Nadja Christin

Natascha


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blutiges Licht.

      So auch heute, schmunzelnd, über die Tatsache, dass man sich auf Josh scheinbar immer verlassen konnte, stieg ich die drei ausgetretenen Steinstufen empor und stieß die Tür zu seinem Laden auf.

      Ein zartes Glöckchen ertönte, ein Schock für die Nase erwartete mich hinter der Tür.

      Es roch nach … Nichts.

      Das stimmte nicht ganz, es hing natürlich ein Geruch in der Luft, aber der war so gut wie Nichts wert.

      Es roch nach Staub, trockener Luft und dem pergamentartigen Geruch eines Vampirs.

      Josh stand hinter dem Verkaufstresen, auf seine Ellenbogen gestützt und blickte mir freundlich entgegen.

      Josh gehörte noch nie zum Clan und wird es auch nie. Er und Frank konnten sich nicht leiden, es bestand sogar so etwas wie eine Todfeindschaft zwischen ihnen.

      Gut für mich, so konnte ich mit Josh über Dinge sprechen, die nicht für die Ohren meines Mentors bestimmt waren.

      »Hallo Natascha, schön dich zu sehen.« Josh grinste breit und sah, wie immer, einfach wunderschön aus.

      »Was führt dich in mein Geschäft?«

      Er kam hinter seinem Tresen hervor, trat an mich heran und umarmte mich. Abermals atmete ich diesen eigenartigen Papiergeruch ein.

      Eigentlich müsste ich genauso riechen, wusste jedoch, dass es nicht so war.

      Wie zur Bestätigung hielt Josh mich auf Armeslänge fest und blickte mich an.

      »Du duftest immer noch genau so gut wie früher. Daran hat sich nichts geändert.« Er drückte mich wieder an sich.

      »Das ist sehr schön.«

      Ich hörte ihn seufzen und spürte, wie er tief einatmete.

      Ich kannte Josh noch aus meiner Halbblutzeit, meistens traf ich ihn im Desmodus, ich war aber auch hin und wieder hier bei ihm im Buchladen. Niemals erzählte ich Frank davon.

      Josh war ungefähr im gleichen Alter wie ich. Natürlich im menschlichen Alter, nicht das Alter als Vampir, da dürfte er mir so um die dreihundertachtzig Jahre voraus haben.

      Er wollte mich damals immer von Frank weg locken, erzählte mir die schlimmsten Schandtaten über ihn. Sein Leben als freier Vampir versuchte er mir schmackhaft zu machen. Damals war ich aber noch von Frank abhängig und auch so fasziniert von ihm, dass ich nie auf Josh hörte.

      Jetzt sah die ganze Sache anders aus, derzeitig beneidete ich ihn um sein Leben ohne Regeln.

      Ich befreite mich sanft aus Joshs Umarmung und sah mich in seinem kleinen Geschäft um.

      Ehrfurchtsvoll bestaunte ich jedes Stück in diesem regelrechten Hexenladen. Auch, da ich wusste, wie stolz Josh auf seine Sachen war. Zuerst erschlug einen die Vielfalt der Dinge nahezu, aber man gewöhnte sich daran.

      Eine Wand von Joshs Laden nahm ein überdimensionales Regal ein, vollgestopft mit Büchern. Romane, Geschichten, Gedichte, Reiseführer, Hexenbücher und Bücher über Liebe, Tod und auch Vampire. Teils Neue, aber auch so alte Bücher, dass man meinen könnte, Josh hätte sie selbst aus den vergangenen Jahrhunderten seines Daseins mitgebracht.

      Die Decke hing mit unzähligen Traumfängern und Lampions voll. Überall standen kleine, verzierte Tischchen, aus verschiedenen Zeitepochen. Waffen hingen an den Wänden verstreut. Gewehre, Pistolen, Schwerter und Säbel. Dazwischen, an goldenen Kordeln immer wieder Bilder und kleine Wandteppiche.

      Überall stand, lag und hing etwas. Es war einem schlicht unmöglich, hier etwas Bestimmtes zu finden.

      Wenn man nach was speziellen suchte, war es ratsam, Josh zu fragen, er kannte jeden seiner Gegenstände und auch die dazugehörigen Geschichten.

      Fast schon zärtlich dirigierte Josh mich zu zwei altmodischen und abgewetzten Sesseln.

