Nadja Christin

Natascha


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Kerl umrundete meinen Wagen, kam schnellen Schrittes auf mich zu und sagte mit einer netten leisen Stimme.

      »Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Ralph und Sie müssen Natascha sein.« Dabei streckte er mir seine Hand entgegen.

      »Sie wohnen über mir«, setzte er lächelnd hinzu.

      Ich blickte auf seine Hand und sah sein Blut durch die Adern pulsieren.

      Unwillkürlich leckte ich mir über die Lippen, ergriff dennoch seine Hand und drückte sie flüchtig.

      »Ja, kann sein«, gab ich zurück und schenkte ihm einen verlockenden Augenaufschlag.

      »Ich hoffe, ich bin nicht zu laut und störe Sie und … «

      Ein schneller Blick zu seinem Wagen, der sich als regelrechte Familienkutsche entpuppte. » … ihre Familie nicht. Ich bin leider ein Nachtmensch.«

      Er ließ meine Hand los.

      Schade. Zu gerne hätte ich ihn an mich gerissen und meine Zähne in seinen hübschen Hals versenkt. Für den Bruchteil einer Sekunde erwägte ich dieses Szenario, aber nur um es genauso schnell wieder zu verwerfen.

      »Nein«, meinte er und wurde sichtlich verlegen.

      »Ich lebe alleine … k-keine Familie. Den großen Wagen fahre ich nur, weil er mir … na ja, gefällt.«

      Er wand sich förmlich vor Verlegenheit und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

      »Und, nein, Sie sind nicht laut, ehrlich gesagt höre ich Sie gar nicht. Ich weiß nur das Sie über mir wohnen, von der letzten Versammlung, da … Sie waren zwar nicht da … aber … ich … eh …« Er geriet mit seiner Erklärung ins Trudeln, es war einfach zu köstlich.

      Ich hörte mein helles Lachen von den Wänden und der niedrigen Decke der Tiefgarage abprallen

      »Es ist schon gut«, beruhigte ich ihn, immer noch lachend. »Vielleicht begegnen wir uns ja noch einmal wieder, dann können Sie versuchen den Satz zu vollenden.«

      Vor mich hin kichernd ging ich zu meinem Mustang und öffnete die Tür.

      Ich warf einen letzten Blick zurück.

      Er stand hinter meinem Wagen, die eine Hand in der Hosentasche, die andere schüchtern zu einem letzten Gruß erhoben.

      »Na dann, auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal«, sagte er leise. Ich nickte ihm zu, schwang mich auf den Sitz und startete den Mustang. Der satte, tiefe Sound des 4,7 Liter, V8 Motors verursachte mir, wie immer, eine kurzes Kribbeln und meine Nackenhaare stellten sich auf.

      Ich griff nach meiner Sonnenbrille und setzte sie auf, draußen schien noch kräftig die Sonne.

      Als ich kurz in den Rückspiegel sah, stand der Kerl immer noch hinter meinem Wagen, die Hand zum Gruß erhoben.

      Menschlein, dachte ich bei mir, wenn du jetzt nicht verschwindest, kann ich für nichts mehr garantieren. Dann wird dein Blut fließen, so oder so.

      Ich drehte mich in meinem Sitz nach ihm um, schob meine Sonnenbrille in die Haare, blickte ihn an und hob fragend die Hand.

      Er verstand und erwachte aus seiner Starre.

      »O-oh«, hauchte er und trat endlich beiseite.

      Das Halbblut

      Ich fuhr meinen Roten aus der Parklücke, in Richtung Ausfahrt.

      Endlich raus aus diesem stickigen Loch von Tiefgarage, wo sich der Geruch viel zu lange hielt. Wo er in einer brutalen Konzentration an den Wänden und der Decke wie eine Nebelschwade entlang schwebte.

      Ich machte ein paar lange Atemzüge als ich endlich auf der Straße dahin fuhr, saugte die schöne und noch sehr warme Luft in mich ein.

      Als ich bei Franks Haus ankam waren es noch zehn Minuten bis zur vereinbarten Zeit. Ich war also fast pünktlich. Es stand noch kein anderer Wagen hier.

      Ich parkte auf meinem Stammplatz, vor Franks Haus. Es gab keine unmittelbare Nachbarschaft und somit auch keine neugierigen Nasen, die sich an den Fenstern plattdrückten.

