Kirsten Klein

Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer


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aller Notwendigkeit, anderes zu erledigen – da kann der Marder natürlich nicht widerstehen. Die Elster äugt neugierig herüber und hüpft auf die um den Tisch Versammelten zu, flattert aber gleich wieder zurück, als man sie beachtet.

      "Typisch Elsie, frech und vorsichtig zugleich", bemerkt Sammy. "Ihr scheint es in der Großstadt zu gefallen. Jedenfalls lässt sie sich kaum noch bei uns blicken. Das hat Sophia auch schon ge..." Abrupt bricht er ab, wirft einen Blick auf seine Armbanduhr, deren Zeiger auf kurz vor sechzehn Uhr stehen, und schlägt sich gegen die Stirn. "Himmel, meine Sprechstunde! Ich hab völlig die Zeit vergessen, muss sofort Sophia anrufen und fragen, ob schon Patienten da sind."

      Mistie und Captain Nemo haben denselben Gedanken: Na endlich! Gespannt lauschen sie, hören aber nur den Wählton, was sie nicht gerade beruhigt. Sophia kann offenbar nicht rangehen. Seufzend steht Sammy auf und blickt in die Runde. "Tut mir leid, aber ich muss los." "Wir informieren dich, wenn's Neuigkeiten gibt", verspricht Charles.

      "Na, wie hab ich das gemacht? Was krieg' ich dafür?", krächzt Elsie, fliegt voraus und lässt sich auf dem Dach von Sammys schwarz-weißem Fiat Panda nieder, der am Straßenrand parkt. Mistie und Captain Nemo folgen ihr und fragen wie aus einer Schnauze: "Wieso du?" Elsie plustert sich auf. "Na, durch mich ist ihm schließlich eingefallen, dass er nach Hause muss."

      Marder und Kater sehen sich an. Diese Logik erscheint ihnen ein bisschen sehr an den Haaren, beziehungsweise Federn, herbeigezogen.

      Doch bevor Elsie Lohn einklagen kann, erreicht Sammy sein Auto, steigt nach Mistie ein und startet den Motor. Hinter ihnen wartet bereits ein orangenes VW Käfer-Cabrio blinkend auf die Lücke. Das Lenkrad einschlagend, schaut Sammy in den Rückspiegel – und stutzt. "Was ist?", fiept Mistie vom Beifahrersitz herüber, findet aber kein Gehör. Stattdessen dreht Sammy den Zündschlüssel wieder ab, steigt aus und sieht sich einer attraktiven Brünetten gegenüber.

      Zum Entsetzen der Tiere, fallen sich die beiden lachend in die Arme. "Anja, was machst du denn hier?", bringt Sammy endlich heraus. "Das wollte ich dich gerade fragen", erwidert die junge Frau und kneift ihn freundschaftlich in die Seite. "Sag bloß, du hast bei dieser Tiernotrettungsgeschichte die Finger im Spiel."

      Sammy streicht sich eine seiner dunklen Locken aus dem überraschten Gesicht. "Na klar, du weißt doch, dass ich bei allen interessanten Unternehmungen mitmische." "Stimmt", pflichtet Anja ihm bei. "Das war schon während unserer Studentenzeit so."

      Sammy lächelt gedankenverloren, offenbar in Erinnerungen schwelgend. Doch plötzlich schreit er auf, gekniffen von spitzen Zähnchen, und schaut verdutzt den Marder an. "Was fällt dir ein?" "Das frage ich dich", fiept Mistie. "Wann fahren wir endlich?"

      "Denk an Sophia und an deine Sprechstunde!", mahnt Captain Nemo und richtet sich pfötelnd an Sammys Hosenbeinen auf. Auch Elsie wird ungeduldig, hüpft zeternd auf dem Autodach herum. "Ich muss jetzt wissen, ob ich zum Pool fliegen soll oder nicht! Selbstverständlich nur, wenn der Captain solange als Dachschiffskater einspringt und Elias hilft, unsere goldene Kogge zu verteidigen! Und zwar schnell, ich kann meinen armen Mann nicht mehr lange warten lassen!"

      Die Brünette bricht in schallendes Gelächter aus. "Kannst du mir das übersetzen, Doktor Dolittle?" Sammy grinst. "Klar. Sie wollen, dass du bei uns einsteigst."

      Mistie wendet sich an Captain Nemo. "Zu uns, ins Auto? Von wegen! Was, wenn Sophia ihn mit der sieht..." "Vor allem, wenn sie sieht, wie er mit ihr umgeht", fügt der Kater hinzu.

      Doch zu beider Entsetzen nickt Anja. "Dafür bin ich extra aus Berlin angereist. Ich eröffne in Hamburg eine Kleintierpraxis und mach' mit bei eurer Tiernotrettung."

      "Lady!", ruft Sophia aus Leibeskräften. Bäuchlings auf der Luftmatratze liegend, paddelt sie mit beiden Händen der Hündin nach, während ihr der Schweiß aus allen Poren bricht. "Hierher Lady – Lady!"

      Sie ist schon ganz heiser, als ihr klar wird, dass sie ihre Strategie ändern muss. "Cornelius, schwimm' zu mir, dann kommt sie auch, und ich kann sie erwischen!"

