Tabea Thomson

INGRATUS - Das Unerwünschte in uns


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sprachen auf charmante Art sein Anliegen aus. Blickten sie ihm dann in seine warmherzigen braunen Augen, sprangen sie auf der Stelle mit ihm ins Bett.

      Unter den vielen undurchsichtigen Gestalten waren ein, zwei ganz passable schnuckelige Gatten dabei. Aber nein! Nach dem Gebrauch verschmähte er sie. Angeblich stanken sie am anderen Morgen. Weg damit. … Was Neues heran geflirtet. ... Flach gelegt. Abgewickelt … Dass der sich dabei nichts weggeholt hat, grenzt an ein Wunder. Damit sein "Hengst besteigen" berechtigt blieb, faselte er munter weiter: ›Ich will doch nur meinen Gemahlen wieder finden.‹

      Etliche Male erwischte man das zügellose Treiben. Mich wundert es, dass der Raumschiff Eigner ihm deshalb nicht schon längst feuerte. Zumal man es mit diesen Kerlen so machte. –

      Eines Tages tanzte ihm der Duft des schnuckeligen Weibes Jasin Syde vor die Nase und auf einer meiner Geburtstagsfeiern, stellte er sie als seine Gefährtin vor. – … Ein Weib! … Mal abgesehen von ihrem Geschlecht passte sie überhaupt nicht in Amadou's Beuteschema. Seine bisherigen hellhäutigen Kerle standen gut im Futter. Jasin hingegen ist dunkelhäutig und spindeldürr. Ihr großzügiger Busen ist nicht zu übersehen. Was mich noch an dem Weib verwirrt ist ihre gereifte persönliche Duftnote. Jene erinnert mich irgendwie an einen synthetischen ahl pii. –

      Na ja!, … das mit meiner Nase ist so eine Sache. Sie vermag nicht mehr, wie gewöhnliche Menschen Nasen zu riechen. Folglich konnte sie mir etwas vorgaukeln. – Jedenfalls ist Amadou, nach Jasin's Aussage: ›Der treuste Gefährte, den sie sich vorstellen kann ...‹ –«

      Vom Scanner erschallte ein Abschlusssignal, es lenkte ihre meergrünen Augen aufs virtuelle Display. Die angezeigten obskuren Biodaten genügten, dass in ihr ungezügelter Jähzorn emporstieg.

      ›Es liegen keine Organschäden vor‹, verkündete der Scanner.

      Es klang wie Hohn in Melinas Ohren und brachte die Empörung zum Überkochen. Wutentbrannt rauften ihre Hände im Haar. »Nutzloses Ding«, brummte sie verärgert.

      Sie, die sich sonst immer unter Kontrolle hatte, drehte bei diesem stets wiederkehrenden, unwahren Ergebnis fast durch. Die Empörung reagierte sie am virtuellen Display ab, und zu jedem patzig eingetippten Buchstaben klagte sie der Citraa mit ranziger Stimme ihr Leid: »… Fast alles an Bord entsprach mittlerweile bester Qualität von Advenu. Nur die Heiler Gerätschaften der Krankenstationen stammten noch aus der Zeit, wo das Raumschiff zum UPC gehörte.

       ~

      (Der Hass auf diesen erpresserischen "Verein" kam nicht von ungefähr. Die UPC Führungskräfte vereinnahmten nur allzu gern andere Planeten. Selbst die eigene Heimatwelt hatten sie fest in der ausquetschenden Hand. Und nur absolut Systemtreue Vulkan Firmen durften die zur Gemeinschaft gehörenden Raumschiffe mit Heiler-Technik ausstatten.

      Bei allen Untertanen funktionierte die perfekt, bloß sobald sie einen von unseren Freien Shumerer Volk erkannten, verweigerten sie jedweden Einsatz.)

      ~

      Melina fragte sich nun: »Warum lässt der Eigner die Technik der Feinde weiterhin im Einsatz? Zumal es doch hinlänglich bekannt ist, dass deren einprogrammierter Leitsatz lautete: Verunreinigtes Shumerer Blut hat kein Anspruch auf Leben ...« Unvermittelt lachte Melina bitterböse. »... Haben die uns wirklich hier "Weggesperrt"? – Aber was ist; wenn Mal der "Saft" für die Technik wegbleibt. Soviel ich weiß, haben wir hier nicht mal einen echten Chirurgen an Bord. Wobei ich damit sagen will, der es noch versteht mit Skalpell, Nadel und Faden umzugehen. Ich könnte zwar mittels Schnitt eine Kindsfrucht ins Leben verhelfen, aber das wars …! Wegen der Probleme muss ich dringend mit dem Eigner sprechen. Schließlich brauchen wir zur Instandsetzung von humanoiden Leben neben einer exakt arbeitenden Technik noch eine handwerklich begabte Heilercrew. Wenn er dann nichts dagegen unternimmt, haben wir einen berechtigten Grund anzunehmen, dass er, doch einer von der UPC ist. Und alles nicht Funktionierende ist gewollt. Das wiederum erklärt, warum die Crew nicht vom Raumschiff herunterkam. Somit stimmt Amadou's Behauptung. Doch bevor wir das nicht beweisen können, gehen wir davon aus, dass die neue Technik und das Personal bloß wegen der hohen Kosten noch nicht angeschafft wurde. Folglich muss es weiterhin ohne Technik gehen. Vorsichtshalber werde ich mich mal näher mit dem Wissen eines Skalpell-Künstlers auseinandersetzen.« Beim letzten Satz schaute Melina nachdenklich auf die falschen Scandaten. »Es muss da aber etwas in Adrian sein, das diese Kolik-Anfälle verursacht. Nur was?«