      Langsam stieg ich die Stufen zur Eingangstür empor und klingelte. Frank öffnete mir fast augenblicklich, als hätte er hinter der Tür gelauert. Er begrüßte mich mit einer seidenweichen Stimme, die fast alle Vampire beherrschen.

      »Tascha, wie schön das du da bist, komm bitte herein.«

      Kaum wagte ich einen Schritt in seinen Flur, traf es mich auch schon wie eine Ohrfeige. Dieser alte Geruch, die anderen waren also schon da.

      Erst kurz vor der Tür zum Wohnzimmer bemerkte ich, dass etwas anders war.

      Ein feiner, leichter Duft, der sich nur ganz schwach von dem alten, pergamentartigen Geruch der Vampire abhob. Ich blickte Frank an und sagte grinsend.

      »Oh, du hast Horsd’œuvre für uns?«

      »Nein«, meinte er und seine Stimme wurde hart. »Lass die Finger und Zähne bei dir, Tascha, ich warne dich!«

      Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse.

      Frank stieß die Tür zum Wohnzimmer auf und ließ mich vorgehen.

      Kaum einer beachtete mich, nur Thomas nickte mir kurz zu. Ich platzierte mich neben dem großen, offenen Kamin, den Frank tatsächlich anfeuerte. Die pure Nostalgie, im Hochsommer. Langsam wanderte mein Blick im Raum umher.

      Fast tausend Jahre Vampirdasein saßen hier zusammen.

      In der Mitte des Raumes stand ein kleiner niedriger Tisch und um ihn herum, im Halbkreis aufgestellt, sechs gemütliche Sessel die alle, bis auf einen, besetzt waren, mit Vampiren.

      Ganz rechts saß Michael. Er war dreißig Jahre lang schon ein Vampir, bevor er 1774 offiziell starb. Er war ein evangelischer Geistlicher und Vampirforscher. Er tat viel für unsere Art und lenkte die Blutsäcke von unserer, früher doch sehr deutlichen Spur, ab. Er war damals auch einer der Vampire im hohen Rat, die zu jener Zeit die Clans der Vampire ins Leben riefen.

      Neben ihm saß Richard der erst kurz vor seinem eigentlichen Tod 1812 verwandelt wurde. Auch ein ehemaliger Vampirforscher.

      Dann kam Thomas, von dem ich wusste, das er 1724 in dem Dorf Kisolova in Bosnien die Vampirepidemien anführte, und ein regelrechtes Gemetzel unter den Einwohnern verursachte. Er war ganz nett und nicht so überheblich wie die anderen zwei.

      Neben ihm saß Elisabeth, eine rothaarige Schönheit mit makelloser, weißer Haut, sie unterhielt sich angeregt mit Thomas. Von ihr wusste ich nicht viel, aber sie war mit Sicherheit auch aus dem 18. Jahrhundert.

      Und schließlich Jeanie, das Teufelsweib. Ein echt fieser Blutsauger, dem ich noch nicht einmal im Dunklen begegnen mochte. Sie war die Spionin der Obrigkeit und dachte, keiner wüsste es. Natürlich wusste jeder davon und somit wurde sie gemieden wie die Pest. Wer mochte sich schon für jedes seiner Worte an höherer Stelle rechtfertigen müssen.

      Der Sessel neben ihr war leer und ich bedauerte, dass ich nicht noch früher von zu Hause losgefahren war, dann hätte ich mir einen Platz in dieser Riege der Vampire aussuchen können. Ich hätte mich bestimmt nicht freiwillig neben Spionin Pestbeule gesetzt.

      Franks Sessel stand an der Wand, gegenüber dem Halbkreis, und in dem Sessel neben Frank saß … ein Mensch.

      Ein junger Kerl, von vielleicht fünfundzwanzig, ziemlich schlaksig, mit braunen, zerzausten Haaren und braunen Augen, die unruhig hin und her blickten.

      Frank mutete uns ganz schon was zu. Ich zog die Luft durch die Nase ein

      Nein, dachte ich und verdrehte die Augen zur Decke, er ist ein verdammtes Halbblut.

      Ich sah Frank fragend in die Augen, der mir gerade eines seiner schönen Kristallgläser reichte. Darin bewegte sich sacht eine dunkelrote Flüssigkeit.

      »Danke«, murmelte