Arik Steen

Serva II


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Offizier schwieg. Er hatte es gesagt. Und keiner hatte ihm zugehört. Aber nun war es ohnehin zu spät.

      «Was sollen wir tun, verdammt?», rief Chantico. Immer mehr seiner Männer fielen. Die Schilde boten kaum Schutz gegen die Pfeile, deren Wucht weitaus stärker war als die der Eigenen. Die Langbogen der Shiva hatten nicht nur eine höhere Reichweite, sondern die Pfeile auch eine größere Durchschlagskraft.

      Der Unteroffizier der Pravin schaute zufrieden in Richtung der feindlichen Linien. Die Pfeile seiner eigenen Leute sorgten für deutlich mehr Chaos. Und nun änderte er die Taktik: «Neues Ziel anvisieren. Fünfzig Fuß hinter den feindlichen Fußsoldaten. Direkt auf deren Schützen!»

      Die Männer gehorchten. Sie legten die Pfeile an, zielten und feuerten. In hohem Bogen kam der nächste Pfeilregen.

      «Verdammt!», schrie Chantico, als er sah, dass die Pfeile in einem anderen Winkel kamen und über die Schwertkämpfer hinweg flogen. Er zog den Kopf ein. Aber die Führungsriege war nicht das Ziel. Die Pfeile flogen über die Köpfe von Chantico, Mixtli und den anderen Offizieren und trafen die eigenen Bogenschützen. Mit schmerzhaftem Verlust. Die Schützen waren vollkommen ungeschützt. Viele Männer fielen augenblicklich zu Boden. Ein Wehklagen ging durch die Reihen der Verletzten.

      «Lasst uns das Feuer erwidern!», schrie Chantico: «Schießt auf die feindlichen Schützen!»

      «Unsere Pfeile reichen nicht so weit!», erwiderte Mixtli. Verzweiflung machte sich breit. Er hatte sich die Sache anders vorgestellt.

      «Was wollt ihr damit sagen?»

      «Dass wir, gottverdammt, nicht so weit schießen können, Feldherr!»

      «Versucht es trotzdem!», schrie Chantico.

      Mixtli schüttelte den Kopf. Aber er gab den Befehl. Und die Pfeile flogen über ihre Köpfe hinweg Richtung Feindeslinie. Sie verpufften zwischen den feindlichen Schwertkämpfern und den feindlichen Schützen im Nichts. Einige wenige Pfeile erreichten zumindest die Gebäude, prallten aber daran ab oder blieben, sofern es Holzhäuser waren, in den Wänden stecken.

      Als Antwort kam eine Salve der Langbogenschützen.

      Mixtli starrte hinter sich. Die meisten seiner hundert Bogenschützen waren tot. Er ritt zu einem seiner Offiziere und packte ihn am Arm: «Reitet los und schickt die nächste Schützenkompanie!»

      «Wir sollten uns zurückziehen und neu formatieren!», schrie der Offizier.

      Mixtli schaute ihn Böse an: «Ihr könnt meinetwegen eure Vorhaut zurückziehen. Aber nicht unsere gottverdammten Truppen. Und jetzt holt die Verstärkung!»

      «Aber ...»

      «Nichts aber! Tut es!»

      Der Offizier gehorchte und ritt los.

      Mixtli drehte sich nun zu seinen Schwertkämpfern um: «Vorwärts Marsch!»

      Er wusste, wenn er jetzt nicht angreifen würde, dann würde sich seine Truppe immer mehr minimieren.

      Die Schwertkämpfer der Nehataner marschierten vorwärts Richtung Stadt. Von den einst fünfhundert Mann waren nur noch vierhundert Mann übrig. Der Rest lag tot oder verwundet an Ort und Stelle. Mit derart großen Verlusten hatte Mixtli nicht gerechnet. Aber er wusste, dass es noch mehr Tote auf der eigenen Seite geben würde, wenn er nicht handelte. Die Armee musste vorrücken. Und er konnte nicht warten bis seine Schützenreihen wieder aufgefüllt waren.

      Er starrte Richtung Feind. Zwischen den eigenen Truppen und der feindlichen Linie lagen noch gut fünfzig Meter. Dazwischen lagen riesige Heuballen, die Bauern dort aufgebahrt hatten. Die nächste Salve von Pfeilen rauschte auf nehatanische Truppe und die Soldaten suchten verzweifelt Schutz hinter dem Heu.

      Der Offizier, der die Schwertkämpfer der Nehataner anführte, suchte ebenfalls Schutz hinter den Heuballen. Er schaute nach hinten und sah wie weitere Männer seiner Einheit fielen. Er musste angreifen. Und zwar schnell. Das Heu gab zumindest die Möglichkeit kurz mal durchzuatmen.

