Nadja Christin

Natascha


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dich, das wirst du schon sehen«, gab er leise zurück. »Setz’ dich bitte.«

      Ich verzog erneut das Gesicht und nahm Platz neben Spionin Pestbeule. Dabei rückte ich in dem Sessel so weit von ihr weg wie es nur ging. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja eine ansteckende Krankheit. Um mich abzulenken roch ich an dem Glas, das Frank mir gereicht hatte.

      Hm, eine Konserve, dachte ich und stellte das Glas unberührt auf dem kleinen Tisch ab. Mit Sicherheit würde ich jetzt auf mein kleines Blondinchen kein Blut aus der Konserve kippen. So nötig hatte ich es auch wieder nicht.

      Alle anderen Gläser waren bereits geleert und standen auf dem Tisch. Es sah merkwürdig aus, dass mein Glas als Einziges noch voll war. So nahm ich es wieder in die Hand und ließ meinen Finger sachte auf dem Rand des Glases gleiten.

      Dabei blickte ich mir das Halbblut näher an.

      Recht hübsch war er, nette Augen, unauffällig zog ich die Luft aus seiner Richtung ein. Roch herrlich der Junge, geradezu irre köstlich. Ich merkte, wie sich mein Mund zusammenzog und meine Zähne ihr Eigenleben aufnahmen. Erschrocken schloss ich meine Augen und kämpfte gegen die Empfindung an.

      Dieses unheimliche Gefühl, sofort aufzuspringen und dem Jüngling meine Zähne in den Hals zu schlagen, um seinen köstlichen Duft in mich aufzusaugen.

      Als hätte er meine Gedanken erraten räusperte sich Frank umständlich. Ich öffnete meine Augen und sah seinen Blick auf mir ruhen. Ich wich ihm aus und sah zum Kamin, in das Feuer.

      Er räusperte sich erneut und blickte die anderen Vampire, einer nach dem anderen, an. Sein Glas war bereits geleert, dennoch hielt er es in seiner Hand

      »Meine lieben Freunde«, seine Stimme faszinierte mich immer wieder aufs Neue.

      »Uns steht wieder mal eine große Jagd bevor. Einige Individuen haben sich zusammengeschlossen und ein schändliches Verbrechen verübt.«

      Ich ahnte, worauf er anspielte. Es war letzte Woche in allen Zeitungen: Ein mörderisches Blutbad, das ganz harmlos mit einem einfachen Bankraub und ein bisschen Geiselnahme ihren Anfang nahm. Nichts Besonderes eigentlich, aber irgendwann lief alles aus dem Ruder und die Bankräuber töteten ihre Geiseln einer nach dem anderen. In dem ganzen Chaos gelang es tatsächlich allen Tätern zu fliehen. Wie genau die das angestellt haben, war allen ein Rätsel.

      Wie ich mir dachte, erzählte Frank gerade die ganze Story.

      »Es sind derer vier Täter, die wir jetzt endlich ausmachten. Sie hatten sich mit der Beute getrennt, somit war es schwerer für uns, sie zu finden, es hat ein wenig gedauert.«

      Na ja, eine Woche fand ich nicht lange, vor allem da die örtlichen Behörden immer noch vollkommen im Dunklen tappten.

      »Michael wird einen übernehmen und Richard einen. Ich werde euch die nötigen Instruktionen gleich noch schriftlich übergeben.« Beide Angesprochenen nickten leicht mit ihren Köpfen.

      »Tom und Elisabeth, ihr werdet zusammenarbeiten und euch über den dritten Bankräuber hermachen.«

      Beide blickten erst sich gegenseitig und dann Frank erstaunt an. Zusammenarbeit, so etwas war schon lange nicht mehr vorgekommen. Aber sie würden gehorchen, wie wir alle. Franks Wort galt.

      »Tascha«, ich zwinkerte kurz und holte schon mal tief Luft, um zu protestieren, falls Frank vorhatte mich mit Pestbeule Jeanie zusammen arbeiten zulassen.

      »Du nimmst Justin mit.« Er deutete auf das Halbblut, der angespannt in dem Sessel neben ihm saß.

      »Du wirst ihm jede Frage beantworten, erklärst ihm alles«, Frank blickte mir eindringlich in die Augen. »Zeigst ihm alles was er wissen muss, und … du beherrschst dich!« Sein Blick war starr und kalt.

      »Klar, kein Problem«, antwortete ich ihm, »wo hast du die Unterlagen für mich?«

      Plötzlich wollte ich so schnell wie möglich hier raus. Ich wollte die Luft draußen einatmen, hier drinnen war es zu stickig. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Was natürlich irrational war, da wir eigentlich gar nicht atmen müssen, es ist nur noch eine Art Reflex. Vampire können die Luft auch einfach anhalten, aber es ist ein zu seltsames Gefühl.

