Catherine St.John

Vornehme Geschwister


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      Vergil und sein Vater husteten kurz. Diane verarbeitete offenbar das Gehörte noch und Cora hüllte sich in Schweigen. Der Geruch nach schalem Alkohol drang bis zu ihrem Platz und verdarb ihr den Appetit.

      Immerhin aß sie von jedem Gang einige Bissen und alles, was ihr als Dessert präsentiert wurde, um sich für die Näharbeiten zu stärken.

      „Ich brauche Geld“, verkündete Horace dann in dem schleppenden Ton, den er offenbar für elegant hielt, und schob sein Schokoladentörtchen auf dem Teller hin und her.

      „Du weißt ja, was wir vereinbart haben“, antwortete sein Vater, der mit gutem Appetit aß. „Du bist der Marquess of Vilmont und verfügst über die Einkünfte aus deinem Marquisat. Solltest du wieder Spielschulden bei Stafford haben – oder andere Schulden – finanzierst du das gefälligst aus deinen eigenen Einkünften!“

      „Stafford!“, schnaubte Horace, nun eher ungeziert. „Wenn es nur das wäre!“

      „Dann lass das Spielen.“

      „Vor allem, wenn man so ungeschickt spielt wie du“, konnte Vergil sich nicht zurückhalten.

      „Wenn du so hohe Einkünfte hast, dann leih mir zweitausend Pfund“, schlug Horace seinem Bruder vor.

      „Ganz gewiss nicht“, wiederholte dieser Coras Ausspruch von vorhin, „meine Einkünfte investiere ich in meinen eigenen Besitz. Deiner ist sehr viel größer – und zweitausend Pfund? Davon könnten mehrere Familien bequem ein Jahr lang leben!“

      „Bauernfamilien!“, warf die Herzogin ein. „Unsereiner hat doch wohl die Verpflichtung, einen etwas repräsentativeren Lebensstil zu pflegen.“

      „Wenn unsereiner die Mittel dafür hat, sollten Sie hinzufügen, liebe Mirabella“, widersprach der Herzog und winkte einem Diener, dass er ihm nachschenke.

      „Ansonsten sollte auch unsereiner seinen Lebensstil nach seinen Einkünften einrichten. Und daran fehlt es in dieser Familie noch weit.“ Der Herzog warf Horace und Diane einen strengen Blick zu, der aber nicht weiter registriert wurde. Cora bezähmte sich und sah die beiden nicht an, Vergil dagegen lachte auf und Horace wandte sich ärgerlich an seinen Vater: „Ich möchte wissen, was das jetzt plötzlich zu bedeuten hat, Sir. Sie spielen doch auch? Und das nicht gerade erfolgreich?“

      Man sah dem Herzog an, dass er diesen Vorwurf als unverschämt empfand, aber er zwang sich zu einer ruhigen Antwort: „Ich habe das Spiel schon sehr eingeschränkt, weil Gaveston solche Ausgaben nicht mehr tragen kann. Und ich habe stets nur in wirklich angesehenen Clubs gespielt und um sehr mäßige Einsätze. Kannst du das von dir auch sagen?“

      Horace brummte etwas Unverständliches; Cora glaubte allerdings, das Wort langweilig gehört zu haben.

      Nach dem Essen, bei dem er dem Wein sehr zugesprochen hatte, verkündete Horace, er werde nach London zurückkehren. „Hier gibt es ja nichts zu tun und ich muss versuchen, in London Geld aufzutreiben.“

      Der Herzog hob eine mahnende Hand. „Du denkst daran, dass Vilmont zum Fideikommiss gehört? Du kannst es weder verkaufen noch beleihen. Und es auch nicht als Sicherheit einsetzen. Ansonsten machst du dich des Betrugs schuldig.“

      „Na und? Ich bin doch nicht irgendwer!“

      „Nein“, antwortete Vergil, „du bist der berüchtigste Tunichtgut der Londoner Gesellschaft. Wirklich ein vornehmes Prädikat!“

      Horace grinste etwas verschwommen. „Dein kleines Gut gehört nicht zum Fideikommiss, oder?“

      Vergil fuhr so auf, dass sein Stuhl umfiel. Im nächsten Moment hatte er Horace an der Kehle gepackt, sodass dessen Halstuch unrettbar ruiniert war. „Wenn du meinen Besitz antastest, bringe ich dich um. Oder“, er legte eine dramatische Pause ein, „ich setze in alle wichtigen Zeitungen eine Annonce, dass mein bankrotter Bruder weder Gaveston noch Vilmont noch Thurston Grange beleihen oder verkaufen kann. Dann musst du dich London nicht mehr blicken lassen!“

      Horace schnappte nach Luft und sah hilfesuchend zum Herzog, aber der hatte sich zurückgelehnt und nahm gerade, das Schauspiel interessiert betrachtend, zierlich eine Prise.

