Catherine St.John

Vornehme Geschwister


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lächelte Cora, „solltest du lieber nicht so betonen!“

      „Du Biest!“

      Cora kicherte kurz und senkte dann den Blick wieder fromm auf ihre Näharbeit.

      „Gut leben wir nicht von diesen Bauern“, warf die Herzogin ein und studierte ihre Frisur im Spiegel über dem Kamin.

      „Das liegt vielleicht auch daran, dass Einkommen und Ausgaben nicht im Einklang miteinander stehen?“, schlug Vergil vor.

      „Wie meinst du das?“, fragte seine Mutter stirnrunzelnd.

      „Sie geben zu viel aus, ganz einfach. Sie alle, außer Cora und mir.“

      „Wir sind eine herzogliche Familie, wir müssen doch einen gewissen Standard wahren!“, entrüstete sich die Herzogin.

      „Ja, vor allem so wie Horace, was? Wetten, spielen, sau-“

      „Vergil!!“

      „Ist doch wahr“, murrte der Gescholtene leise.

      „Wir fahren nach London, dann musst du dich nicht über uns entrüsten“, beschied ihn Diane mit strahlendem Lächeln.

      „Was, schon wieder? Das heißt wahrscheinlich haufenweise neue Roben, obwohl die vorhandenen doch keiner in London schon kennt.“

      Diane hatte schon den Mund geöffnet, um ihrem sparsamen Bruder das unerfreuliche Prädikat „von der letzten Saison“ zu erläutern, als Cora fragte: „Muss ich denn wirklich mit nach London?“

      „Undankbares Mädchen! Du fährst mit, das sieht wirklich besser aus.“

      Cora wandte sich zu Vergil und verdrehte recht deutlich die Augen zur bemalten Decke. Er grinste sie in stillem Einverständnis an und verließ den Salon wieder. Sie tat es ihm gleich, von Mutter und Schwester unbeachtet, die bereits über die Roben diskutierten, mit deren Hilfe Diane nun endlich einen passenden Ehemann finden sollte.

      Für sie würde kein neues Ballkleid abfallen, aber das störte sie nicht. Diane trat vorzugsweise in Weiß auf, Schneeweiß als Kontrast zu ihren rabenschwarzen Locken, den leuchtend himmelblauen Augen und dem zartrosigen Teint. Cora mit den braunen Locken und den dunkelblauen Augen fand weiße Roben etwas langweilig. Raffiniert platzierte Farbakzente gefielen ihr besser – und sie war schließlich geschickt genug, das auch gekonnt in die Tat umzusetzen.

      Auf dem Dachboden konnte man die wunderbarsten Kleider aus den letzten beiden Jahrhunderten finden. Zielsicher steuerte sie eine Truhe in der hintersten Ecke an, die sie und Lizzie die „Anna-Truhe“ getauft hatten. Anna, die Gemahlin des zweiten Herzogs, hatte kurz vor der Rückkehr zur Monarchie geheiratet und sich häufig bei Hofe aufgehalten. Immerhin hatte sie die beiden Erben zur Welt gebracht, bevor das abenteuerlustige Auge Charles´ II auf sie gefallen war, zunächst wohl vor allem auf ihre rote Haarpracht…

      Wer der Vater der beiden kleinen Mädchen war, die sie in den mittleren Sechzigern des 17. Jahrhunderts geboren hatte, war unklar; dem zweiten Herzog, der selbst noch einige Kinder mit seiner Geliebten hatte, schien es gleichgültig gewesen zu sein. Ein sehr gelassenes Zeitalter, fand Cora. Und zwei hübsche Herzogstöchter, die vielleicht sogar Töchter des Königs waren und eine durchaus ansehnliche Mitgift bekamen, ließen sich doch allemal gut verheiraten!

      Anna hatte mit Rücksicht auf die kupferfarbene Mähne vorzugsweise silbergrau, blassgrün und hellblau getragen, ab und an auch ein kräftigeres Saphirblau, dunkles Waldgrün, Violett oder Sonnengelb. Womit hatte man damals bloß die Stoffe gefärbt? Und die Farben waren immer noch so kräftig leuchtend! Vielleicht hatten sie in der Truhe auch wenig Gelegenheit gehabt, auszubleichen…

      Cora sah die üppigen Abendkleider durch, durchwegs auf absurd breiten Reifröcken zu tragen, und entschied sich für ein saphirblaues Exemplar mit silberner Stickerei. In der Kiste der vierten Herzogin, Sophia, gab es, wie sie wusste, ganze Stapel von wunderschöner Nachtwäsche, Musselin, Seide, Samt und vor allem die herrlichsten Spitzenborten. Sie fand ein Negligé aus cremefarbenem Musselin und ein leider verschossenes Nachthemd aus Seide, das aber mit immerhin unversehrten Brüsseler Spitzen besetzt war. Sofort nahmen zwei Abendroben in ihrem Kopf Gestalt an; sie raffte ihre Beute zusammen und trug sie nach unten. Vor ihrem Zimmer traf sie mit Diane zusammen, die hämisch grinste. „Also ich bekomme neue Abendroben! Puh, wie die Sachen schon riechen!“

