Catherine St.John

Vornehme Geschwister


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      Die Herzogin segelte mit leutseliger Miene wie eine Königin, die sich unter ihre Untertanen begibt, auf einen günstigen Platz am Rand der Tanzfläche zu und winkte dann gebieterisch ihren Töchtern. Cora sah sich noch interessiert um, während Diane weiterhin versuchte, erhaben zu wirken, und ihr bezauberndes Profil, leider in Verbindung mit einer recht mürrischen Miene, zur Schau stellte.

      Als sie sich setzte und die weißen Spitzenwogen zurechtzupfte, ertönte nicht allzu leises Kichern, aber es war nicht auszumachen, woher es kam. Cora konnte das gut verstehen und flüsterte leise: „Sei nicht so albern, du bist hier nicht der Ehrengast!“

      „Du auch nicht!“

      Lieber Himmel!

      „Das weiß ich doch. Deshalb benehme ich mich auch nicht so affig.“

      „Affig??“

      „Cora, bitte!“ Mama zog eine strenge Miene, die sich aber offenbar auch auf Diane zu beziehen schien.

      Cora zuckte die Achseln und sah sich lieber im Saal um, der sich schon recht gut gefüllt hatte, denn Mutter und Schwester und deren spezielle Seltsamkeiten kannte sie ja wohl zur Genüge, herzlichen Dank!

      Viele sehr junge und ausgesprochen unbedeutende Männer, zwar aufwendig gekleidet, aber manchmal doch so, als müssten sie in ihre eleganten Fräcke erst noch hineinwachsen. Die Frisuren waren freilich stellenweise recht erheiternd, kühne Windstoßfrisuren waren die große Mode und manche Jünglinge versuchten, Backenbärte zu züchten, die leider noch nicht so recht wachsen wollten.

      Gab es hier auch erwachsene Männer? Ohne unkleidsame Barttrachten?

      Sie sah Viscount Lynet, der offensichtlich ohne seine Braut unterwegs war. Ein hübscher Mann, aber schon vergeben. Ob sich seine Miss Herrion wohl darüber ärgern würde, wenn sie davon wüsste?

      Würde sie sich über so etwas ärgern? Vielleicht… ob sie Anlagen zur Eifersucht hatte, hatte sie sich noch nie überlegt. Vielleicht mangels einer geeigneten Situation… ein rascher Seitenblick überzeugte sie, dass Diane immer noch als jungfräuliche Göttin neben ihr saß. Wie die Göttin Diana – wusste sie denn überhaupt, wer die gewesen war?

      Bei solchen Gedanken fand sie sich selbst arrogant. Sie sollte lieber Mitgefühl mit Dianes eher schlichten Geistesgaben haben, nahm sie sich vor und setzte unwillkürlich die dazu passende Miene auf.

      War Diane wirklich etwas dumm oder nur etwas – nun – geistig unbeweglich? Und an Bildung nicht übermäßig interessiert? Sie warf ihr einen prüfenden Blick zu und zuckte leicht die Achseln.

      Viscount Hartford, der sich gerade mit seinem guten Bekannten Lynet über ein neues Kanalbauprojekt unterhielt, hatte Cora einen Moment lang beobachtet und fand ihr rasch wechselndes Mienenspiel recht amüsant.

      Während sie die Frage diskutierten, ob diese Kanalgesellschaft wohl genügend Kapital hatte und ob die Tatsache, dass der Kanal um einen kleinen Berg herumgeführt werden musste, die Kosten nicht beträchtlich erhöhen müsste, tranken sie in kleinen Schlucken Champagner und Gabriels Blick schweifte immer wieder hinüber. Amüsantes Mädchen – vielleicht.

      Benedict de Lys folgte seinem Blick und sagte halblaut: „Ach herrje! Ist die auch wieder da…“

      „Wer?“

      „Die weiße Göttin dort drüben. Ich habe mich ein, zwei Male mit ihr unterhalten und auch getanzt, aber nur, um Cecilia ein bisschen eifersüchtig zu machen.“ Er grinste. „Viel genützt hatte es damals freilich noch nicht…“

      „Und die Dame in Weiß hat Ihnen nicht zugesagt?“

      „Gewiss nicht. Sie ist bildschön, aber sehr von sich eingenommen, recht arrogant und – mit Verlaub – ein arges Dummerchen. Kennen Sie Vilmont?“

      „Diesen jungen Nichtsnutz? Kennt nur Spielen und Trinken? Sein Ruf ist schon in ganz London herum!“

