war ihm der Tod nur beim Schlachten von Tieren begegnet. Einmal hatte er zugesehen, als sein Vater einer Ziege mit einer Axt den Kopf abhackte. Er hatte mehrmals zuschlagen müssen, bis der Hals durchtrennt war, und Blut war nach allen Seiten weggespritzt. Folke versuchte, sich vorzustellen, wie er den Kopf eines Aelfen abschlug, aber es war schwierig, denn er hatte keine richtige Vorstellung davon, wie sie aussahen, nur Geschichten. Geschichten, die der alte Atli erzählte.
Folkes Gedanken verwirrten sich, stoben in graue Nebel davon. Er bemerkte ein unangenehmes Gefühl an den Armen. Wo das Sonnenlicht auf die Haut traf, brannte sie fast schmerzhaft. In den Schatten aber, die das Laub warf, war sie kühl. Heiß. Kühl. Heiß. Seine Arme schienen aus Teilen zusammengesetzt, die nicht zueinandergehörten. Folke schüttelte sie, und einen Augenblick lang fürchtete er, die Teile könnten fortgeschleudert werden. Er erschrak. Es hatte sich angefühlt wie ein heimlicher Irrsinn, der an den Rändern seiner Gedanken nagte.
Der Eindruck, dass mit ihm etwas nicht stimmte, machte ihm seit einer Weile zu schaffen. Seine Einbildungskraft spielte ihm oft Streiche, die er nicht verstand. Mehrmals schon hatte er das Gefühl gehabt, unsichtbar zu sein, nur ganz kurz, wenn die anderen Jungen sich unterhielten, als wäre er nicht dabei. In solchen Momenten verlor er ganz kurz die Orientierung. Die Welt schien sich wie ein schwarzer Sack um ihn zusammenzuziehen und ihn zu ersticken. So wie eben gerade.
Verstohlen betrachtete er Egli, um festzustellen, ob dieser etwas bemerkt hatte. Aber Egli schaute nur versonnen dem Wagen der Schmiede hinterher.
„Sie bringen Unheil”, wiederholte er. „Wenn sie kommen, müssen die Männer gehen.”
„Weil es Krieg gibt”, sagte Folke mürrisch. „Das hat nichts mit den Schmieden zu tun.”
Er war neugierig auf diese Männer, die das Handwerkszeug für den Krieg herstellten. Sie erschienen ihm geheimnisvoll und unheimlich. Sie brachten Veränderungen.
Egli zuckte mit den Achseln. Er sah nicht überzeugt aus.
Sie standen auf und schlenderten in einigem Abstand hinter dem Wagen her ins Dorf. Die Straße, die von Süden her kam, war breiter als alle anderen in dieser Gegend. Auf der linken Seite ertönte jenseits von hohen Büschen das ungeduldige Gebrüll der Kühe auf den Wiesen. Es war Melkzeit, aber die Dorfleute vernachlässigten an diesem Tag ihre Pflichten. Auf der rechten Seite der Straße, in einem kleinen Wald aus Buchen, Eichen und Birken, standen zwischen den Stämmen einzelne Hütten, die aufgegeben worden waren und allmählich verfielen.
Als Folke und Egli den Platz in der Mitte des Dorfes erreichten, hatten sich bereits alle Dorfleute um die alte Eiche versammelt. Der Vogt des Fürsten, der dem Wagen vorausgeritten war, schaute von der Höhe des Pferderückens auf sie herab.
Folke teilte den Hass der Dorfleute gegen den Vogt, dessen Worte und Anordnungen manchmal Hunger und Elend für sie bedeuteten, aber dennoch befolgt werden mussten, da es die Worte und Anordnungen des Fürsten waren. Der Hass war ihm so vertraut wie der Geruch des Viehs oder das Rauschen des Waldes, der das Dorf umgab. Er war ihm selbstverständlich geworden und wurde niemals infrage gestellt. Zu seinen frühesten Erinnerungen gehörten die gehässigen Worte der Frauen, die die Männlichkeit des Vogts anzweifelten. Die Bedeutung dieser Worte verstand Folke erst seit wenigen Jahren, aber schon als kleiner Junge hatte er mit den Frauen darüber gelacht, und sie hatten ihm den Kopf gestreichelt dafür und noch lauter gelacht. Mondkopf nannten die Frauen den Vogt, wegen seines sichelförmig nach innen gebogenen Gesichts und des spitz zulaufenden Kinns. Folke fragte sich manchmal unbehaglich, wie es sein mochte, wenn die Frauen über einen lachten, weil man hässlich war.
