Kirsten Klein

Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer


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der Kater: "Von dir hätte ich nun wirklich erwartet, dass du mich richtig verstehst! Nicht, dass ich etwas gegen solche Seminare hätte, aber was nützen sie mir, wenn ich vorher verhungert bin?"

      Typisch Captain Nemo, geht es Mistie dabei unweigerlich durch den Kopf. Der denkt wieder mal in erster Linie an seinen Magen. Stattdessen sollten sie überlegen, wie sie Sammy dazu veranlassen, nach Hause zu fahren. Dort muss nämlich niemand Geringeres gerettet werden als seine Lebensgefährtin Sophia – und zwar vor den mehr als zweifelhaften Therapieversuchen des Psychotherapeuten Cornelius Sauberkraut. So wie der Marder seine Hundefreundin Lady kennt, hält die ihn zwar tapfer in Schach. Doch wer weiß, wie lange ihr das noch gelingt?

      Wenn Mistie wüsste! Lady befindet sich in einer praktisch aussichtslosen Lage. Von wegen Sauberkraut in Schach halten! Angebunden neben dem weißen Nappaledersessel im Salon, kann sie nicht mal beobachten, was am Pool vor sich geht, nur immer wieder an der Kette zerren und aus Leibeskräften bellen. Doch hinter schallisolierten Fenstern ist das vergebliche Liebesmüh.

      Lady kläfft trotzdem weiter, aus Wut – auf diesen verdammten Psychotherapeuten und nicht zuletzt auch ein bisschen auf Sophia. Denn die hat sie schließlich hier eingesperrt, wegen Sauberkrauts Tierphobie. Na warte, schwört ihm die Hündin. Wenn ich hier raus bin, hast du allen Grund für eine Chihuahua-Phobie!

      Wütend beißt sie auf die Metallkette. Dünn ist die ja, aber nichtsdestotrotz widerstandsfähig. Zu blöd – sonst benutzt Sophia doch immer Lederleinen.

      Ladys Zähne kapitulieren. Nein, so geht es nicht. Ihre Wut steigert sich zu unbändigem Zorn. Zwecklos – bei jedem Sprung nach vorn schmiegt sich das feine Leder des Geschirrs eng an ihre Brust und bremst sie aus. Wenn Mistie da wäre, könnte er es durchbeißen – so wie die Schnur, mit der Sauberkraut hier letztes Jahr gefesselt war. Nachdem er den Schock überwunden hatte, von einem Marder befreit worden zu sein, alarmierte er die Polizei. Die hätte es ohne die tatkräftige Unterstützung der Tiere allerdings nicht geschafft, Sophia aus der Gewalt ihres Ex-Mannes Anton zu befreien. Der wollte sich an ihr dafür rächen, dass er sie im Sommer zuvor während einer gemeinsamen Kreuzfahrt nicht im Meer ertränken konnte und obendrein auch noch gefasst wurde. Also war er aus dem Gefängnis ausgebrochen und hatte mit zwei weiteren Ganoven Sophias Villa überfallen.

      Seit seiner Festnahme, sitzt Anton wieder hinter Gittern. Doch Sophia leidet immer noch unter seinem Mordversuch an ihr. Sie fürchtet sich vor Wasser, weil sie beinahe darin ertrunken wäre. Aber was fast noch schlimmer ist – sie hofft weiterhin, dass Cornelius Sauberkraut sie davon heilen kann.

      Lady will rückwärts aus dem Geschirr schlüpfen, aber Sophia hat es enger geschnallt. So eine Zwangsjacke! Die Hündin schüttelt sich. Intuitiv richtet sie ihren Blick auf die Schlaufe der Leine, die um eines der Holzbeine des Sessels geschlungen ist. Prüfend schnuppert Lady daran und beißt hinein. Bingo – sie ist aus Synthetik und kapituliert nach wenigen Minuten.

      Lady muss nun zwar die Kette hinter sich herschleifen, ist aber frei. Jetzt nichts wie durch die Marderklappe hinaus und ab zum Pool!

      Unweit vom Rand, kniet Sauberkraut in einer für ihn mindestens zwei Nummern zu kleinen Badehose auf einer riesigen Luftmatratze. Vor ihm liegt seine Patientin auf dem Bauch und schlottert an sämtlichen Gliedern, trotz der heute durch keinerlei Wolken blockierten Frühlingssonne.

      Andächtig träufelt Sauberkraut mit einem Badeschwamm Wasser auf ihren Rücken und wispert: "Fühl' nur, wie angenehm das Wasser deine Haut liebkost, Sophia. Es kann dir überhaupt nichts geschehen."

      "Aber dir", knurrt Lady, deren feines Gehör sein Gesäusel schon von weitem vernimmt. Sie galoppiert über den kurzgeschorenen Rasen, zwischen diversen Ziersträuchern hindurch, und schlägt unfreiwillig einen Salto rückwärts. Nach dem ersten Schreck, rappelt sich die Kleine verdutzt auf. Was war das denn?

