zum Schiff führte uns natürlich durch den Hafen, der zu dieser Zeit leer und dunkel war. Wir trotteten so vor uns hin, redeten nichts und waren mit unseren Gedanken beschäftigt. Gewohnheitsgemäß sicherten wir dabei unsere Umgebung ab und das war unser Glück.
Gerade wollten wir um die Ecke eines Schuppens biegen, als wir Geräusche hörten. Abrupt blieben wir stehen und lauschten.
Vorsichtig sahen wir um die Ecke und bemerkten im Lichtkegel des Eingangs zum angrenzenden Lagerschuppen drei Männer, die etwas in ihrer Mitte festhielten. Wir erkannten unsere beiden „Kumpel” von eben aus dem „Al Limone”, die einen Mann in ihrer Mitte festhielten, ein dritter Mann stach mit einem Messer auf ihn ein. Sie machten sich dabei keine Sorgen, erkannt oder erwischt zu werden. Der Dritte stach noch mehrere Male auf das Opfer ein und sagte dabei mit ruhiger Stimme etwas auf Italienisch, was wir nicht verstanden. Daraufhin ließen die beiden das Opfer einfach auf die Straße fallen und folgten dem dritten Mann in den Lagerschuppen und schlossen das Tor.
Wir waren geschockt, wie sie brutal und gezielt ihr Opfer regelrecht abstachen. Langsam zogen wir uns von der Ecke zurück und liefen um den Schuppen herum in die andere Richtung. Dieser Weg war zwar länger, aber auch sicherer. An diesem Abend hatten wir mit einem Bier nicht genug, wir betranken uns, um überhaupt schlafen zu können. Dieses Erlebnis verfolgte mich noch Jahre später. Aus unseren jugendlichen Spielereien war auf einmal blutiger Ernst geworden!
Während der weiteren Reise versuchten wir, das Erlebte zu verdrängen. Das klappte auch ganz gut, bis wir Catania wieder anliefen, dort holten uns die Erinnerungen ein. Egal was auch passiert war, wir mussten unseren Auftrag erfüllen. Am Abend gingen wir an Land, suchten uns eine Telefonzelle und wählten die uns mitgeteilte Telefonnummer.
„Pronto?“, meldete sich eine männliche Stimme.
„Hi, here is the organisator”, sprach ich ins Telefon. Die Antwort kam in Deutsch mit italienischem Einschlag:
„Gut, dass ihr euch endlich meldet. Wir treffen uns wieder in der gleichen Kneipe, im „Al Limone”. Ciao!“, gab er mir die Instruktion.
Die Stimme gehörte zu keinem der beiden Männer, die wir vor Wochen im „Al Limone“ getroffen hatten. Sie waren damals also zu dritt gewesen und der dritte Mann hat uns von Weitem beobachtet. Wahrscheinlich war er auch derjenige, der den Mann so kaltblütig abgestochen hatte. Wir hatten beide fürchterliche Angst, aber was soll’s, wir mussten uns dieser Aufgabe stellen, den starken Mann spielen, uns keine Schwäche anmerken lassen und immer cool bleiben.
Langsam gingen wir in Richtung des Rotlichtviertels. Ich hatte den Eindruck, dass wir immer langsamer wurden, je näher wir dem Ziel kamen. Wie beim letzten Mal setzten wir uns ins Freie an einen Tisch nahe am Eingang. Die Zeit verging und nichts passierte. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die wollen uns testen, die wollen uns mürbe machen.
Jetzt war ich froh, dass ich meine Nervosität nicht gezeigt habe. Ich überprüfte mich und meine Körperhaltung schnell und war mit dem Ergebnis zufrieden. Nach außen machte es den Eindruck, als wenn ich gleich einschlafen würde, nur meine Augen gingen in die Runde und beobachteten alles, was sich bewegte. Horst bewegte mir zu viel den Kopf hin und her und ich sagte leise zu ihm:
„Horst, bleib ruhig! Die beobachten uns. Ich gehe jetzt mal auf die Toilette, behalte du unauffällig die Gegend im Auge.“
„O.K. Beeile dich. Es macht mir keinen Spaß, hier alleine rumzusitzen“, sagte er.
Ich stand auf und ging durch den Schankraum auf die Toilette. Auf dem Weg dorthin schaute ich mir alle Gäste genau an und bemerke, dass mich ihre Blicke verfolgten.
‚Mein Gott du spinnst‘, dachte ich, ‚ so wichtig sind wir doch gar nicht.‘ Aber ich kam zu dem Resultat, dass es vier Personen waren, die allein im Schankraum verteilt saßen und uns im Auge behielten. Auf meinem Rückweg bemerkte ich schon von weiten, dass sich draußen was getan hatte.
Zu dritt saßen sie um Horst herum und redeten auf ihn ein, ich setzte mich zu ihnen.
