Karl-Heinz Biermann

Im Zeichen des Rosenmonds


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sie ein Leichtes, festzustellen, ob er wirklich für diese Firma arbeitete, wenn der Fahrzeugschein denn tatsächlich auf eine Firma ausgestellt war.

      „Steigen Sie aus!“, hörte er einen von ihnen rufen.

      Bevor er aus dem Taxi kam, sah er gerade noch, wie drüben der Lkw wegfuhr. Blohm hatte es geschafft und er nicht, und er wunderte sich, dass sich Wehmut bei ihm einstellte.

      „Machen Sie den Kofferraum auf“, befahl einer der Beamten.

      Yusuf schluckte und wollte „bitteschön“ sagen, bekam aber nicht mehr als ein heiseres Krächzen heraus. Er hüstelte, um dies zu unterdrücken.

      „Bitte aufmachen!“ Der Beamte zeigte auf Yusufs Reisetasche und wühlte anschließend darin herum, während sein Kollege um den Wagen ging, jede Tür öffnete und ausgiebig das Innere inspizierte. Yusuf sah durch die Heckscheibe, wie er seinen Kopf hin und her bewegte.

      „Den hier“, hörte er ihn dumpf von drinnen rufen, „kommen Sie her und machen Sie den auf.“

      Er ging hin und sah den einen von Blohms Koffern auf dem Rücksitz. Er konnte ihn öffnen und war froh darüber, er hatte sich schon in Erklärungsnot gesehen. Dann fiel ihm siedend heiß Blohms kleiner Koffer ein, als in diesem Moment der Beamte hinten rief: „Kommen Sie wieder hierher!“

      Yusuf wusste sofort, um was es ging.

      Während er wieder um den Wagen hastete, ärgerte er sich über Blohms Unachtsamkeit. Nie hatte der ihn aus der Hand gegeben und jetzt lag er da, weit hinten im Kofferraum: Blohms kleiner Koffer. Seine Hände zitterten und er spürte, wie weich seine Knie wurden.

      „Öffnen Sie“, verlangte der Beamte scharf.

      Der ist verschlossen, dachte Yusuf. Noch mal, wie bei dem anderen Gepäck, würde er kein Glück haben. Ihm kam Flucht in den Sinn, einfach davonlaufen, erkannte aber gleich die Ausweglosigkeit, da er das Gelände großräumig gesichert vermutete.

      Er bewegte die Schlösser. Sie sprangen nicht auf, so wie er es angstvoll geahnt hatte. Er reagierte mit mutlosem Achselzucken.

      „Schließen Sie ihn doch auf“, raunzte der Grenzer.

      Yusuf kam ganz aus dem Kofferraum hervor. Wieder zog er die Schultern hoch. „Ich hab keine Schlüssel dafür, der Koffer gehört mir nicht.“

      Der Beamte drängte ihn mit einer Schnelligkeit beiseite, die er bei ihm nicht vermutet hätte, und beugte sich in den Kofferraum. Sein Kollege kam hinzu. Der Grenzer reichte ihm den kleinen Koffer hinaus.

      „Gehen Sie in das Gebäude“, sagte er zu Yusuf, als er wieder hervorkam.

      Der mit dem Koffer zeigte auf eine Tür.

      „Dort hinein“, sagte er und Yusuf fand, dass er es milde gesagt hatte. Er ging mit ihm hinüber und an der Tür drehte er sich noch mal zum Taxi um.

      Drinnen wies der Beamte Yusuf an, vor einem Tresen stehenzubleiben, während er den Koffer dahinter in ein Gerät stellte, das Yusuf als einen Durchleuchtungsapparat ähnlich wie auf den Flughäfen erkannte. Es dauerte nicht lange, da rief der Beamte nach jemanden. Yusuf schauderte. Es war offenbar etwas entdeckt worden. Natürlich benutzte Blohm diesen Koffer zum Schmuggeln, nur diese eine Vorstellung fuhr ihm durch den Kopf.

      Ein Mann im grauen Overall kam und wuchtete den kleinen Koffer auf den Tresen. Dann griff er in seine Tasche und zog einen dünnen Stift hervor. Er stocherte in einem der beiden Schlösser des Koffers herum und brachte es in kürzester Zeit fertig, dass es aufschnappte. Mit dem anderen Schloss hantierte er genauso und ging so schnell, wie er gekommen war.

      Mit wichtigem Gesichtsausdruck hob der Grenzbeamte den Deckel an. Yusuf bemerkte dessen diebisches Vergnügen, als er hineinschaute. Er war offensichtlich hocherfreut angesichts der Samtbeutel, die in dem kleinen Koffer lagen.

      Der Grenzer zog das Band an einem der Beutel auf und pfiff durch die Zähne. Er hielt ihn Yusuf hin, der sah hinein und stand wie betäubt da, als er kleine, glitzernde Steine darin erblickte. Dann sah er kopfschüttelnd zu dem Beamten.