      Erst, als sie weiterlaufen will, bemerkt sie, dass die Kette sich im Gezweig einer Hortensie verfangen hat. Kein Problem für Lady, sich freizunagen, aber das kostet Zeit. Zeit, in der Sauberkraut an ihrer Sophia herumfummelt. Mit gesteigerter Wut – falls das überhaupt noch möglich ist –, rast die Hündin weiter.

      Längst liebkost nicht mehr nur das Wasser aus dem Schwamm Sophias Haut. Sauberkraut verteilt es auf ihrem Rücken und lässt wie beiläufig seine Hand unter das Oberteil ihres glutroten Bikinis gleiten, während ihm die Badehose noch enger wird.

      In ihrer Angststarre realisiert Sophia das erst, als seine Stimme erregt klingt. Sie richtet sich auf und blickt irritiert in sein vor Verlegenheit gerötetes Gesicht. "Ich glaube, für heute reicht's. Sammy müsste auch bald kommen, wegen seiner Sprechstunde."

      Der Psychotherapeut fährt sich durch sein schütteres Haar. "Aber Sophia, so kommen wir nie voran. Ich bin sicher, du würdest das Wasser noch länger ertragen."

      Das Wasser vielleicht schon, aber deine Hand nicht, denkt die Blondine unweigerlich. Bei dieser Erkenntnis geht ein Strahlen über ihr Antlitz. Also wenn das kein Fortschritt ist...

      Sauberkrauts Gesicht glüht fast so rot wie Sophias Bikini. Stolz auf seinen vermeintlichen Therapieerfolg, umarmt er sie überschwänglich und bringt dadurch die Luftmatratze heftig zum Schwanken.

      Noch bevor Sophia überhaupt versuchen kann, sich zu wehren, schreckt er allerdings schreiend zurück und stiert auf seinen rechten Zeigefinger. Daraus tropft Blut auf sein Knie.

      Lady kommt hinter Sophias Rücken hervor, platziert sich mit klatschnassem Fell besitzergreifend auf deren Schoß und präsentiert dem Therapeuten ihre nadelspitzen Zähnchen.

      "Lady?", haucht die junge Frau. "Wo kommst du denn her?" "Von dort, wo du mich angebunden hast", kläfft die Hündin. "Schon vergessen?" Knurrend fixiert sie Sauberkraut, der einen unfreiwilligen Salto rückwärts von der Luftmatratze geschlagen hat und nun auf der Stelle im Wasser herumpaddelt. "Dieser Kerl kann dir nicht helfen, der bringt dich bloß noch mehr durcheinander!"

      "So... So... Sophia", stammelt der Psychotherapeut atemlos. "So geht das nicht. Die hat mich gebissen, diese Bestie..." "Ja, so geht das wirklich nicht", stimmt Lady ihm ausnahmsweise zu. Bevor Sophia es verhindern kann, springt sie ins Wasser und jagt ihn durchs Becken. Dass die Kette immer noch an ihr dranhängt, stachelt sie nur noch mehr an. Ohne die hätte sie den Kerl längst erreicht und ein für allemal klar Schiff gemacht!

      "Ich und Elias, wir haben ein Schiff gekapert – eine goldene Kogge, auf einem der höchsten Dächer", berichtet Elsie stolz, nachdem sie in den Hammerhai geflogen ist und sich auf einer Stuhllehne niedergelassen hat. "Aber wie das so ist – wer viel hat, der kann auch viel verlieren."

      Mistie gesteht sich nur ungern ein, wie beeindruckt er von dermaßen viel Lebensweisheit einer so jungen Elster ist. Liegt es womöglich daran, dass sie in menschlicher Obhut aufgewachsen ist? Dann könnte er eigentlich auch stolz sein. Schließlich waren es seine Menschen, die Elsie letztes Frühjahr adoptierten. Und obwohl sie einem manchmal gewaltig auf die Nerven geht, ist es vorteilhaft, einen Vogel zu kennen.

      "Elsie, du könntest doch zur Villa fliegen und nachschauen, ob Sauberkraut die Finger von Sophia lässt", schlägt er vor. "Hm...", überlegt die Elster. "Dann muss aber in der Zwischenzeit jemand Elias helfen, unsere goldene Kogge zu verteidigen."

      Klar, denkt der Marder. Da sind viele andere Vögel scharf drauf, besonders jetzt, im Frühling. Er überlegt fieberhaft, wer dieser "Jemand" sein könnte.

      Gelächter, das vom Stammtisch herüberschallt, lässt ihn aufhorchen. Durch drollige Kunststückchen hat Captain Nemo von zukünftigen Tiernotrettern Leckerlis ergattert.

      Muss es denn unbedingt ein Vogel sein, der die goldene Kogge auf dem Dach verteidigt?, fragt sich Mistie. Wäre ein Kater nicht viel besser dazu geeignet, unliebsames Geflügel zu vertreiben? Sofern er sich nicht vorher den Wanst vollhaut und in süße Träume versinkt!

      Mit zwei Sätzen ist Mistie am Tisch bei Captain Nemo und zupft ihn am Kragen. "Los komm, du wirst anderweitig gebraucht. Ich weiß, wo es ganz frisches Fleisch gibt – fangfrisch!"

      Die Leute lachen noch lauter. "Hier, du kriegst auch was", verspricht ein junger Mann und hält Mistie ein Stückchen