      „Seine Schwester.“

      „Oh! Und die andere? Die in dem Kleid in Silber und Dunkelblau, die ein so lebhaftes Mienenspiel hat? Sie sieht aus, als führte sie ein stummes Selbstgespräch!“

      „Ich kenne sie nicht, aber ich möchte vermuten, dass es sich um die jüngere Schwester, Lady Ca- nein, Cora handelt. Über sie habe ich noch nichts gehört.“

      „Sie ist nicht so schön wie die andere, aber sie wirkt lebhafter. Und sie ist viel origineller gekleidet“, stellte Gabriel fest. „Vielleicht werde ich einmal mit ihr tanzen.“

      Benedict nickte. „Lassen Sie nur die Finger von der anderen. Und hüten Sie sich vor Vilmont. Er ist der Typ, der bei einem Duell vor dem Signal feuert.“

      „Amoralisch? Ich verstehe. Sagen Sie, ging nicht einmal das Gerücht, jemand habe Vilmont die Nase gebrochen? Sie wissen nicht zufällig Näheres?“

      Lynet ließ seine Schnupftabaksdose aufspringen und nahm eine winzige Prise. Ihm gefiel die Geste, leider mochte er den Tabak gar nicht so besonders. „Leider nicht“, sagte er dann und lächelte entschuldigend. Hartford zog die Augenbrauen hoch und nickte. „Ich verstehe.“

      „Tatsächlich?“

      Sie lächelten sich komplizenhaft an, dann ging jeder seiner Wege, Lynet zu den Herren in der Nähe des Kartenzimmers, um Gespräche über Investitionen und einen Grauschimmel zu führen, den er als Zuchthengst einsetzen wollte – und Hartford steuerte auf Lady Cora zu. Thurston war der Familienname, fiel ihm ein.

      Die Herzogin unterhielt sich etwas gönnerhaft mit ihrer Nachbarin, Lady Diane sah sich um, als sei sie unter den Pöbel geraten und Lady Cora lächelte gerade einem sehr jungen Mädchen einige Plätze neben ihr zu.

      Als Hartford sich der Gruppe näherte, richtete Lady Diane sich interessiert auf und sank mit mürrischer Miene in sich zusammen, als dieser attraktive Gentleman ihre jüngere Schwester um deren Tanzkarte bat und sich einen Walzer reservierte.

      Danach verbeugte er sich etwas nachlässig vor der Herzogin, die ihm ein gnädiges Nicken schenkte, und entfernte sich wieder.

      „Oh!“ Diane war empört. „Was fällt diesem Kerl denn ein, mich zu ignorieren?“

      „Vielleicht bist du nicht sein Geschmack?“, spottete Cora.

      „Aber du vielleicht? Das glaubst du doch nicht ernsthaft! Ich bin die Beauté der Familie, das weiß doch jeder!“

      „Geht das wieder los!“, stöhnte Cora. „Ist dir immer noch nicht klar geworden, dass Schönheit nicht alles ist?“

      „Streitet euch nicht, ihr zieht schon die Aufmerksamkeit der Leute auf euch!“, mahnte ihre Mutter.

      „Cora drängt sich in den Vordergrund, das kommt ihr nicht zu!“, petzte Diane sofort.

      „Unsinn, das tut sie nicht. Nun lass sie doch auch einmal tanzen! Du hast doch wirklich keinen Grund, ausgerechnet auf Cora eifersüchtig zu sein.“ Die Herzogin tätschelte Dianes Hand.

      Ausgerechnet auf Cora? Was sollte das denn bitte heißen? Cora schwieg beleidigt und beschäftigte sich angelegentlich mit ihrer Tanzkarte. Fünf Tänze hatte sie bis jetzt vergeben, zumeist an Herren, deren Namen und Aussehen sie schon wieder vergessen hatte. Vielleicht kamen später ganz andere, um sie zum Tanz zu führen? Auffallen würde es ihr nicht… Sie lächelte bei dem Gedanken.

      „Gefällt es Ihnen hier?“

      Das junge Mädchen war einige Plätze näher gerückt.

      Cora lächelte auch ihr zu. „Oh ja! Nicht, dass ich mich nach einem Leben in London verzehrte, aber ein Ball in einem so reizvollen Saal ist auf jeden Fall ein Erlebnis. Es heißt ja, dass Mrs. Ramsworth immer sehr elegante Unterhaltungen veranstaltet.“

      Das Mädchen nickte etwas bedrückt. „Alle sind hier so vornehm! Ich bin ganz eingeschüchtert. Wahrscheinlich werde ich beim Tanzen über meine eigenen Füße stolpern oder meinen Tanzpartner treten. Oh, Verzeihung, mein Name ist Selina Lancourt.“