      Ich stellte mein, immer noch volles Glas, geräuschvoll auf dem Tisch ab, stand auf und schnappte mir den braunen Umschlag, den Frank mir hinhielt.

      Mit einem Blick auf das Halbblut sagte ich zu ihm:

      »Ich warte im Auto auf dich.«

      Dann drehte ich mich um und ging mit schnellen Schritten aus dem Raum.

      Als ich die Haustür hinter mir schloss, musste ich mich dagegen lehnen und kurz durchatmen. Es war immer noch sehr warm draußen, aber alles war besser als diese abgestandene Luft in Franks Wohnzimmer, mit diesem alten, dumpfen Geruch, gepaart mit dem süßen, menschlichen.

      Ich ging zu meinem Auto und wedelte mir mit dem Umschlag ein wenig Luft zu.

      Die Sonne ging bald unter, dann umschlang uns wieder diese dunkle, satte Nacht.

      Ich setzte mich in meinen Wagen und öffnete den Umschlag, um mir anzusehen, wer diese schöne Nacht nicht überlebt.

      Alexej hieß er, 1980 geboren. Und heute wird sein letzter Tag sein, dachte ich fröhlich.

      Es folgten die üblichen Schandtaten von Alexej und eine Beschreibung seiner Person. Es lag noch ein Foto bei und ein kleiner handgeschriebener Zettel, auf dem die Adresse und Uhrzeit stand. Seine Todeszeit: zwei Uhr morgens.

      Schon wieder zwei Uhr, überlegte ich, und hoffte, dass das kein schlechtes Omen sei. Der Kinderschänder von gestern sollte um die gleiche Zeit den Tod finden.

      Außerdem befand sich noch ein kleines Stückchen Stoff in dem Umschlag, meine Geruchsprobe. Ich roch an dem Fetzen, der aussah als stammte es von einer Jeans. Der Geruch, den ich einatmete, ja, in mich einsaugte, war nicht schlecht. Natürlich nicht so gut, wie Blondie von gestern, aber auch nicht schlecht. Leicht harzig, nach Nüssen, Holz und ein bisschen blumig. Aber so, das einem das Wasser im Mund zusammen lief.

      Zum wiederholten Male wunderte ich mich darüber, wie die Oberen des Clan an diese detaillierten Informationen und an die Geruchsprobe kamen. Es gab immer noch einige Informationen, die mir Frank in meiner Halbblutzeit vorenthielt.

      »Wo bleibt denn dieser Justin?«, sagte ich laut, »ich kann ja nicht die ganze Nacht hier vertrödeln.«

      Genau in diesem Augenblick ging die Haustür auf und Frank trat, mit Justin zusammen, hinaus.

      Ich sah, wie Justin mit weit aufgerissenen Augen hektisch auf Frank einredete. Ich lauschte.

      »Ich will nicht mit ihr fahren, Frank. Hast du nicht gesehen, wie sie mich anstarrte da drin, mit ihren hungrigen Augen. Sie hat auch als einzige dieses Blut nicht getrunken, warum?« Seine Stimme überschlug sich fast vor Furcht.

      »Frank, ich werde diese Nacht nicht überleben, wenn du mich mit ihr zusammen in dieses Auto steckst. Ich …«

      »Jetzt hör schon auf«, unterbrach Frank ihn wütend und mit einem schnellen Seitenblick auf meinen Mustang. »Schließlich kann sie dich hören. Sie wird dir schon nichts tun. Ich vertraue ihr … und das solltest du auch. Du kannst viel von ihr lernen. Nun geh’ schon. Tascha wartet und eine Frau sollte man nicht warten lassen«, fügte er schmunzelnd hinzu.

      Ich verdrehte die Augen gen Himmel

      Was für eine Memme dieser Kerl, dachte ich bei mir.

      Laut sagte ich: »Wenn du jetzt nicht bald einsteigst, fahre ich ohne dich. Komm, die Nacht ist noch jung und ich hab’ noch viel vor.« Dabei ließ ich zweimal kurz meine Augenbrauen in die Höhe schnellen und grinste überheblich. Selbst auf die Entfernung sah ich, wie Justin angestrengt schluckte.

      Mit gesenktem Kopf kam er langsam auf mein Auto zu, er war jetzt schon kreidebleich. Als ich kurz zu Frank blickte, sah ich, dass er den Mund verzog und sich mit dem Finger langsam über den Hals fuhr. Ein altbekanntes Zeichen. Ich durfte dem Jungen nichts zu leide tun, sonst