      »Was kann ich denn für meine Süße tun?«, fragte er mit seidenweicher Stimme.

      Lächelnd betrachtete ich ihn, seine blonden, zerzausten Haare, die blauen Augen, sein feines, glattes Gesicht. Er war eine wirklich hübsche Ausgabe eines Blutsaugers.

      Sein Blick wurde intensiver, das Blau eine Spur dunkler. Verlegen fixierte ich einen Punkt vor mir, auf dem, mit alten Perserteppichen bedeckten, Boden. Ich wusste, dass Josh ein bisschen verliebt war, in mich, ich wusste es, da er es mir irgendwann, in einer schwachen Stunde, gestand.

      Ich erwiderte seine Gefühle nicht, für mich war er nur der beste Freund, den man haben konnte. Das alles machte unser Verhältnis zu einer komplizierten und manchmal peinlichen Sache.

      Sich seiner Wirkung auf mich voll bewusst, setzte er sich mir gegenüber in den Sessel. Völlig entspannt lehnte er sich, mit einem frechen Grinsen auf den Lippen, zurück.

      »Nun sag endlich, was kann ich für dich tun, Natascha?« Wieder diese seidenweiche Stimme, die mich erschauern ließ.

      »Eigentlich nichts Besonderes«, antwortete ich und lächelte schief.

      Joshs selbstgefälliges und wissendes Grinsen machte mich wütend, aber ich beherrschte mich.

      »Du kommst also den weiten Weg hier in meinen bescheidenen Laden, um … was? Nichts zu wollen?« Ein verächtliches Schnauben kam aus seinem Mund.

      »Das mag glauben, wer will«, umständlich stemmte er sich aus dem Sessel, »ich jedenfalls nicht.«

      »Warte Josh«, beeilte ich mich zu erwidern, »ich will schon was von dir. Aber …«, erneut starrte ich betreten zu Boden.

      »Aber?«, fragte er gedehnt.

      Ich sah ihn von unten her an. »Aber es ist nichts Wichtiges. Ich war nur auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht und vielleicht ein paar netten Worten.« Ich seufzte. »Nettere als ich die letzten Stunden gehört habe.«

      Josh hob fragend eine Augenbraue, bis sie fast in seinen blonden Haaren verschwand.

      Leise erzählte ich ihm von den vergangenen Stunden. Meiner verbotenen Jagd und meinem Treffen mit Frank.

      Als ich meine kurze Geschichte beendete, seufzte Josh auf und nahm zart meine schmale Hand in seine.

      »Warum tust du dir das nur an?«, fragte er und zeichnete dabei die feinen Linien auf meinem Handrücken nach.

      »W-Was meinst du?«

      »Na ja, die Jagd ist unsere Leidenschaft, wir sind wie Raubtiere, die werden auch unzufrieden mit der Zeit, wenn man sie nur mit totem Fleisch ernährt.«

      Fragend sah ich Josh in die leuchtend blauen Augen.

      »Du willst jagen, Süße. Das liegt dir im Blut. Du möchtest kein schlechtes Gewissen haben. Tja, und dann noch Frank, dieser verdammte Bastard, der meint alles beherrschen zu können und der Clan, mit seinen mehr als zweifelhaften Aufgaben. Das alles meinte ich. Also, ich frage nochmals: Warum zum Teufel tust du dir das alles an.«

      »Ich … ich … ich weiß es nicht«, erwiderte ich zögernd.

      »Das dachte ich mir schon«, murmelte Josh und lachte kurz.

      »Bist du einen Vertrag mit Frank eingegangen?«, er sah mich lauernd an, »oder hast du einen Pakt mit dem Mistkerl geschlossen?«

      Energisch schüttelte ich mit dem Kopf. »Nein. Nein natürlich nicht. Josh, wofür hältst du mich?«

      »Es war nur ‘ne Frage«, seine Stimme ging in ein entschuldigendes Gemurmel über.

      Ganz plötzlich strafften sich seine Schultern, mit einem Ruck stand er auf, in derselben Sekunde riss er mich aus dem Sessel hoch in seine Arme. Ich war viel zu erschrocken und erstaunt, dass ich zu einer Gegenwehr bereit wäre.

      Seine kalten Arme lagen eng um meinen Körper, dicht an meinem Ohr hauchte er:

      »Natascha, Süße, willst du nicht bei mir bleiben? Wir könnten Gefährten werden. Pfeif doch