Ebenfalls schon lange kannte er die ohnmächtigen Träume der Männer, die davon raunten, den Vogt auf grausame Weise zu töten. Träume, die unerfüllt bleiben mussten, und die deshalb den Hass noch heftiger brennen ließen. „Wenn wir alle zusammenhielten, wäre er machtlos”, murmelten die Männer, wenn sie beieinander saßen, leise in ihre Bierkrüge hinein. Aber Folke hatte schon vor einiger Zeit begriffen, dass niemals alle zusammenhielten. Jedes Dorf suchte seinen Vorteil. Keines würde zögern, sich auf Kosten der anderen zu bereichern. Wenn eines halbherzig gegen die Anordnungen des Fürsten rebellierte, schmeichelte sich das andere um so enger an die Ordnung des Herrn und lachte sich ins Fäustchen, wenn die eigenen Abgaben zur Belohnung für kurze Zeit gesenkt wurden. Widerstand gegen den Fürsten war ohnehin sinnlos. Er unterhielt ein stehendes Heer, das groß genug war, um seine Macht im Land zu sichern.
„Aber”, dachte Folke, „offenbar nicht groß genug, um gegen die Aelfen in den Krieg zu ziehen.”
Das längliche, bartlose Gesicht des Vogts blieb unbewegt, nur seine Finger spielten hektisch mit der Verschlusskette seines Mantels. Es war offensichtlich, dass er sich in dieser Umgebung unwohl fühlte. Die Augen hatte er stets halb zugekniffen, als würden sie an Stelle der spitzen Nase den Geruch des Dorfes wahrnehmen und sich dagegen sperren. Sonnenlicht verfing sich in seinem krausen, rötlichen Haar, entzündete es zu Funken, die im leichten Wind über den Kragen seines vornehmen, dunklen Mantels tanzten. Alle wussten, was kommen würde. Männer, Frauen, Kinder standen schweigend um die Eiche herum und warteten.
„Ich verkünde euch im Namen des Fürsten und seiner Verbündeten, dass der Krieg gegen die Aelfen begonnen hat!”, rief der Vogt. „Alle Männer, die mindestens sechzehn und nicht mehr als sechzig Sommer gesehen haben, werden aufgerufen, sich beim Heer des Fürsten zu melden. So lautet das Gesetz.”
Er machte eine Pause, wahrscheinlich um seine Worte wirken zu lassen, aber die Dorfleute blieben still.
Die Augen des Vogts zwinkerten hektisch, bevor sie sich wieder zusammenzogen. „Die Aelfen bedrohen unsere Siedlungen im Norden”, fuhr er fort. „Immer wieder hat es Angriffe gegeben. Das können wir nicht länger hinnehmen. Würden wir es tun, dränge das Aelfenpack immer weiter nach Süden vor; auch Dörfer wie dieses würden bald angegriffen werden. Die Fürsten haben beschlossen, jetzt zu handeln. Es ist höchste Zeit. Die Aelfen müssen vertrieben, am besten vernichtet, das Land bis weit nach Norden gesichert werden. Alle müssen dazu ihren Beitrag leisten.”
Er drehte sich im Sattel um und wies auf den Wagen, der hinter ihm zum Stehen gekommen war. „Die Schmiede werden im Dorf einquartiert. Das Eisenerz dieser Gegend wird von den Frauen und Kindern gesammelt, damit die Schmiede Waffen für das Heer des Fürsten herstellen können. Das Heer wird das Land verteidigen. Es wird euch verteidigen.”
„Was ist mit unseren Feldern?”, rief Farli, Folkes Vater. „Wer soll sie bestellen, wenn wir in den Krieg ziehen? Wer wird das Vieh versorgen?”
Folke betrachtete das grimmige Gesicht seines Vaters, die leicht gebeugte, aber kräftige Gestalt. Das Haar über seinen Ohren war schon ein bisschen grau, aber seine besorgte, mürrische Miene ließ ihn älter erscheinen als er war.
Die anderen Dorfleute nickten und murmelten ihre Zustimmung
„Die alten Leute werden das tun”, sagte der Vogt knapp. „Der Krieg geht vor.”
Die Leute murrten, aber Folke wusste, keiner würde es wagen, sich gegen das Gesetz des Fürsten aufzulehnen.
Als der Vogt außer Hörweite war, fluchten die Männer.
„Es ist Irrsinn, gegen das Aelfenpack zu ziehen”, brummte Meili, Eglis Vater. „Das wird kein ehrlicher Kampf. Sie werden uns verzaubern, vielleicht sogar in Schweine verwandeln!”
Die Männer lachten, aber es klang angespannt.
„Sie sind wie Schatten”, sagte Atli, der zu alt war, um in den Krieg zu ziehen. „Wer ist so dumm, gegen Schatten zu kämpfen?”
Die Männer schwiegen unbehaglich. Folke stellte sich vor, wie sie mit ihren Schwertern gegen Geister kämpfen würden. Er schauderte und einen Moment lang war er froh, dass er erst fünfzehn Sommer gesehen hatte, einen zu wenig. Aber dann schämte er sich dafür.
„Schatten oder nicht”, sagte Farli, „was wird aus unseren Höfen werden, wenn wir fortgehen?” Er spuckte aus. „Das ist nicht unser Krieg. Uns haben die Aelfen nichts weggenommen.”
Die anderen nickten.
„Ich