Arik Steen

Serva II


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finden. Vielleicht würde sie nicht so schön sein. Aber sie wäre dann die schönste Jungfrau, da die Prinzessin dann ihre Unschuld verloren haben würde.

      «Ihr seid pervers!», schüttelte Katharina den Kopf. Alleine der Gedanke, dass der alte Mann sie erneut anfasste, löste in ihr ein ungutes Gefühl aus.

      Noch immer stand Katharina auf dem Balkon. Zacharias schaute sie sich an. Sie hatte ein weißes Kleid an, dass sich perfekt an ihren Körper schmiegte. An ihren schlanken, jungen Körper. Er ging zu ihr hinaus und stellte sich neben sie. Langsam fuhr er ihr mit der Hand über die Wange: «Ihr seid wunderschön. Und ich würde es genießen. Im Namen der Götter!»

      «Das können die Götter nicht wollen!», meinte Tamira. Erinnerungen kamen auf. An ihren Vater. Der sie so oft missbraucht hatte. Sie misshandelt und gedemütigt hatte. Vergewaltigt. Immer und immer wieder.

      «Was weißt du schon, dummes Kind!», sagte Zacharias und schaute sie spöttisch an. Er griff nach Katarinas Kleid und mit einem Mal zerriss er es an ihrem Ausschnitt.

      Die Prinzessin schrie auf. Fasste schnell an die zerrissene Stelle: «Wagt es nicht mich anzufassen!»

      «Oh, Prinzessin. Ihr werdet euch doch nicht gegen den Willen der Götter stellen ...»

      «Ich dachte, ich wäre die Auserwählte und ...»

      Seine schmierigen, alten Finger griffen nach ihr. Er war scharf auf sie. Er war nicht mehr Herr seiner Gedanken. Ja, sie war die Auserwählte. Noch. Aber nicht, wenn sie keine Jungfrau mehr sein würde. Und er wollte sie. Wollte sie mehr als alles andere.

      «Lasst sie in Ruhe!», schrie Tamira.

      «Halt den Mund, du dreckige Göre!», fauchte der Priester sie an: «Der Prinzessin wird wenigstens die Ehre zuteil für einen Mann der Götter die Beine breit zu machen und nicht für ihren Vater wie du ...»

      Seine Worte verstummten. Sein Gesicht verriet Überraschung und Entsetzen zugleich. Er sah Tamira. Wie sie auf ihn zu stürmte. Sah ihre Hände. Sah ihr zorniges Gesicht. Er blickte zur Prinzessin. Noch immer hielt sie ihr zerrissenes Kleid. Auch sie schien verwundert.

      ... und dann fiel er. Er stürzte über die Brüstung. Kein Laut kam über seine Lippen. Er fiel einfach nur und tausende von Gedanken gingen durch seinen Kopf. Sterben, er würde sterben. Für einen Moment lang sah er seine Mutter. Wie sie ihn in den Armen hielt. Wie sie ihn hin und her wog. Seinen Vater. Eine Reitgerte in der Hand ... dann das Kloster, das er als Kind besucht hatte. Weggesperrt im Auftrag seines Vaters. Der in ihm einen Nichtsnutz sah. Die Schule. Die Klosterschule und der strenge Lehrer. Die Weihe zum Priester ... die Ernennung zum höchsten Priester ... und er sah die Prinzessin. Nackt. Wie er sie von hinten nahm. Durchvögelte ...sie drehte sich zu ihm um. Blickte ihn an. Aber ihr Gesicht. Das war nicht sie. Das war Regnator. Seine Augen leuchteten rot. Er war wütend. Und er brüllte ... dann prallte er auf dem Felsen auf.

      «Bei den Göttern. Was hast du getan?», fragte Katharina entsetzt.

      «Ich ... ich weiß es nicht. Ich habe ...», Tamira stotterte. Sie schaute zum Balkon und Panik ergriff sie: «Bei den Göttern. Ich habe den Priester getötet!»

      «Nicht irgendeinen Priester! Den Obersten Priester aller Mani!», die Prinzessin lief aufgeregt hin und her.

      «Sie werden mich töten. Sie werden mich hängen!», jammerte Tamira: «Prinzessin, verzeiht mir.»

      «Sei still!», sagte Katharina: «Hast du ihn Schreien gehört?»

      «Ihr glaubt, er lebt noch?»

      «Unsinn. Aber die Wachen stehen auf der anderen Seite. Vielleicht haben sie es nicht mitbekommen!»

      «Ich verstehe nicht ganz ...»

      «Du musst hinuntergehen. Und den Leichnam wegschaffen!»

