Kirsten Klein

Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer


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lasse. Und um Ihre nächste Frage vorweg zu nehmen – mit Inhalt." Schelmisch lächelnd setzt sie hinzu: "...über den ich allerdings nichts verlauten lasse. Nur so viel: der Erlös kommt in vollem Umfang dem Tiernotrettungs-Verein zugute."

      Die Frage, ob so eine Ankündigung glaubhaft ist, ja, ob die Blondine von Sinnen ist, hängt förmlich in der Luft – bis jemand auf den Tisch klopft und einen allgemeinen Begeisterungstaumel auslöst.

      Der dröhnt nicht nur dem Marder unangenehm durch die Ohren. "Ich dachte, dieser Verein soll Tiere retten, nicht umbringen!" protestiert er laut fauchend. Sammy, der ihm am nächsten sitzt, vernimmt es und interveniert: "Ein bisschen leiser bitte!" Erst nach mehrmaligem Rufen kann er auch bis zu Gästen an weiter entfernten Tischen durchdringen.

      Der Applaus ebbt ab. Stille tritt jedoch nicht ein, sondern Elsie. Die war in der Nähe auf Nahrungssuche und hat mitbekommen, dass im Hammerhai etwas los ist. Natürlich kann sie ihrer Neugier nicht widerstehen, fliegt durch die offenstehende Tür herein, lässt sich auf Sammys Stuhllehne nieder und krächzt: "Was geht denn hier ab? Hab ich was verpasst?"

      Gäste amüsieren sich über ihren Auftritt. Elsie ignoriert das, blickt sich um und entdeckt auf dem Nachbartisch das halbverzehrte Schnitzel.

      Lady durchschaut ihre Absicht. "Untersteh' dich!", kläfft sie warnend von Sophias Schoß aus. Captain Nemo springt auf Sammys Schulter und schlägt mit einer Pfote nach der Elster, aber die ist längst auf den Nachbartisch gehüpft und spottet: "Du schwerfälliger Sesselpupser!"

      Als sie sich mit dem Schnitzel davonmachen will, muss sie feststellen, dass dessen Eigentümer es mittels seiner Gabel am Teller fixiert hat. "Warte, ich geb dir ja ein Stückchen", verspricht er lachend: "Aber nicht alles."

      Der Mann hat bestimmt auch ein Herz für Vierbeiner. Captain Nemo, dem der "Sesselpupser" im Magen liegt, springt von Sammys Schulter auf den Nachbartisch, um Elsie zu verjagen. Der Speisende hält ihn jedoch mit einer Hand zurück und zerkleinert mit der anderen das restliche Schnitzel. Währenddessen bestellt er ein neues.

      Lady erwägt nun ebenfalls, den Tisch zu besetzen, wird aber von Sophia zurückgehalten. "Nichts da, wo bleiben deine Manieren?", mahnt sie.

      Manieren – Mistie fragt sich, ob ein Marder das haben muss und verneint augenblicklich. Schließlich werden die anderen mit der Schnitzelverteilung nicht auf ihn warten. Beim Essen hört bekanntlich die Freundschaft unter Tieren auf. Na ja, nicht unbedingt, aber sie gerät doch sehr hart an ihre Grenzen.

      Lydia fängt den Marder ab, als er auf den Tisch springen will, aber der Gast meint: "Ach, lassen Sie. Wenn Sie nur bitte ein Foto von uns machen könnten... Meine Familie glaubt mir das sonst nie. Wissen Sie, ich bin Vertreter und erzähle daheim gerne von meinen Erlebnissen. Na ja...", fügt er etwas verlegen hinzu, "manchmal schmücke ich sie ein bisschen aus, verstehen Sie?" Die Wirtin zückt grinsend ihr Smartphone.

      Mistie schnappt dem Gast ein Stück Schnitzel aus der Hand. Lydia reagiert schnell genug, um dessen überraschten Gesichtsausdruck zu verewigen. Andere Gäste amüsieren sich köstlich. "Hier gibt's auch was!" rufen zwei Kinder und winken mit Fritten. Mit wenigen Flügelschlägen ist Elsie bei ihnen, um die Kartoffelstäbchen zu probieren.

      Der Hamburger Hammerhai – das neue Tiererlebnislokal!, notiert unterdessen Harry Horch in fetten Lettern und bittet Lydia, weitere Aufnahmen der Gäste mit den Tieren zu machen, für die Samstagsausgabe der "Hamburger Lupe".

      Die Vereinsgründer werfen einander vielsagende Blicke zu. Ja, es war wohl wirklich sinnvoll, sich heute hier zu treffen. August kann es sich in seinem Eifer nicht verkneifen, das mehrmals zu betonen, vor allem, dass es seine Idee war.

      Anja seufzt und verdreht die Augen. "Wir haben's verstanden. Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn, das auf seinem Mist gewachsen ist."