      Während sie angestrengt nachdachte, öffnete sie seine virtuelle Krankenakte. In den Aufzeichnungen fiel ihr etwas auf: »Die Koliken kommen fast ausschließlich im vier Stunden Rhythmus. Gelegentlich ist mal ein Ausrutscher von neun Stunden dabei. Wenn ich recht habe, bricht die nächste Kolik in knapp drei Stunden über Adrian herein.« Die Augen beschäftigten sich bereits mit den virtuellen Laborwerten. Diese sagten ihr klipp und klar, dass ihr Bruder ein kerngesunder und kräftiger Gatte ist. Er dürfte diese Krämpfe eigentlich nicht haben. »Da muss aber etwas sein«, jedes Wort begleitete ein unverständliches Kopfschütteln. Frustriert sprach sie zu sich: »Ich tappe völlig im Dunkeln. Nicht mal ansatzweise vermag ich zu sagen, um was für eine Erkrankung es sich handeln könnte. Zu meiner Schande muss ich mir eingestehen, dass ich vor einem Mysterium stehe.«

      Die Hilflosigkeit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie an Adrians Biobett herantrat. Mit entsetzen stellte Melina fest: »Sein Gesicht ist noch vom Krampf gezeichnet.« Sie streichelte Adrian mitfühlend übers Haar. »... Ich finde den Grund ...«, so wie sie das sprach, überwältigten sie urplötzlich starke Schmerzen. Melina wusste auch ohne einen Scan, diese entsprangen Adrians Erinnerungen und das aktive Sicherheitssystem verstärkt die Empfindung noch um ein Vielfaches. Und weil sie unmittelbar neben ihm stand, wurde es eins zu eins – durch das geschwisterliche Band – mental übermittelt. Sie wurde völlig unvorbereitet damit konfrontiert. Die mental aufschlagenden Gefühle waren so stark, dass sie nicht imstande war, diese abzublocken. Sie raubten ihr, von einem Lidschlag zum anderen, dass Jugendliche aus den sehr feinen Gesichtszügen und ihre robust gebaute Statur nahm eine ausgemergelte sowie gekrümmte Haltung einer Uralten an. Mit dieser abgelaufenen Erscheinung kauft ihr niemand ab, dass sie erst vor Kurzem ihren dreißigsten Geburtstag beging.

      Schwer keuchend gab sie sich mit jedem weiteren Atemzug der imaginären Qual hin. Plötzlich spürte sie die mentale Anwesenheit ihres Ehegatten Erimo. Ihr Gatte schwelgte in Gedanken bei der letzten, sehr ausgelassenen Geburtstagsfeier von Amadou sowie von ihr. Erimo's Erinnerungen rissen Melina aus der Schmerzillusion. Desorientiert schaute sie sich in der Belegzelle um, als Adrian ins Blickfeld geriet, murmelte sie mit verzweifelter Stimme: »Du Mysterium, womit kann ich dir nur helfen.«

      Um die Umstände seiner Erkrankung besser eingrenzen zu können, schrieb sie das dafür wichtige auf die vom PAD erzeugten holografischen Papierblätter, danach begann sie endlich, alles logisch zu analysieren. Im Endeffekt kam sie zu dem Ergebnis: »Die Koliken treten stets wie Anfälle auf. Sie verlaufen alle bis ins Detail gleich ...« Sie fuhr sich rau übers Gesicht, und die Lippen fluchten es ungehalten: »Verdammt und ich kenne immer noch nicht den Auslöser.« So sehr sie sich auch anstrengte ihr viel nicht ein, was einen brauchbaren Ansatz lieferte. Rein zufällig streifte ihr Blick die Uhr vom Bio-Daten-Display. Sie zeigte ihr, dass es noch eine Viertelstunde dauert, bis Adrian wieder gesund aus dem Beta-Phi erwacht. Im Blick abwenden sprach sie kampfentschlossen: »Da ist eine Ursache und die finde ich heraus.« Hierzu überprüfte sie am Bio-Daten-Display nochmals seine Laborwerte. Sie fand nichts Auffälliges.

      Für einen flüchtigen Augenblick lauschte Melina den ruhigen Herzschlägen vom Bruder. Das Badomm … Badomm … Badomm … schickte ihr Bewusstsein weit in die Vergangenheit. Bei Adrians Studienzeit strandete sie: »… An welcher Universität war sie? … Hmm …!? War es auf der Erde in Saint Andrews bei den Sternen Kindern oder bei unseren Eltern im schottischen Perth, aber ebenso gut konnte es an einer Tempel Universität auf Advenu gewesen sein. … Hmm?«

      Das Unvermögen, es genau zu benennen, ließ Melina betrübt Luft holen. Sie kannte diese unüberwindbaren Gedächtnislücken nur zu gut. Auch die dazugehörigen niederschmetternden Gefühle waren ihr sehr vertraut. Aber anstatt, wie sonst in trübselige Gemütsverfassung abzusacken, durchfuhren ihr diesmal blitzartige