      „Kommen Sie, folgen Sie mir“, forderte der Beamte ihn auf.

      Auf dem Tisch in einem Nebenraum legte er den Koffer ab und nahm einen Telefonhörer auf. Yusuf verstand, wie er jemanden respektvoll bat zu erscheinen. Der Grenzer nahm sogar eine etwas stramme Haltung beim Telefonieren an. Als er auflegte, zeigte er stumm auf einen Stuhl und gab Yusuf zu verstehen, dass er sich setzen sollte. Dann legte er ihm Handschellen an.

      *

      „Sie sagen also, dass Sie das Taxi in der Türkei verkaufen wollen.“ Der Mann, der Yusuf gegenübersaß, war nicht in Uniform. Er hatte sich ihm auch nicht vorgestellt. „Handeln Sie neben Autos auch mit Diamanten?“

      „Nein, natürlich nicht“, antwortete Yusuf und ahnte, dass jetzt die Frage folgen würde, warum er dann Diamanten mit sich führte.

      Stattdessen nahm der Mann, der ihn vernahm, zum wiederholten Mal eins der Steinchen und hielt es vor sich ins Licht, um es lange durch eine Lupe zu betrachten.

      „Wenn es nicht Ihre sind, wie Sie sagten, wem gehören sie dann?“

      „Der Koffer lag bereits im Auto, vielleicht ist er von einem Fahrgast vergessen worden.“

      Der Mann sah scheinbar staunend auf. „Und Sie fahren ihn so mir nichts, dir nichts durch die Gegend?“

      „Ich weiß, dass es Ihnen sonderbar vorkommen muss, aber glauben Sie mir doch, ich entdeckte ihn erst auf der Fahrt hierher.“

      „Sie wussten natürlich auch nicht, was drin war.“

      „Wie denn? Ich hatte ja keinen Schlüssel dafür. Ich wollte mich gleich nach dem Verkauf des Taxis um den Koffer kümmern“, jaulte Yusuf.

      Der Mann hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „In den Verkaufspapieren steht der Name eines Händlers in Istanbul. Wir lassen diese Firma gerade überprüfen. Vielleicht handeln die ja mit Diamanten.“ Er lachte herablassend. „Und die Firma, die in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, lassen wir auch überprüfen.“

      Yusuf sackte mit gequälter Miene zusammen.

      Der Mann nahm wieder ein Steinchen und hielt es ins Licht. Er schüttelte dabei leicht mit dem Kopf. Yusuf sah, wie der Stein im Licht glitzerte. Wie dumm war Blohm eigentlich, die Diamanten im Taxi zurückzulassen, ging es ihm durch den Sinn. Das Risiko, dass sie bei einer Kontrolle entdeckt würden, war doch viel zu groß, und dass sie dann das Auto auf den Kopf stellten, lag auf der Hand. Als nächstes entdeckten sie auch noch die Rohre unter dem Auto und er fluchte innerlich über Blohm, wobei ihm einfiel, dass diesem vielleicht ein Fehler unterlaufen sein könnte.

      „Nun gut“, hörte er den Mann sagen, der ihn in seinen Überlegungen unterbrach, „solange die Ermittlungen noch im Gange sind, nehmen wir Sie in Gewahrsam.“

      Yusuf schnellte von seinem Stuhl hoch. „Aber warum? Die Diamanten gehören mir nicht, glauben Sie mir doch endlich.“

      Der Mann griff zum Telefonhörer. Yusuf sank auf den Stuhl zurück. Er fühlte sich erschöpft. Zwei uniformierte Beamte traten wenig später ein und nahmen ihn in ihre Mitte.

      „Überlegen Sie in der Zwischenzeit, ob Sie uns erzählen wollen, woher die Diamanten sind und wohin Sie sie bringen“, rief ihm der Mann hinterher, der ihn vernommen hatte.

      Es war keine Zelle, wohin sie ihn gebracht hatten. Es war ein kleiner Raum mit einem Tisch, zwei Stühlen und einer Liege. In einer Ecke stand ein Kühlschrank und er vernahm das Summen einer Klimaanlage hoch an der Wand. Ein Ruheraum für die Grenzer, dachte er. Aber für ihn war es eine Gefängniszelle, er war eingeschlossen worden, er war ein Gefangener.

      Wie viele Jahre würde er für den Schmuggel von atomaren Sachen aufgebrummt bekommen? Und dann kamen die Diamanten noch obendrauf. Die Vorstellung davon, viele Jahre in einem türkischen Gefängnis verbringen zu müssen, betäubte ihn fast. Plötzlich konnte er nicht mehr denken. Trotz der Klimaanlage kam es ihm in dem Raum stickig vor, er atmete schwer