Manfred Lafrentz

Blutschwertzeit


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      Die Schmiede zogen in die leer stehenden Häuser am Rande des Dorfes. Folke und die anderen Jungen beobachteten von weitem, wie sie in eines der Häuser Gerät aus dem Wagen trugen und Steine herbeischleppten.

      „Das wird die Schmiede”, sagte Egli.

      Atli war bei ihnen und kommentierte alles.

      „Verfluchtes Eisen”, sagte er. „Eisen verleiht Macht, daher verdirbt es die Menschen, die damit umgehen. Wozu brauchen wir Eisen? Wir haben Häuser aus Holz, Pflüge aus Holz, Becher und Krüge aus Ton. Und das, was unsere Väter aus Knochen, Steinen und Hirschgeweihen gemacht haben, ist auch noch besser als das, was diese Zauberer in ihren Öfen zusammenbrauen.”

      „Waffen”, sagte Folke. „Wir können nicht mit Waffen aus Holz oder Knochen kämpfen.”

      „Du willst kämpfen?”, fragte Biarki Gautissohn spöttisch, ein großer, kräftiger Bursche in Folkes Alter, mit hellem Haar. Er war immer der Anführer, bei allem, und alle hörten auf ihn. Manchmal hasste ihn Folke dafür, hasste ihn, weil er gerne so gewesen wäre wie er. Ein großer, kräftiger Anführer. Immer wenn er Biarki sah, fragte er sich unwillkürlich, wie Farli der Fels so ein Steinchen wie ihn, Folke, gezeugt haben konnte. Er hatte das Gefühl, betrogen worden zu sein. Folke Farlissohn hätte eigentlich sein sollen wie Biarki Gautissohn, denn Gauti war ein Mann wie Farli. Manchmal quälte ihn der Gedanke, dass es seine eigene Schuld war. Er hatte etwas versäumt, etwas ungetan gelassen, ohne zu wissen, was, und nun würde er niemals ein Mann wie sein Vater werden. Und noch schlimmer war die Vorstellung, dass alle es wussten und ihn heimlich dafür verachteten, auch Farli.

      „Irgendwann werden wir alle kämpfen müssen”, antwortete er mürrisch auf Biarkis Frage.

      Biarki grinste. „Vielleicht bist du der Richtige, um gegen die Aelfen zu kämpfen. Wenn der Wind sie fortträgt, wirst du hinterhergeweht, während alle anderen am Boden bleiben müssen.”

      Die Jungen lachten. Folke biss die Zähne zusammen.

      „Auf jeden Fall ist er schnell wie der Wind”, sagte Egli zu Folkes Verteidigung. „Er läuft einmal um das Dorf herum bevor du zwei Häuser hinter dir gelassen hast, Biarki.”

      Einige Jungen nickten. Folke war nicht so kräftig wie die meisten, aber er war der Gewandteste. Bei den gelegentlichen Raufereien unter den Dorfjungen machte er fehlende Stärke durch Geschicklichkeit und Schnelligkeit wett. Er war kein Feigling, ging keinem Kampf aus dem Weg.

      „Kann sein”, sagte Biarki gutmütig, und Folke hasste ihn für diese Gutmütigkeit. Er vergaß keinen dieser Momente, in denen der Spott ihn traf, auch wenn sie für alle anderen ohne Bedeutung waren. Sie lagen in seinen Gedanken herum und scheuerten sie wund. Biarki hatte bestimmt keine wunden Gedanken. Sie mussten groß und kräftig sein wie er selbst, und sie hatten sicher helle Haare und waren die Anführer aller anderen Gedanken.

      Atli grunzte unwillig. „Diese Schmiede haben keine Heimat”, fuhr er unbeirrt fort. „Wenn kein Erz mehr in der Gegend gefunden wird und die Wälder abgeholzt sind, ziehen sie weiter und hinterlassen Ruinen, über die das Gestrüpp wächst. Die Häuser, in denen sie gearbeitet haben, kann keiner mehr benutzen. Böse Feuergeister gehen darin um.”

      „Sind sie wirklich Zauberer?”, fragte Egli. „Wieso lässt man sie gewähren?”

      Atli spuckte aus. „Wenn die Fürsten sie nicht schützen würden, könnten sie sich nirgendwo sehen lassen. Eine schwarze Kunst ist das Schmieden! Man kann ihnen nicht trauen. Sie haben ihr Wissen von den Dunkelaelfen gelernt.”

      „Aber sie stellen die Waffen her, die für den Krieg gebraucht werden”, beharrte Folke.

      Atli spuckte nochmal aus. „Sie sind Zauberer”, sagte er und wandte sich ab.