„Gott sei Dank, dass du kommst, die reden und reden und ich verstehe kein Wort“, sagte er zu mir.
Ich schaute den mir noch unbekannten dritten Mann an und sagte zu Horst:
„Du kannst doch deutsch reden, er versteht bestimmt unsere Sprache.“ Der Mann verzog sein Gesicht zu einem Lachen:
„Entschuldigung, aber die beiden sprechen wirklich nur italienisch und etwas englisch.“
„Gut, wie geht es jetzt weiter mit uns? Habt ihr was zu transportieren oder war alles nur ein riesiger Spaß?“, fragte ich ihn mit Ungeduld in der Stimme. Er gab den beiden ein Zeichen, sie standen auf, gingen über die Straße und stellten sich gegenüber in zwei Hauseingänge, um die Gegend im Auge zu behalten. Das machten sie aber bestimmt nicht wegen der Polizei, aber vielleicht gab es ja konkurrierende Gruppierungen.
„O.K., natürlich haben wir etwas zu transportieren und zwar für Rotterdam und Bremen. Wir mussten euch doch erst einmal abchecken, ist doch für uns alle neu und wir kennen uns ja noch nicht“, sagte er unvermittelt zu uns.
„Wann und wo bekommen wir die Sachen?“, fragte ich zurück, ohne näher auf seine Erklärung einzugehen.
„Ihr bekommt sie morgen Abend hier ausgehändigt. Ihr lauft ja erst übermorgen früh aus, da reicht es noch. Es sind zwei Päckchen, wasserdicht verpackt.“
„Gut, dann sehen wir uns also morgen Abend wieder, oder wer übergibt uns die Päckchen?“
„Das machen die beiden dort drüben, die kennt ihr ja schon“, antwortete er mir auf meine Frage.
„Schön!“, sagte ich und stand auf, „ die Getränke übernimmst du doch bestimmt. Danke und ciao.“
Ich gab Horst ein Zeichen, dass er in die Hufe kommen sollte und ging. Ich sah, wie die beiden zu ihm zurückgingen und ich musste mich zusammenreißen, um nicht anzufangen zu laufen. Das fiel mir nicht leicht.
„Man Organisator. Jetzt hätte ich mir aber gleich in die Hosen gemacht“, sagte Horst zu mir. Ich nickte nur und konnte ihm nur zustimmen. Es ist nichts für kleine Jungs, sich mit solchen Typen einzulassen, nur es gab jetzt kein Zurück mehr. Aber warte, bis wir wieder in Hamburg sind, Wolfgang! Dann bekommst du was zu hören. Am nächsten Tag holten wir, ohne uns lange aufzuhalten, die beiden Päckchen ab. Damit die schwarze Gang, eine Spezialeinheit vom Zoll, sie nicht finden konnte, mussten wir sie jetzt an Bord gut verstecken. Denn egal was in den Päckchen war, es würde mit großer Sicherheit illegal sein.
Wir lieferten die Päckchen in Rotterdam und in Bremen ab, in beiden Fällen lief alles über die Briefkästen und ein Telefonat. Dann gab es ein Treffen in einer Kneipe und wir übergaben die Päckchen. In Hamburg angekommen, nahm ich mir Wolfgang zur Brust. Ich wurde etwas laut und blaffte ihn an:
„Du Idiot, konntest du mir nicht vorher sagen, dass wir es mit der Mafia zu tun haben werden? Lässt uns ins offene Messer laufen, du Arsch.“ Ich war so wütend, dass ich am liebsten zugeschlagen hätte.
„Was regst du dich denn so auf, Organisator, Giovanni hat angerufen und gesagt, dass die mit euch voll zufrieden waren. Du sollst ziemlich cool gewesen sein.” Ich funkelte ihn an, drehte mich um und ging. Im Weggehen sagte ich noch:
„Du bist und bleibst ein Idiot, Wolfgang.“
Nach dieser Reise hatte ich mir erst einmal Urlaub verdient, Horst und fuhren zu seiner Oma nach München und stürzten uns erst einmal ins Gesellschaftsleben, machten die Discos unsicher und lebten so richtig.
Durch unsere Kontakte hatten wir auch Zugang zur Promidisco, die in München ganz neu eröffnet hatte. Nebenbei haben wir mal hier, mal da etwas erledigt, haben Kurierfahrten gemacht und Events organisiert. Unser Urlaub stand kurz vor dem Ende, wir hatten schon eine neue Heuer auf einem Schiff nach Südamerika, als mich eine Nachricht von Wolfgang erreichte. Er bat uns nach Bremen zu fahren, um ein Großereignis zu planen und zu organisieren. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und fuhren hoch nach Bremen, um uns mit den Typen zu treffen, die er uns genannt hatte. Wir waren