elmer weyer

Böser Verdacht


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und das wird entweder Deutschland oder Sowjetrussland sein. Der Sieg Deutschlands bedeutet die Erhaltung Europas und der Sieg Sowjetrusslands seine Vernichtung.“

      Harper denk einen Moment nach, und sagt: „Einen Moment noch, sonst vergesse ich was mir gerade durch den Kopf geht. Vielleicht war es aber auch die Ansprache am selben Tag von diesem General Walther von Seydlitz aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft. Natürlich war diese Ansprache nicht im Drahtfunk zu hören. Er sagte, dass die 6. Armee in Stalingrad zugrunde ging, weil sie auf Befehl Hitlers in aussichtsloser Lage einen militärisch sinnlosen Widerstand fortsetze. Hunderttausende von Kameraden wurden geopfert. Es ist nicht unehrenhaft, sondern ein Gebot der Erhaltung des Volkes, wenn verweigert würde den Krieg in derart aussichtsloser Lage weiterzuführen. Man sollte sich nicht auf haltlose Versprechungen verlassen. Dann sagte er noch, dass sie das Vermächtnis der toten Kameraden von Stalingrad erfüllen würden, wenn sie euch den Weg zur Rettung weisen. Die Überlebende von Stalingrad sind diesen Weg vorausgegangen, folgt ihnen zur Errettung und zur Erhaltung unseres Volkes.

      Snyder bemerkt stirnrunzelnd dazu: „Dieser Seydlitz war ein Verräter für beide Seiten. Stalin muss ihn deshalb verachtet haben, und Hitler wollte ihn tot sehen. Er ging im Januar 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er buhlte um die Gunst Stalins, und schlug vor mit freiwilligen deutschen Soldaten, ein Korps von 40.000 Mann zu gründen, um in den Kampf gegen Hitler zu ziehen. Stalin lehnte ab. Im Herbst 1955 wurde Seydlitz in die BRD entlassen. Das Landgericht Verden in Niedersachsen hob erst 1956 das von Adolf Hitler erteile Todesurteil auf.“

      Mit abwinkender Bewegung sagt Harper: „Ich glaube nicht, dass es die Ansprachen Hitlers oder gar der 11 Jahrestag war, die ihn motiviert haben. Vielleicht fühlte er sich etwas sicherer als noch 12 Monaten davor. In Berlin konnte man sehen, wie stark der Feind war und wie die Wahrscheinlichkeit kleiner wurde, das tausendjährige Reich zum Sieg zu führen. Paulus entschied jetzt zu beginnen, und wir wissen nicht warum.“

      Harper gießt sich eine Tasse Kaffee ein und Snyder sagt: „Ich glaube, wenn dieses Kriegstagebuch wirklich interessant für potentielle Leser werden soll, dann sollte darum herum eine Geschichte geschrieben werden. Da muss was hineingeschrieben werden.“

      Harper blickt in fragend an: „Eine Geschichte? Was meinen Sie mit einer Geschichte“.

      Snyder Nimmt noch einen Schluck Kaffee, steckt sich eine weitere Zigarette an, bläst den Rauch in den Raum und sagt: „Zum Beispiel könnte jemand das Buch lesen und seinen Namen darin finden. Paulus nennt viele Namen. Derjenige könnte vielleicht sagen, dass er zu diesem Zeitpunkt längst in die USA emigriert war. Also warum nennt der meinen Namen. Oder es steht ein Geheimnis in diesem Buch. Ein Geheimnis, dass irgendwie wertvoll ist. Zum Beispiel wusste seine Sekretärin über dieses Buch Bescheid, weil er es im Tresor von Contxx aufbewahrte. Als sie eines Tages in seiner Abwesenheit darin gelesen hat, stößt sie auf etwas. Zum Beispiel auf den Hinweis zu dem Ort wo Paulus seine Wertgegenstände hingeschafft hatte, bevor sie den Bomben zum Opfer fallen könnten. Vielleicht hatte er ja auch ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, und hat sie eingeweiht in das Tagebuch. Sie aber war ein Miststück und hat ihn betrogen, in dem sie ihr Wissen nutzte. Sie holte sich die Wertgegenstände und verschwand mit ihnen. Nach Kriegsende kam Paulus an den Ort des Verstecks, und alles war weg. Er hatte sie sofort in Verdacht. Aber, auch sie war weg.“

      Harper winkt ab: „Hören Sie auf Snyder. Paulus war doch kein Typ, der ein Verhältnis mit seiner Sekretärin angefangen hätte. Ja, Sie hätten das gemacht, aber doch nicht er“.