      Bald forderten die Schmiedegesellen Folke und die anderen Jungen auf, Eisenerz heranzuschaffen. Es gab viele Senken in der Umgebung, in denen eisenhaltiges Wasser zusammengespült wurde und an die Oberfläche trat. Wenn es mit Luft in Berührung kam, bildete sich Erz. Die Jungen sammelten es und schleppten es zur Schmiede. Doch bald mussten die Frauen das Erzsammeln übernehmen, denn die Schmiede schrien nach Holz, und die Jungen mussten Bäume fällen.

      „Warum brauchen sie so viel Holz?”, fragte Egli Folke unzufrieden.

      Sie stapelten Holzscheite, die sie nach dem Spalten der Stämme zur Schmiede tragen mussten. Trotz des Waldesschattens schwitzten sie in der Wärme des Spätsommers bei ihrer Arbeit. Die Schmiede hatten ihnen neue Äxte gegeben, die gierig wie Raubtiere an den Stämmen nagten. Wenn man sie ins Holz schlug, spritzten die Späne weithin. Ein kleiner Teil des Waldes neben dem Dorf war schon abgeholzt. Es sah hässlich aus. „Kriegswunden”, dachte Folke.

      Hier hatte er oft mit Egli und den anderen Jungen gespielt, und es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass der Wald so zerbrechlich, so leicht zu zerstören war. Er dachte an Atlis Warnungen vor den Ruinen, die die Schmiede hinter sich zurückließen. Aber auch dort, wo das Dorf stand, war früher Wald gewesen. Selbst die Felder und Weiden waren ihm abgetrotzt worden. Das Holz der vielen abgeschlagenen Bäume steckte in den Häusern, in den Zäunen und den Wagen. Doch das Holz der Stämme, die sie nun abschlugen, verschwand in den Öfen der Schmiede, die Stahl ausspuckten. Der Krieg veränderte alles. Die Männer verschwanden, die Bäume verschwanden. Es war traurig und doch auch erregend. Mit dem Wald verschwand Folkes Kindheit. Er war nicht mehr weit davon entfernt, ein Mann zu sein. Ein Mann, der Stahl in die Hand nahm und kämpfte, wie sein Vater. Holz und Stahl, Kind und Mann. Er spürte die Veränderung. Sie wehte wie ein kratziger staubiger Wind durch seine Gedanken, ein Wind, von dem er noch nicht wusste, wohin er ihn tragen würde. Er fürchtete die Veränderung ein wenig und sehnte sie doch auch herbei. Wenn er kämpfte, wie sein Vater, dachte er, würde er sich vielleicht in einen Mann wie Farli verwandeln. In einen Fels.

      „Die Öfen”, sagte er. „Sie müssen Tag und Nacht brennen. Es ist schon eine Wagenladung mit Schwertern und Schilden nach Norden geschickt worden.”

      Egli nahm eine Ladung Scheite hoch. „Krieg bedeutet einfach nur mehr Arbeit”, brummte er. „Meine Arme schmerzen, meine Hände sind voller Blasen. Ich wünschte, die Schmiede würden bald wieder abziehen.”

      Folke lachte. Er war nicht weniger erschöpft von der Arbeit als der Freund.

      „Was glaubst du”, fragte Egli nachdenklich, „ob die Aelfen Zauberei gegen die Männer einsetzen, gegen die sie kämpfen?” Der Gedanke schien ihn zu beunruhigen. Folke juckte es, ihn zu necken.

      „Glaubst du, du wirst deinen Vater wiedererkennen, wenn er als Schwein zurückkommt?”

      Egli knallte einen Stapel Holzscheite auf einen anderen. „Das ist nicht witzig.” Er zögerte. „Machst du dir keine Sorgen um deinen Vater?”

      Folke zuckte mit den Achseln. „Er hat schon früher in Schlachten gekämpft. Er ist ein erfahrener Krieger.”

      „Mag sein”, sagte Egli. „Aber was ist mit Zauberei?”

      „Warum denkst du so viel über Zauberei nach?”

      Egli sah ihn überrascht an. „Es ist das Schlimmste. Es nimmt dir deine Seele. Du wirst wie sie, wie die Aelfen.”

      Folke dachte darüber nach. „Vielleicht hast du Recht. Aber was kann man dagegen tun?”

      „Dieser Krieg bringt Unheil”, sagte Egli düster. „Ich wünsche nicht mehr, dass die Schmiede bald abziehen, ich wünschte, sie wären nie gekommen.” Er sah Folke missmutig an. „Du bist oft bei der Schmiede.”

      „Und?” Folke wusste nicht, worauf sein Freund hinauswollte.

      „Was hast du da zu suchen? Die anderen Jungen reden über dich.”

      „Was sagen sie?”

      „Nichts Gutes. Sie sagen, die Zauberei zieht dich an.”

      „Blödsinn!”

      „Geh nicht mehr zur Schmiede, das ist ein guter Rat.” Egli wandte sich ab und wollte