      Der Psychotherapeut hält Kurs auf den Beckenrand, ist aber noch weit davon entfernt. Atemlos vor Angst und Anstrengung, bringt er kein Wort heraus, befolgt jedoch die Anweisung seiner Patientin. Deren Rechnung scheint aufzugehen, denn Lady bleibt ihm dicht auf den Fersen. Mehrmals verfehlt sie knapp eine seiner Zehen, schluckt Wasser und niest. So ein Mist! Die Kette an ihrem Geschirr ist schuld! Ohne die hätte sie den Kerl längst erwischt. Der soll bloß versuchen, wieder zu Sophia auf die Luma zu kommen!

      Apropos Sophia – von der wird sie sich auch nicht austricksen lassen. Trotz des lästigen Anhängsels, gelingt es der Hündin, ihren Zugriffen auszuweichen. Eifrig jagt sie Sauberkraut um die Luma herum und kneift ihn in seine Rettungsringe, die über der Badehose hervorquellen.

      Nachdem er sich endlich mit ersterbender Kraft wie ein Walross auf die Luftmatratze gehievt hat, fällt er heulend und hilfeheischend in Sophias Arme. Tröstend wiegt und streichelt sie ihn, während ihre freie Hand den Hund von ihm abhält.

      Dermaßen miteinander beschäftigt, entgeht den Dreien völlig, wie ein lauer Frühlingswind die Luma zum Beckenrand treibt. Erst Sammys Stimme lässt Sophia aufhorchen und in sein angewidertes Gesicht blicken. "Schatz", beginnt sie zögernd. "Es ist alles ganz anders, als du denkst."

      "Überlass' gefälligst mir, was ich denke", entgegnet der Tierarzt barsch und wendet sich ab. "Hilf mir raus!", stößt Sophia panisch hervor und fügt ein leises "Bitte" hinzu.

      Sammy hebt die nunmehr lammfromme Hündin hoch, befreit sie von ihrem Anhängsel und setzt sie zu Mistie auf den Rasen. Anschließend reicht er Sophia innerlich widerstrebend eine Hand, zieht und übersieht, dass ihr linker Fuß in Sauberkrauts Armbeuge hängt. "Nicht so schnell!", schreit sie, aber es ist schon zu spät.

      Nachdem Sammy sie mit einem Ruck an Land gezogen hat, reibt sich Sophia mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Fuß. Ohne sich auch nur einmal umzuschauen, geht Sammy zur Praxis.

      "Der ist ja stinksauer", winselt Lady, worauf Mistie meint: "Wenn er die andere mitgebracht hätte, wäre sie es wahrscheinlich auch." Lady horcht auf. "Welche andere?" "Die, mit der er studiert hat", erklärt Mistie. "Eine Kommilitonin?", fragt die Hündin. Der Marder ist wieder mal tief beeindruckt von ihrem Wortschatz. "Ja, so hat er sie den anderen im Hammerhai vorgestellt." "Das fehlte noch", seufzt Lady, leckt Sophias schmerzenden Fuß und versucht gleichzeitig, Sauberkraut anzukläffen.

      Der hat inzwischen auch wieder festen Boden unter den Füßen und schleicht sich davon, am ganzen Körper glänzend von Wasser und Schweiß.

      "Komm gut nach Hause, Cornelius!", ruft Sophia und hält Lady am Geschirr fest, damit sie ihm nicht nachrennen kann. Der leichenblasse Psychotherapeut dreht sich im Gehen um, nickt und entschwindet in Richtung seiner Limousine.

      Sophia blickt auf Hemd und Hose, die auf der Terrasse über der Lehne eines Teakholzstuhls hängen, und schreit: "Deine Kleider!" Der Flüchtende reagiert nicht darauf, erreicht sein Auto und braust davon.

      "Das war's dann wohl", spekuliert Sophia seufzend, steht auf, hinkt über die Terrasse in den Salon und zieht sich an. Mistie sieht, dass sich hier in naher Zukunft nichts Interessantes mehr ereignen wird, und macht sich über den Rasen davon. Lady verharrt zunächst unschlüssig, folgt ihm dann aber zur Tierarztpraxis im Souterrain der Villa.

      Hinter einem Rauhaardackel schlüpfen sie ins Wartezimmer. Dort verharren Hunde und Katzen in scheinbarer Eintracht. Mistie weiß aus Erfahrung, wie trügerisch dieser Eindruck sein kann, und verbirgt sich zunächst hinter dem Tresen. Von dort aus beobachtet er, wie Lady schnurstracks auf einen schwarzen Fellberg zusteuert und sich von ihm umgarnen lässt. "Du riechst nach Bruno, bist es offenbar wirklich", bemerkt die Hündin schwanzwedelnd. "Ich hätte dich beinahe nicht erkannt, so, wie du dich rausgemacht hast." "Tja", entgegnet der Briard-Mix-Rüde stolz. "Seitdem ich so liebevolle Menschen habe, kann ich mich richtig entfalten." Dabei blickt er dankbar zu der aparten Mittfünfzigerin neben ihm auf dem Stuhl und lässt sich von ihr hinter den Ohren kraulen.

      "Ich werde dir nie vergessen, dass Du unseren Sammy vor der miesen Charlotte beschützt hast", beteuert Lady und erlaubt sogar, dass Bruno sie unter dem Schwänzchen