      Snyder weist zurück: „Wieso hätte ich ein Verhältnis mit meiner Sekretärin angefangen sollen. Ich kann mich gar nicht erinnern je eine gehabt zu haben. Außer Mildred. Aber Mildred war keine Frau, mit der man ein Verhältnis haben würde. Sie war fett, nett und sehr fleißig. Das war mir wichtiger als, . . . na ja, Sie wissen schon. Wir haben so ein Sprichwort. Stecke nie deine Feder in firmeneigene Tintenfässer.“

      Snyder fragt interessiert: „Hatten Sie ein Verhältnis mit Ihrer Sekretärin, Harper.“

      Harper erwidert: „Aber natürlich. Und ich habe teuer dafür bezahlt. Und Paulus, falls wir ihn mit einem Verhältnis mit seiner Sekretärin in diese Geschichte schicken, wird ebenfalls teuer dafür bezahlen. Die kostbaren Bilder, der Schmuck, und wer weiß was noch für Sachen, die nach Kriegsende überraschend weggeschafft wurden. Genauso wie seine Sekretärin, die ist auch verschwunden.“

      Snyder schaut auf, schluckt einen Bissen herunter: „Aber sie wurde doch nicht weggeschafft?“

      Harper besänftigt: „Nein, nein. Er ist in ihre Falle geraten. In die Falle einer Frau zu laufen ist nicht schwer, müssen Sie wissen. Ist es Ihnen nie passiert, dass Sie von einer Frau enttäuscht wurden, Snyder?“

      Snyder verdreht etwas die Augen: „Ich bitte Sie, Mister Harper. Ein Mann, der nicht in der Falle einer Frau war, hat das Wichtigste im Leben nicht gelernt.“

      Harper interessiert: „Ach ja, und was ist das Wichtigste?“

      Snyder überzeugend: „Das Lügen.“

      Harper lacht dezent und sagt: „Ich sage Ihnen jetzt wie die Geschichte weitergeht. Paulus kommt natürlich nicht direkt darauf, dass diese Frau ihn bestohlen hat. Aber an dem besagten Ort hat man ihm Auskunft darüber gegeben, dass zwei Tage bevor die Frontlinie dort war, zwei Personen in SS Uniform und eine Frau gekommen sind und Gegenstände aus dem Haus geholt haben. Sie kamen mit einem Kübelwagen. Mehr wusste niemand. Paulus denkt darüber nach. Wer konnte das denn überhaupt wissen. Und dann kommt er auf seine Sekretärin. Aha, denkt er und beginnt auf hoher Ebene Nachforschungen über sie anzustellen. Er bekommt heraus, dass sie sich in einem mondänen Ort an der Côte d'Azur niedergelassen hat. Sagen wir über die Meldebehörden, hat er es herausbekommen. Als er wieder mal einen Geschäftstermin in der Schweiz hat, macht er einen kleinen Abstecher an diesen damals wie heute extravaganten Ort. Und dort kommt es zum Showdown. Was sagen Sie, Snyder?“

      Snyder gähnt hinter vorgehaltener Hand und sagt: „Ich bin müde.“

      Er schlägt vor an dieser Stelle aufzuhören. Harper bestellt für Snyder ein Taxi, und sie verabreden sich für Morgenvormittag hier.

      Kapitel 2

      Donnerstag 12. April 2012 kurz nach null Uhr.

      Das Taxi hält vor Snyders Hotel, nachdem die Fahrt nur 10 Minuten gedauert hat. Bevor er die Lobby betritt, beschließt er noch eine Runde in dem Parkt zu gehen, der ein Block weiter gelegen ist. Er hatte ihn schon vormalig gesehen, aber nicht in diesem Licht. Es ist eine leicht windige, halbbedeckte, schon nach Frühling riechende, trockene Nacht. Der Neumond ist gut zu erkennen, zwischen den unter ihm vorbeiziehenden dunkelgrauen Wolken. Ihr Weiß, zeichnet sich nur an den Rändern ab, dort wo das Licht einen Weg hindurch findet. Dabei malen sie skurrile Umrisse in den Himmel, die in ständiger Bewegung und Veränderung sind.

      Er setzt sich auf eine Parkbank, neben einer müd leuchtenden Laterne. Es ist frisch hier draußen, aber trotzdem öffnete er die Knöpfe des Jacketts. Morgen Nacht wird es in Nordamerika eine Mondfinsternis geben. Das weiß Snyder. Es ist allerdings nicht so, dass er sich für den Mond oder andere astronomische oder gar astrologische Zusammenhänge interessieren würde. Nein. Es ist diese Frau, die ihn interessiert. Sie heißt Susan und er lernte sie vor zwei Wochen im Valentines Mexican Food Restaurant in San Diego kenne. Snyder hat San Diego schon vor fünf Jahren zu seiner Home Base gemacht und ein Appartement auf der Market Street gemietet. Nette Menschen, warmes Klima und gutes mexikanisches Essen.

      Susan erzählte ihm, dass sie auf der ganzen Welt astronomischen Ereignissen hinterher reist und Berichte für einige Internetportale schreibt. Das ist ihr Hobby. Sie lebt vom Vermögen, dass ihr Mann mit Immobilien gemacht hatte, aber leider vor zwei Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Snyder erzählte ihr, dass er freiberuflicher Berater für private Sicherheitsunternehmen sei. Es stünde eine Reise nach Berlin an, aber wenn er wieder in San Diego ist, wird er sie sofort aufsuchen. Susan ist jeden Donnerstag zum Lunch im Valentines. Ihr Psychologe hat seine Praxis in der Market St. Snyder versprach sie im Valentines wieder treffen zu werden. Und