss auf die Wange.

      »Mädchen. Gut siehst du wieder aus. Wie geht es dir?« Es klang so, als interessierte sie das wirklich.

      »Gut, Bea, alles bestens. Und bei dir?«

      »Prima. Und wer ist das? Gehört der etwa zu dir?«, fragte sie mit einer Kopfbewegung in Justins Richtung.

      »Das ist Justin, er gehört zu Frank und ich zeige ihm heute nur ein wenig die Stadt.«

      »Aha. Ich bringe euch dann mal eure Getränke.«

      Es dauerte nicht lange und sie