      Mist? Der Marder blickt zu ihr herüber und überlegt, ob er sich angesprochen fühlen soll. Doch da erregt etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Er und alle übrigen schauen zum Fenster, wo gerade hupend ein Rettungswagen vorfährt. Nur die Aufschrift "Tiernotrettung" unterscheidet ihn auf den ersten Blick von jedem anderen seiner Art. Ein drahtiger älterer Mann mit Glatze steigt aus, betritt strahlend das Lokal und weist auf das Gefährt. "Na, was sagt ihr dazu?"

      Sammy springt von seinem Stuhl auf und schüttelt ihm herzlich die Hand. "Perfekt – einfach perfekt, Herr Reimann!" "Nix Herr Reimann", widerspricht der Angesprochene entschieden. "Ich bin der Freddy."

      "Super, echt perfekt!", rufen alle Vereinsmitglieder, auch viele der Gäste. Nur Anja dämpft die Euphorie. "Fast perfekt", schränkt sie ein, "bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit." Sie hält inne und blickt in fragende Gesichter. "Wir dürfen – sogar im Notfall –, weder mit Blaulicht noch mit Sirene fahren."

      Aus fragenden Gesichtern werden lange.

      Doch bevor eine Diskussion entstehen kann, überschlagen sich die Ereignisse. Eine Passantin sieht den Wagen mit dem auffallenden Schriftzug und stürzt ins Lokal. "Da hinten!", ruft sie und weist mit dem Finger in die Ferne. "Ein paar Straßen weiter ist ein Hund angefahren worden!"

      Ohne kostbare Zeit zu vergeuden, eilen Sammy und Freddy hinaus und brausen mit quietschenden Reifen davon.

      August, immer noch entrückt und in seinem Einfallsreichtum schwelgend, merkt verdutzt an, dass der Verein ja noch gar nicht rechtskräftig gegründet worden sei, doch niemand hört zu. Stattdessen geht einigen durch den Kopf, was Sophia ausspricht: "Das muss ausgerechnet im Feierabendverkehr passieren."

      "Los, flieg hinterher!", fordert Captain Nemo Elsie auf. Die frisst gerade den Kindern die Pommes weg. Der Gast, auf dessen Tisch er immer noch sitzt, streicht ihm tröstend über den Kopf. "Mach dir nichts draus, ich bestell' dir eine neue Portion." Weil der Kater weiß, wie zwecklos es sein kann, Menschen über ihre Irrtümer aufzuklären, ignoriert er diese Bemerkung und wendet sich erneut an die Elster. "Willst du nicht beobachten, was sie machen?" "Ja", hakt Mistie ein, "du könntest uns dann Bericht erstatten."

      Elsie hüpft auf eine Stuhllehne in Türnähe und putzt sich den Schnabel daran ab. "Ich muss zurück zu unserem Schiff und Elias dabei helfen, es vor den Krähen zu verteidigen." "Das können doch Nemo und Mistie übernehmen", wendet Lady ein. Die beiden sehen sie irritiert an. "Na ja", erläutert sie, "ihr könnt aufs Dach klettern, ich nicht. Und du", wendet sich Lady an Captain Nemo, "bist obendrein ein Schiffskater." "Ex-Schiffskater", berichtigt der Angesprochene. "Ist doch wurst", kläfft Lady genervt und stützt sich mit den Vorderpfoten an Sophias Schulter ab, um auf selber Höhe mit ihm zu sein – mindestens. "Eben nicht!", knurrt Nemo. Wurst? Mistie kann sich wieder mal nur wundern.

      Unterdessen hüpft Elsie ungeduldig auf der Stuhllehne herum. "Könnt ihr euch jetzt endlich entscheiden?"

      Auch unter den Menschen entbrennt eine heftige Diskussion. Deshalb achtet keiner auf den tierischen Disput. Anja verlangt von Harry Horch, die Notwendigkeit von Sirene und Blaulicht für die Tiernotrettung in seinem Bericht zu erwähnen – ja, zu bekräftigen. Sie habe gar nichts von ihm zu verlangen, erregt der sich und behauptet, damit würde er sich nur lächerlich machen. Das stachelt wiederum Anja an.

      Ex-Schiffskater hin oder her – seine Kletterkünste will Captain Nemo nicht abstreiten. Ein Kater ist er schließlich immer noch. "Dann muss er aber mit aufs Dach", bekräftigt Lady, springt von Sophias Schoß und läuft zur Tür, Mistie hinterher. Ehe auch nur einer der Menschen etwas davon mitkriegt, flitzen, beziehungsweise fliegen die Tiere auf und davon.

      4

      "Typisch Elsie, sieht wieder mal alles nur aus der Vogelperspektive", meint Lady, als sie, Mistie und Captain Nemo das Ende des Gehwegs erreicht haben und den Straßenverkehr passieren lassen. Tatsächlich können sie nur mit hochgereckten Köpfen zusehen, wie die Elster über das Haus auf der anderen Straßenseite hinwegfliegt und ihrem Blickfeld entschwindet. "Kommt!", ruft Mistie, als endlich eine Lücke zwischen den Fahrzeugen entsteht, und überquert die Straße, gefolgt von seinen Freunden. "Die Richtung scheint ja zu stimmen."

      Sie erklimmen gerade den Bordstein