      «Was?», Tamira schaute die Prinzessin mit großen Augen an: «Das meint Ihr doch nicht ernst, oder?»

      «Willst du hängen?»

      «Nein!»

      «Dann tu was ich sage. Bring den Leichnam weg.»

      «Aber ... ich schaff das nicht!»

      «Du brauchst Hilfe. Um ihn ganz weg zu schaffen benötigst du Hilfe. Aber erst einmal musst du den Leichnam verstecken. Irgendwo hier in der Nähe!»

      Tamira schüttelte den Kopf: «Ich bin euch zutiefst zu Dank verpflichtet, dass Ihr mich decken wollt. Aber ich habe gerade den Oberen Priester getötet. Die Götter werden mir das nie verzeihen!»

      «Vielleicht war es der Wille der Götter ...»

      «Ja, das war es!», meinte plötzlich eine Stimme an der Treppe.

      Die beiden jungen Frauen drehten sich überrascht um und erblickten die Magd des Priesters.

      «Du hast alles mitbekommen?», fragte die Prinzessin.

      Die Magd nickte: «Ja, das habe ich!»

      Tamira seufzte: «Jetzt ist alles aus!»

      «Wieso?», fragte die Magd und ging dann vor Prinzessin Katharina auf die Knie: «Verzeiht. Es war respektlos von mir Euch nicht angemessen zu begrüßen!»

      «Steh auf!», meinte Katharina.

      «Erlaubt mir, dass ich Eurer Hofdame helfe, den Priester fortzuschaffen!»

      «Warum tust du das?», fragte Tamira: «Ich verstehe das nicht!»

      «Er hat mich vergewaltigt!», meinte die Magd: «Nachdem Ihr, Prinzessin ,im Tempel wart. Ich habe Euch dafür gehasst, Prinzessin. Vergebt mir dafür! Er hatte Euch gewollt und mich genommen. Und dafür habe ich Euch gehasst. Aber Ihr könnt nichts dafür. Und nun hat er seine gerechte Strafe bekommen!»

      «Er hat Euch ...», Katharina schloss für einen Augenblick die Augen: «Er ist unser Oberster Priester ... war unser Oberster Priester. Wieso hat er das getan?»

      «Die Welt ist nicht so, wie Ihr es euch vorstellt!», murmelte die Magd des Priesters: «Und ich glaube nicht, dass die Götter das gewollt haben!»

      «Ich weiß es nicht!», sagte Prinzessin Katharina. Sie glaubte sehr wohl, dass die Götter Entscheidungen trafen, die nicht unbedingt jedem gefielen. Aber der Priester war tot. Ob das nun Sünde war oder nicht, es würde nichts an der Tat ändern, wenn Tamira dafür hängen würde. Ihr graute bei dem Gedanken. Gut, vielleicht würde damit die Schuld bereinigt. Ihre Schuld. Weil ein Leben für ein Leben gegeben wurde. Das war das Ziel der Todesstrafe. Nicht die Buße für die Delinquenten, sondern für diejenigen die zurückblieben. Aber würde sie wirklich Tamira opfern, um ihre eigene Seele zu retten? Nein, das war keine Entscheidung, die sie mit dem Kopf treffen konnte. Und ihr Herz sagte, dass sie Tamira schützen musste. Auch wenn das die Götter erzürnen würde.

      Katharina ging zum Balkon und starrte hinunter. Dort unten waren Felsen. Sie versuchte über die Brüstung zu schauen um besser sehen zu können. Aber den Priester konnte sie nicht sehen.

      «Geht da weg!», bat Tamira: «Bitte!»

      «Keine Angst!», meinte die Prinzessin: «Ich falle schon nicht!»

      «Trotzdem!», die Hofdame zitterte vor Angst.

      «Geht!», meinte Katharina: «Geht und tut, was ihr tun müsst!»

      «Es gibt nur ein Problem!», meinte Tamira: «Die Wachen werden merken, dass der Priester nicht aus dem Turm kommt!»

      «Wir sagen, dass der Priester noch oben bleibt. Irgendwann ist Wachwechsel. Und dann müssen wir hoffen, dass die Wache der Wachablösung nicht sagt, dass der Priester noch oben sein müsste.»

      «Trotzdem. Irgendwann wird man den Priester vermissen und suchen!», murmelte Tamira.

      Die Magd des Priesters nickte: «Ja. Das mag wohl sein. Aber ich werde mir eine Ausrede überlegen. Sagen, dass er abgereist ist. Er reist oft spontan irgendwohin. Und dann hat ihn eben eine Diebesbande ausgeraubt und getötet ...»

      «Wohin