Catherine St.John

Vornehme Geschwister


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Norton. Ich meine nur, solche Frauen gibt es. Du musst nur suchen. Und fang damit an, bevor du ein kauziger Tattergreis bist!“

      „Deutliche Worte, meine liebe böse Stiefmutter!“ Er trank sein Glas aus und erhob sich, um ihr die Wange zu küssen. „ich werde jetzt gehen und über deine weisen Worte nachdenken. Wann ist denn der nächste geeignete Ball?“

      Lady Hartford lächelte triumphierend. „Übermorgen – und sogar bei Amelia Ramsworth!“

      „Oh, das ist nun wirklich eine reizende Frau. Leider nach deinen Kriterien zu alt, nicht wahr?“

      Ohne seiner Stiefmutter Gelegenheit zu geben, dies zu kommentieren, eilte er hinaus.

      *

      Tatsächlich kam ihm, als er nach Hause zurückkehrte, sein elegantes Stadthaus in der South Audley Street auf eine undefinierbare Weise leer vor, obwohl er von seinem Butler Murray, seinem Kammerdiener Grisley und einem ganzen Heer von weiblichen Bedienten - von Mrs. Adams, der Köchin, abwärts - auf das Beste umsorgt wurde.

      Mit einem weiteren Brandy saß er in der Bibliothek, starrte ins Feuer und überlegte, ob es wirklich Zeit war, zu heiraten. Irgendeine passende Frau… Honoria, die alte Nervensäge, hatte seine Idealfrau gar nicht so schlecht beschrieben – aber eine solche Frau gab es doch gar nicht!

      Wenn Honoria nicht irgendein perfektes, nur leider verarmtes Mädchen aus dem Ärmel schütteln konnte – nein.

      Er war zwar ein harter und zuweilen hochmütiger Mann, nicht ohne politischen Einfluss und sehr aktiv, wenn es um die industrielle Entwicklung Englands ging, aber im Inneren war er wohl doch so etwas wie ein Romantiker – er wollte eine Frau auch lieben können.

      Damit rechnete Honoria bestimmt nicht. Damit rechnete wohl niemand!

      Und mit dieser Wunschliste sollte er auf Bälle gehen und das Angebot an jungen Gänschen studieren?

      Ganz bestimmt nicht! Noch einen Brandy? Nein, er würde gegen acht zu Abend essen und dann ruhig in der Bibliothek sitzen, bis es Zeit war, sich früh zur Ruhe zu begeben.

      Er verzog spöttisch das Gesicht: Offenbar wurde er wirklich schon alt!

      Gut, er würde übermorgen auf Amelia Ramsworths Ball gehen. Das war keine zu schreckliche Massenveranstaltung, bei der man beinahe zu Tode gedrückt wurde, sondern ein eleganter Ball mit überschaubaren Mengen an Gästen. Und im Allgemeinen wählte sie diese Gäste auch sehr sorgfältig aus. Dort konnte man als alternder konservativer Politiker durchaus auftauchen! Und Amelia Ramsworth würde sich über seine Anwesenheit freuen…

      Kapitel 3

      „Aber Mrs. Ramsworth ist doch gar nicht von Adel?“, fragte Diane etwas mürrisch, als sie in der Schlange vor dem eleganten Stadthaus der Gastgeberin standen.

      „Du bist ein dummes Wesen“, zischte ihre Mutter, sehr pompös in violetten Samt mit passendem Turban gekleidet und zu ihrem eigenen Missvergnügen mit einer aufwendigen Amethyst-Garnitur geschmückt, weil sie das berühmte Thurston-Smaragdcollier nicht hatte finden können.

      Diane, in mädchenhaftem Weiß mit viel Spitze und goldenen Bändern, eine große weiß-goldene Schleife im Haar und Topase um den Hals, schob die Unterlippe vor. „Wenn sie so vornehm ist, warum ist sie dann nicht Lady Ramsworth?“

      „Ich dachte, wir hätten dir die Grundbegriffe des englischen Adels beigebracht“, seufzte die Herzogin.

      „Beigebracht reicht offenbar nicht“, konnte Cora sich nicht bezähmen, „regelmäßige Wiederholungen hätten vielleicht mehr geholfen.“

      „Ach? Du weißt also, warum diese Person so vornehm sein soll?“

      „Vielleicht noch etwas lauter?“, zischelte Cora. „Wenn das jemand hört, werden wir hier nie wieder eingeladen!“

      „Mrs. Ramsworth hat die besten Verbindungen, auch wenn ihr Mann nur der jüngere Enkel eines Herzogs war“, flüsterte Ihre Gnaden, denn man war dem Portal schon gefährlich nahegekommen, man sah schon die Treppe, auf deren Absatz die Gastgeberin stand.

