Wilma Burk

Kinder erzieht man nicht so nebenbei


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Konrad blickte besorgt zu mir.

      „Ist schon gut!“; versicherte ich und winkte ab. Dennoch fragte ich mich, ob es jemals aufhören würde wehzutun, wenn ich an mein verlorenes Kind dachte. Lass dich von dem überängstlichen Helmut nicht unterkriegen!“, riet ich Margot. und lachte ihr zu.

      *

      Das Leben in der Stadt nahm seinen geschäftigen Gang. Die trennende Mauer wuchs. Die Männer, die daran arbeiteten, wurden von bewaffneten Grenzsoldaten der DDR schwer bewacht, damit sie keine Gelegenheit finden konnten, über die Grenze in den Westen zu springen. Der Todesstreifen hinter der Mauer zum Osten hin wurde wie eine Schneise durch die Stadt gezogen und immer breiter.

      Doch die meisten Menschen hinter dieser Mauer und diesem Todesstreifen wurden nicht zufriedener mit ihrem ungeliebten Arbeiter- und Bauern-Staat. Bei vielen war der Wunsch zu fliehen mit der immer perfekter werdenden Abgrenzung zum Westen hin nicht zu unterdrücken. Da wurden die abenteuerlichsten Pläne geschmiedet, wie die Grenze überwunden werden konnte.

      „Hast du gelesen?“, fragte mich frohlockend Konrad eines Morgens. „Passagiere eines Ausflugsdampfers haben den Kapitän aus Ost-Berlin betrunken gemacht und das Schiff dann auf das Westufer der Spree zu gesteuert.“ Diejenigen, die in den Westen wollten, sind dort hinuntergesprungen und sicher auch so manch einer, der die Gelegenheit ergriff und vorher gar nicht daran gedacht hatte zu fliehen.

      Man freute sich über jeden, dem so eine abenteuerliche Flucht gelang. Doch leider erfüllten sich auch viele tragische Schicksale an dieser Mauer, wenn einem die Flucht nicht gelang, er gefasst oder sogar erschossen wurde. Wie viele versuchten die Spree bei Nacht zu durchschwimmen und kamen nie am Westufer an, weil auch sie zuletzt noch gefasst wurden oder ertranken. Tunnel wurden gebaut, durch die etliche unter der Mauer durchkrochen. Die Grenzsoldaten der DDR schossen auf wegstrebende Menschen wie auf Hasen. Und alle wollten nur von Ost nach West, niemand kam auf die Idee, die Mauer illegal von West nach Ost zu überwinden.

      Wir hatten uns gerade unseren ersten Fernseher angeschafft. Wie gebannt und erschüttert saßen wir davor und glaubten, dass nicht wahr sein konnte, was wir sahen. Dies alles gezeigt zu bekommen, war doch etwas anderes, als es in der Zeitung zu lesen.

      In Hannover hatte man sich schneller an die neuen Gegebenheiten in Berlin, die Mauer, gewöhnt als wir. Man war eben weit weg, hatte andere Interessen. Da war es wichtig, dass die Räumlichkeiten der Werkstatt langsam zu eng wurden. Traudel hatte eine glückliche Hand für den Betrieb.

      „Sie zieht neue Kunden förmlich an“, betonte Onkel Oskar vergnügt und rieb sich die Hände. „Ihr müsstet mal erleben, wie sie mit einem Kunden verhandelt. Da holt sie glatt den höchsten Preis heraus, und der Kunde meint noch, er bekomme etwas geschenkt.“

      Traudel protestierte sofort. „Übers Ohr gehauen habe ich noch niemanden.“

      „Das habe ich auch nicht gesagt“, betonte Onkel Oskar. Aber schmunzelnd fragte er sie: „Doch wo hat nur deine Tochter Susanne das her? Wenn sie mit ihrem kleinen Bruder um Süßigkeiten feilscht, haut sie ihn glatt übers Ohr.“

      Da lachte Traudel. „Von mir jedenfalls nicht!“

      „Na, etwa von mir?“, wehrte auch Karl-Heinz ab.

