Sebastian Liebowitz

Bubenträume


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seine Hand mit der Wurst zur Seite fallen und „Schnapp“, war die Wurst verschwunden.

      „Hiihihi“, kicherte Papa und klatschte in die Hände wie ein kleines Kind, „so ein schlaues Hundi. Jaaa, das schmeckt dir, das feine Wursti, was? Gutes Hundi, schlaues Hundi.“

      „Jaja, stopf ihn nur recht mit unseren teuren Würsten voll“, schimpfte Mama, „dabei hat Gerti ausdrücklich gesagt, dass er nur Hundefutter zu fressen bekommen soll, weil er sonst zu dick wird und Probleme mit den Gelenken bekommt. Wenn die merkt, dass du ihm Würste zu fressen gegeben hast, möchte ich nicht in deiner Haut stecken.“

      „Ja, aber wenn der Schuschu Würste nun mal so gernhat?“, sagte Papa und tätschelte Schuschu den Kopf. „Gelt, Schuschu, gaaanz gern hat du Würste, gaaanz gern. Ein Feinschmecker ist er halt, der Schuschu.“

      Und schon ging das Ganze wieder von vorne los.

      „Hmmm, guttigutti-feinifeini. Guuuttigutti-feiiinifeini Wursti, hihihi.“

      Mama schüttelte erneut ihren Kopf.

      „Du wirst schon sehen, was du von deinem ‚Guttigutti-feinifeini’ hast“, prophezeite sie. „Der Kläffer ist doch nie im Leben stubenrein. Wenn er dir die Bude vollscheisst, findest du es sicher nicht mehr ‚Guttigutti-feinifeini’, du alter Dummkopf.“

      Papa warf Mama einen beleidigten Blick zu und auch Schuschu schielte vorwurfsvoll unter dem Tisch hervor.

      Und tatsächlich sollte sich Mama für einmal gewaltig irren.

      Der gute Schuschu war nämlich sehr wohl stubenrein.

      Und genau das war das Problem.

      Ich schreckte aus meinem Schlaf auf. Was hatte mich bloss geweckt?

      „Wuff wuff wuff“.

      „Oh nein“, rief ich und zog mir die Decke über den Kopf.

      „Wuff wuff wuff“, tönte es weiter auf dem Gang.

      Ich blinzelte verschlafen zum Wecker. Die grünlich leuchtenden Zeiger waren kaum mehr zu sehen. Zehn vor vier? Verflucht. Das Viech war wohl nachtaktiv. Davon hatte Tante Gerti natürlich nichts erzählt, als sie ihren Köter in den höchsten Tönen lobte. Ganz ein braver sei er, der Schuschu, hatte sie versprochen, und folge aufs Wort. Und es sei ja nur für ein paar Tage, bis sie aus der Kur zurück sei. Von „die Töle kläfft euch morgens um vier aus den Federn“ war komischerweise keine Rede.

      „Papa“, rief ich, „der Hund bellt.“

      Keine Antwort.

      „Papa!“, rief ich erneut und strampelte zornig mit den Füssen, „der Hund bellt, verdammt nochmal.“

      Ich horchte angestrengt. Immer noch nichts. Fluchend schlug ich die Bettdecke zurück, kraxelte aus dem Bett und machte Licht. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, sprang Schuschu an mir hoch. Mir blieb mein Fluch im Hals stecken. Wenn die Töle meinte, dass ich mich einlullen lies, hatte sie sich geschnitten. Ich war nicht so leicht zu kriegen, wie Papa.

      Naja, ich konnte ihn ja einmal hinter den Ohren kraulen. Nur, damit er Ruhe gab, natürlich. So, das musste reichen.

      Was denn, immer noch nicht genug?

      Naja, ich konnte ihm ja noch das Köpfchen tätscheln, wie ich es bei Papa gesehen hatte. Aha, das gefiel ihm wohl, so, wie er japste. Gut, ein bisschen hinter den Ohren kraulen konnte ja nicht schaden. Wie gesagt, nur, damit er Ruhe gab. Der arme Kerl konnte ja schliesslich auch nichts dafür. Eigentlich war er ja gar nicht so übel, der Schuschu. Trotzdem bemühte ich mich, ihn streng anzusehen.

      „Du musst still sein, Schuschu“, erklärte ich ernst, „es gibt nämlich Leute, die schlafen wollen, weisst du?“

      Schuschu sah mich mit seinen grossen Augen an, bellte einmal und legte mit dem Schwanz ein Trommelsolo auf den Teppich. Gut, was hätte er auch sonst tun sollen? Schliesslich war er immer noch ein Hund. Und ich, so erkannte ich auf einmal, war also auch einer von denen, die mit Tieren reden, als ob sie alles verstehen würden. Der Apfel fiel wahrlich nicht weit vom Stamm.