      Cora erkannte schon auf diese Entfernung, dass diese eine wunderbare Robe trug, mit der sich der übertrieben mädchenhafte Kram Dianes ebenso wenig messen konnte wie die violette Pracht, die ihre Mutter nur blass und kränklich wirken ließ.

      Tiefes, warmes Dunkelgrün in bestem Samt, der sanft schimmerte und mit wenigen Seidenbändern in etwas hellerem Grün an der hohen Taille und am Saum abgesetzt war. Dazu diskreter Goldschmuck…

      „Ich hätte doch die Smaragde tragen sollen“, murrte die Herzogin leise. „Nicht zu Violett!“, widersprach Cora ebenso leise. „Und die Smaragde müssten einmal gereinigt werden. Sie hätten sie mitbringen können und sie bei Rundell & Bridge reinigen lassen. Dann hätten sie wieder ihr altes Feuer.“

      „Da hast du Recht, Cora, aber ich habe sie wirklich nicht finden können, ich kann das gar nicht verstehen…“

      Cora antwortete nicht; zum einen standen sie mittlerweile auf der untersten Treppenstufe und zum anderen verstand sie schon, warum ihre Mutter die Familiensmaragde nicht finden konnte: Die Herzogin war so unordentlich, dass selbst ihre Zofe Doris das Chaos nicht bändigen konnte – was ihre Herrin auch gar nicht erwartete. Die Zimmerflucht Ihrer Gnaden bestand auf Gave Court aus vier großzügig dimensionierten Räumen, ineinander übergehend und übersät mit Kleidern, Schmuck, modischem Aufputz, Retiküls und Handschuhen in allen Farben. Über jede Sessellehne waren Negligés geworfen, aufregende Romane waren zwanglos über allem verteilt und Doris war froh, wenn sie die gebrauchten Schokoladentassen und Gebäckteller rechtzeitig fand und in die Küche zurückschaffen konnte.

      Da ließ sich ein Smaragdcollier, auch wenn es von bombastischer Hässlichkeit war, schon einmal übersehen.

      „Duchess“, sagte Mrs. Ramsworth und knickste nicht allzu ehrerbietig, „wie schön! Sie sind bei guter Gesundheit?“

      Cora verbiss sich ein Lächeln – jaja, das Violett…

      „Und ihre reizenden Töchter…?“

      „Lady Diane und Lady Cora.“

      Cora knickste höflich, Diane stand stocksteif da. Gerade, dass sie nicht den Kopf in den Nacken warf.

      Mrs. Ramsworth zog ganz leicht die Augenbrauen hoch und lächelte freundlich, dann sagte sie aber doch: „Lady Cora, Sie sind das Leben selbst. Und eine sehr attraktive Robe!“

      Cora knickste noch einmal. „Vielen Dank, Mrs. Ramsworth!“

      „Nun, ich wünsche Ihnen allen viel Vergnügen auf dem Ball…“

      Damit waren sie entlassen, stiegen die zweite Halbtreppe hinauf und erreichten den Ballsaal.

      „Warum hat sie nur dich gelobt?“, zischelte Diane. „Ich bin die Ältere, also bin ich wichtiger!“

      „Das glaubst auch nur du“, zischelte Cora zurück. „Du warst arrogant und sie hat sich über dich geärgert.“

      „Streitet nicht schon wieder“, mahnte die Herzogin, „aber ich muss schon sagen, Diane, du warst nicht höflich. Ein leichter Knicks hätte dir besser zu Gesicht gestanden.“

      „Aber sie hat doch vor dir geknickst!“

      „Du lernst es auch nicht mehr“, murmelte Cora. „Mama ist eine Herzogin und außerdem fast zwanzig Jahre älter als Mrs. Ramsworth. Du bist ein junges Gör und bloß eine Herzogstochter.“

      „Du doch auch“, fauchte Diane prompt.

      „Ja, ich auch. Aber ich benehme mich ja auch entsprechend!“

      „Du dumme -“

      „Diane! Nicht in einem Ballsaal!“

      Tatsächlich warfen einige Gäste, die an den Streitenden vorbeikamen, den beiden etwas befremdete Blicke zu, was Diane dazu brachte, das Kinn unmutig