      Vergil ließ seinen Bruder los, nicht ohne ihm genügend Schwung zu verpassen, dass er, rückwärts stürzend, auf dem Hinterteil durch das halbe Speisezimmer rutschte. „Das wirst du bereuen!“, fauchte dieser kurz vor der Tür, rappelte sich ungelenk auf und verschwand türenknallend.

      „Dann sollte ich dieses Schreiben wohl aufsetzen“, verkündete Vergil. „Sie werden die Briefe freimachen, Sir?“

      „Gewiss. Du würdest deinem Bruder aber doch kein Leid zufügen?“

      Vergil grinste. „So dumm, ihn zu erschießen, bin ich nicht, dafür würde ich ja in Newgate gehängt!“

      „Das beruhigt mich. Aber mit Horace wird es noch ein übles Ende nehmen…“

      Kapitel 2

      „Wirklich, Gabriel“, wiederholte die verwitwete Viscountess Hartford, entspannt auf dem blausamtenen Sofa im türkischen Salon ihres Stadthauses am Berkeley Square sitzend.

      Der so Angesprochene seufzte und sah sich in der blaugoldenen Pracht um, bevor er gepeinigt kurz die Augen schloss. „Liebe Honoria, hast du eigentlich auch einen Salon, der für den menschlichen Aufenthalt geeignet ist? Dieser hier ist nur geringfügig weniger furchtbar als das chinesische Horrorkabinett. Was hast du gegen zurückhaltende Farben und klassische Formen einzuwenden?“

      Seine Stiefmutter ging darauf nicht weiter ein, sondern verfolgte ihren eigenen Gedankengang weiter: „Du bist jetzt achtunddreißig! Andere haben in diesem Alter längst die nötigen Kinder – und du? Du hast noch nicht einmal eine passende Frau ins Auge gefasst! Ich weiß ja auch, dass zurzeit nicht viele Veranstaltungen geboten sind, aber auch diese kleine Saison kann eine Möglichkeit sein. Geh doch wenigstens auf einige Bälle und sieh dich ein wenig um! Und wenn du das um deiner Zukunft willen nicht tun willst, dann tu es um meinetwillen. Ich mache mir doch Sorgen!“

      „Immerhin habe ich doch einen Titel, Grundbesitz und ein beträchtliches Vermögen zu vererben? Das wolltest du doch als Nächstes sagen?“ Gabriel Woodley, Viscount Hartford, grinste seine Stiefmutter frech an. „Schließlich ist das ja nicht erste derartige Predigt!“

      „Gegen die wiederholten Predigten gibt es ein ganz einfaches Mittel!“ Die alte Witwe grinste mindestens genauso frech. „Heirate und du hast deine Ruhe!“

      „Ob wohl jemals jemand aus diesem abwegigen Grund geheiratet hat? Hast du vielleicht auch schon eine passende Frau für mich im Auge, Honoria?“

      Diese schnaubte. „Ich denke nicht daran! Natürlich weiß ich, wie die richtige Frau für dich aussehen müsste, aber suchen darfst du sie gerne selbst.“

      Hartford zog die Augenbrauen hoch. „Wie außerordentlich interessant. Wenn du gestattest, werde ich mir, um den Genuss dieser Beschreibung noch zu steigern, einen Brandy gönnen. Du auch einen?“

      „Einen kleinen Sherry, bitte.“

      Als sie ihr Glas hatte und der Viscount sich, einen größeren Brandy in der Hand, wieder bequem in seinen Sessel gesetzt hatte, begann sie: „Nicht zu jung. Kein Gänschen aus dem Schulzimmer. Irgendetwas zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Vernünftig. Eine kluge Gesprächspartnerin.“ Sie grinste. „Ein Hauch von Frauenrechtlerin würde nicht schaden, das hält dich jung und frisch. Aus guter Familie, aber niemand, der dauernd auf seinen Rang pocht. Sie sollte das Landleben ebenso schätzen wie Aufenthalte in der Stadt und imstande sein, einem großen Haushalt vorzustehen. Mitfühlend, aber nicht naiv. Möglichst keine zu unangenehmen Verwandten, aber denen könnte man notfalls aus dem Weg gehen.“

      Hartford trank einen großen Schluck. „Ein Fabelwesen! Du glaubst nicht ernsthaft, dass es eine solche Frau gibt?“

      „Warum nicht? Annabelle Norton ist - nun, besser gesagt, wird - eines Tages eine solche