      Trotzdem, irgendwie musste ich jetzt dafür sorgen, dass der Hund ruhig blieb. Unsere Nachbarn hatten sich schon oft genug bei der Hausverwaltung über uns beschwert.

      Ich legte meinen Zeigefinger an die Lippen und machte „Pst“.

      „Wuff“, machte Schuschu.

      „Pssst“, machte ich nochmals.

      „Wuff, wuff“, machte Schuschu und hechelte freudig. Von ihm aus konnte dieses tolle Spiel noch eine Weile weitergehen. Ich seufzte.

      Schuschu legte den Kopf schief und schaute verwirrt zu mir hoch. Aber wenigstens bellte er nicht. Vielleicht hätte ich vorher schon seufzen sollen.

      Mit Schuschu im Schlepptau ging ich den Gang hinunter und klopfte leise an die Schlafzimmertür meiner Eltern. Als keine Antwort kam, drückte ich langsam die Türklinke hinunter und öffnete ich die Tür einen Spalt. Nur mit Mühe konnte ich Schuschu daran hindern, an meinen Beinen vorbei ins Zimmer zu stürmen und sich freudig hechelnd auf seinen Wurstgönner zu stürzen. Der hatte sich nämlich noch ein paar Absacker genehmigt und schnarchte, dass das Türblatt vibrierte.

      „Papa“, rief ich leise.

      „Rrrrrzibüüü“, tönte es zurück.

      Ich fluchte leise vor mich hin. So war das also. Den ganzen Tag über vergnügte man sich mit dem Viech, und wenn die Pflicht rief, legte man sich aufs Ohr und liess Junior machen. Schändliche Verwünschungen ausstossend und mit einem hechelnden Schuschu im Gefolge stapfte ich zur Garderobe. schlüpfte in meine Turnschuhe und zog mir meine Jacke über. Ein Vorgang, der von Schuschu mit lautem Kläffen begleitet wurde. Und als ich die Hundeleine vom Haken nahm, war der Kläffer kaum mehr zu bremsen. Wie ein Derwisch fegte er um meine Beine herum und kaum war die Tür zum Treppenhaus offen, konnte man nur noch einen Hundeschwanz sehen, der durch den Türspalt nach draussen verschwand. Seufzend zog ich den Reissverschluss meiner Jacke hoch und eilte Schuschu nach, der schon unten an der Haustür bellte.

      Am Mittag kam ich gleich zur Sache. Ich marschierte in die Küche, fixierte Papa mit einem vorwurfvollen Blick und haute den Kläffer genüsslich in die Pfanne.

      „Papa, Schuschu hat heute Morgen herumgebellt, weil er raus musste. Um vier Uhr hat er mich schon geweckt. Wenn ich nicht mir ihm rausgegangen wäre, hätte er noch das ganze Haus wachgebellt.“

      Ich warf Schuschu einen triumphierenden Blick zu, während es am Tisch still wurde und Papa diese Information verdaute. Sicher würde er sich herausreden, vielleicht sogar seinen „komisch, ich hab gar nichts gehört“ Klassiker zum Besten geben. Diesmal aber war ich vorbereitet. Schliesslich hatte ich Zeit genug dazu gehabt, während Schuschu seine Erkundungstour in der Nachbarschaft unternahm. In den frühen Morgenstunden schien mein Hirn scheinbar am besten zu funktionieren. Vielleicht hatte es ja auch am eiskalten Regen gelegen, der mir beim Warten ins Gesicht gepeitscht war. Nur gut, dass ich gleichzeitig vor Wut gekocht hatte, das wärmte immer noch am besten. Vor meinem inneren Auge hatte ich alle möglichen und unmöglichen Varianten durchgespielt. Abstreiten, verharmlosen oder sogar ins Lächerliche ziehen, auf alles würde ich eine Antwort parat haben.

      Nur auf eines nicht.

      „Ja, hat er gebellt, der Schuschu“, strahlte Papa und kraulte den Pudel hinter den Ohren. „Jaa, ganz ein feines Hundi, so ein gutes Hundi. Wieso hat er denn gebellt, der Schuschu, na? Hat er mich etwa vermisst, der Schuschu, hihiii. Dafür kriegt er jetzt aber etwas von der feinen Wurst, der Schuschu. Hmmm, lecker Wursti, guttigutti-feinifeini Wursti.“

      Schuschu schmatzte genüsslich und warf mir dabei einen triumphierenden Blick zu. Der kleine Kläffer wusste wohl genau, dass diese Runde an ihn gegangen war.

      Soso, so war das also. Die Töle warf mir also schon frech den Fehdehandschuh zu. Nun gut, sie würde schon sehen, was sie davon hatte. Schliesslich war ich immer noch Papas Fleisch und Blut. Ausserdem kannte ich Papa schon mein ganzes Leben lang,