      Und alle sahen belustigt zu Susanne, die gerade dabei war, ihrem Bruder die Schokolade abzuschwatzen, die wir für die Kinder mitgebracht hatten.

      Susanne, sechs Jahre alt, war in die Schule gekommen. Ihre Schultüte war fast größer als sie selbst gewesen.

      „Jetzt ist es ja mit ein paar Süßigkeiten - wie bei euch damals - nicht mehr getan. Es muss unbedingt noch Spielzeug dabei sein“, kritisierte Mama.

      Susi bekam nicht nur eine Puppe, sondern auch noch einen neuen Rock und einen Pulli. Sie entwickelte zeitig ihren eigenen Geschmack in der Kleidung. Sie wusste sehr genau, was sie anziehen wollte. Wenn Mama etwas anderes zehnmal praktischer fand, sie weigerte sich, es anzuziehen. Da setzte sie ihren Dickkopf durch und Mama konnte machen, was sie wollte.

      Traudel stand auf Susis Seite. „Zwing sie nicht dazu, wenn sie es nicht will!“, wies sie Mama zurecht.

      „Was heißt hier zwingen? Was ist das für eine Erziehung, wenn Kinder tun können, was sie wollen?“, empörte sich Mama.

      Wieder griff Karl-Heinz beruhigend ein. „Das ist doch nicht so schlimm, wenn Susi hübsch aussehen will. Ich mag es“, redete er Mama zu.

      „Ihr müsst es ja wissen!“, brummte Mama und wandte sich ab.

      Wenn Karl-Heinz etwas sagte, widersprach Mama selten. Wenn er das so wollte, dann war das für sie in Ordnung.

      Das änderte aber nichts daran, dass sie sich bei mir über Traudels seltsame Erziehungsmethoden - wie sie es nannte - beklagte. Wie oft sagte sie am Telefon empört: „Das hätte es bei mir nicht gegeben!“ Sanft versuchte ich dann, sie daran zu erinnern, dass sie schon zwischen Traudel und mir Unterschiede in der Erziehung gemacht hatte, weil sich - wie sie selbst einmal sagte - in den acht Jahren Altersunterschied zwischen uns bereits viel verändert hatte. Wie viel erst musste sich von damals bis heute verändert haben, versuchte ich ihr klarzumachen.

      Karl-Heinz hatte zu tun, die beiden stets aufs Neue zu versöhnen. Doch selbst dann, wenn Mama androhte, sie würde nach Berlin zurückgehen, schien er es zu schaffen.

      Auf Karl-Heinz ließ Mama so leicht nichts kommen, schließlich war er der Mann im Haus. Wenn Traudel mal gegen ihn aufbocken wollte, musste sie sich von ihr anhören, dass sich alles um den Mann zu drehen hätte. Dabei war es ihr egal, dass es Traudel war, die immer mehr den Betrieb schmiss und nicht Karl-Heinz. Dass einer Frau dies gelang, war in dieser Zeit sowieso noch ungewöhnlich.

      „Wo sie das nur her hat?“, überlegte Mama manchmal.

      Wenn Karl-Heinz dann gut gelaunt neckend zu ihr sagte: „Ist sie denn überhaupt von Papa?“, dann konnte sie ihm empört drohen. Aber sie lachte dabei, denn Karl-Heinz nahm sie so leicht nichts übel, er konnte sich das erlauben.

      Wenn Mama auch nicht verstand, weshalb immer mehr junge Frauen glaubten, nur der Beruf könne Erfüllung in ihr Leben bringen, Kinder, Ehe und Haushalt müssten nebenbei erledigt werden, so konnte sie bei allem Streit darum mit Traudel nicht verbergen, dass sie eigentlich sehr stolz darauf war, was ihre Tochter leistete.

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