      „Sie werden ja noch gewaschen und gelüftet. Und aus einem von diesen gewaltigen Gewändern kann man heute mindestens zwei machen. Sei froh, dass alles Geld für deine Ausstattung bleibt.“

      „Das gehört sich ja wohl auch so!“

      „Richtig“, konnte Cora nicht unterdrücken, „du bist ja wohl auch der dringendere Fall, nicht wahr?“

      Diane blinzelte kurz, dann schien die Botschaft in ihrem Hirn angekommen zu sein, denn sie fauchte und verschwand türenknallend in ihren Räumen.

      Cora schaffte die Beute in ihr Zimmer, wo sie auch schon Lizzie antraf, die frisch Gewaschenes und Gebügeltes in ihren Schrank schichtete und jetzt knickste.

      „Oh, Lady Cora! Welch herrliche Farbe! Und diese Spitzen! So kostbar…!“

      „Eben, Lizzie! Du kennst doch mein Weißes mit der silbernen Stickerei am Ausschnitt und diesem faden hellrosa Unterkleid. Was meinst du, wenn wir ein Unterkleid aus diesem blauen Rock anfertigen? Diese silbernen Bögen am Saum dürften passen.“

      Lizzie überlegt und nickte dann. „Ja, das dürfte gut aussehen – aber dürfen Sie schon ein so kräftiges Blau tragen, Lady Cora? Hat Ihre Gnaden Ihnen das gestattet?“

      Cora lächelte spitzbübisch. „Ich habe sie einmal gefragt, aber da hat sie nur belästigt abgewinkt, wahrscheinlich waren Diane und Horace wieder einmal viel wichtiger. Mein Glück! Und vermutlich sieht sie gar nicht, was ich trage. Komm, wir machen uns an die Arbeit!“

      Sie drückte Lizzie die Nachtwäsche zur Reinigung in die Hand; die blauseidene Pracht hätte bei einer Wäsche wohl sehr gelitten, da half nur Ausbürsten und Lüften, was auch genügen musste. Also hängte sie die bauschigen Seidenwogen an den Schrank und ging mit einer winzigen Schere vorsichtig daran, die Nähte aufzutrennen.

      Genügend Nadelgeld für blaue Seidenslipper hatte sie noch und an Schals, Haarbändern und Handschuhen war wirklich genug vorhanden. Einen neuen blauen Schal konnte man vielleicht auch aus den Resten des blauen Rocks… nein, das Material eignete sich nicht.

      Mit solchen Gedanken und Tätigkeiten war sie bis zum Lunch auf das Netteste beschäftigt und erst, als sie ihren Vater hörte, wie er jemanden anbrüllte, erkannte sie, dass auch Horace sich eingefunden haben musste. Ach, wie ärgerlich!

      Horace war unangenehm, fand sie. Sicher, Mama und Diane waren anstrengend, aber doch im Kern sympathisch – aber Horace? Horace schien zu glauben, alle anderen seien zu seiner Bedienung oder seinem Vergnügen da. Als kleines Mädchen hatte sie ihn sehr hübsch gefunden, obwohl er sie nie beachtet hatte, aber mittlerweile sah er bleich und teigig aus, die Augen waren oft blutunterlaufen und die Nase hatte ihm einmal jemand gebrochen. Wer und warum, wusste sie nicht, aber wie sie Horace kannte, hatte er es redlich verdient.

      Nun, dann musste sie sich wohl zum Lunch einfinden! Lizzie frischte ihre Frisur auf und versprach, die bezeichneten Nähte weiter aufzutrennen, bevor das Personal seinen Lunch einnahm.

      Tatsächlich saß Horace schon am Tisch, als sie eintrat. Sie schenkte ihm einen knappen Knicks und setzte sich. Bei ihm reichte es nur für einen müden Blick.

      Die Herzogin zeigte Besorgnis. „Mein lieber Junge, fühlst du dich nicht wohl? Du siehst sehr blass aus, du wirst doch wohl nicht krank werden? Gegen die Pocken seid ihr ja alle geimpft, glücklicherweise, aber vielleicht hast du dich auf der Reise erkältet? Cora, fühle doch bitte, ob der liebe Horace Fieber hat!“

      „Ganz gewiss nicht!“, verwahrte sich Cora, denn Horace machte ganz den Eindruck, als habe er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen.

      „Nein, Mirabella, das ginge dann doch wirklich zu weit!“, verfügte der Herzog.

      „Ich