      «Riecht Ihr das, Kompaniechef?», fragte einer der Soldaten.

      Der Offizier schüttelte den Kopf: «Was meint ihr?»

      «Es riecht nach Öl!»

      «Tatsächlich!», murmelte der militärische Führer der Schwertkämpfer. Er schnupperte. Der Soldat hatte recht. Verwirrt schaute er sich um. In der Zwischenzeit hatten sich die meisten seiner Soldaten hinter den Heuballen verschanzt. Bereit weiter anzugreifen.

      «Die Heuballen!», sagte der Soldat erschrocken: «Sie sind ... sie sind mit ...»

      Die nächste Salve von Pfeilen donnerte auf die Einheit herunter. Aber dieses Mal waren es keine gewöhnlichen Pfeile. Die Pfeilspitzen waren mit ölgetränkten Tüchern umwickelt und anschließend angezündet worden.

      «Bei den Göttern!», schrie der Offizier: «Zurück, zurück!»

      Doch es war zu spät. Der brennende Pfeilregen setzte sofort die mit Öl getränkten Holzballen in Brand.

      Lebende Fackeln rannten umher. Soldaten die Feuer gefangen hatten und panisch davonliefen anstatt sich auf dem Boden zu wälzen.

      Mixtli starrte auf das Szenario vor sich. Er hatte die Pravin unterschätzt. Sehr sogar. Er hatte weder die Langbogenschützen erwartet noch diese hinterhältige Taktik mit den Strohballen. Aber es kam noch schlimmer. Nicht nur, dass die meisten Schwertkämpfer die Flucht ergriffen und direkt in seine Richtung rannten, auf der Anhöhe erschienen plötzlich weitere feindliche Soldaten.

      «Ein Gegenangriff!» schrie Mixtli: «Verdammt, ein Gegenangriff in die Flanke!»

      Doch sein Ruf verhallte ungehört. Kaum einer bekam es mit.

      Chantico konnte es nicht glauben. Hinter ihm lag eine halbzerschmetterte Schützenkompanie, vor ihm flohen die Schwertkämpfer in seine Richtung. Einige hatten ihn schon erreicht. Aber er hielt keinen auf. Er blickte einfach nur stumm auf die flammenden Strohballen vor ihm. Dann traf ihn ein Pfeil. Er stürzte zu Boden.

      «Bei den Göttern. Was für eine verfluchte Scheiße!», schrie Mixtli: «Schützt den Feldherrn. Schützt ihn mit Eurem Leben!»

      «Was sollen wir tun?», fragte einer der Offiziere.

      «Übernehmt das Kommando über die Schwertkämpfer. Wehrt den Gegenangriff ab. Ich werde jeden töten, der weiter flieht als bis zu meiner Linie!» Und er machte seine Drohung war. Der erste eigene Soldat, der in Panik an ihm vorbeirennen wollte, wurde mit seinem Schwert niedergestreckt.

      Mixtli starrte auf die Angreifer in seiner linken Flanke. Sie kamen aus dem Nichts: «Bei den Göttern! Wenn schon Scheiße, dann aber auch bitteschön richtig dünnflüssig. Was für ein gottverdammter Dreck! Unsere Flanke wird angegriffen.»

      Der Hauptmann der pravinischen Garnison schrie zum Angriff. Seine Männer rannten auf die nehatanischen Streitkräfte zu. Mit äußerstem Willen ihre Stadt bis aufs Blut zu verteidigen.

      Die Pravin kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. Doch der Feldmarschall hatte schnell den Überblick wiedergewonnen. Der Schock des Gegenangriffes saß tief. Mixtli musste sich aus ihm befreien. Für einen Moment lang schaute er zu Chantico, seinen Feldherrn. Er war verwundet, aber er würde überleben. Rund zwanzig Schwertkämpfer hatten sich um ihn herum positioniert und beschützen ihn. Für einen Moment überlegte Mixtli, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Chantico den Tod gefunden hätte. Vermutlich wäre dann er der Feldherr dieser Armee. Und nicht dieser arschfickende Bruder des Königs. Auf der anderen Seite musste er sich eingestehen, dass er selbst den entscheidenden Fehler in dieser Schlacht gemacht hatte. Und er schwor sich niemals wieder seine Flanke ungeschützt zu lassen. Und genau die galt es nun beim Feind anzugreifen.

      Mixtli gab seinem Pferd die Sporen. Er ritt von den Schwertkämpfern weg Richtung einer seiner Kavallerieeinheiten. Schon von weitem schrie er: «Greift ihre Flanken an. Verdammt noch mal, greift ihre Flanken an! Eine Reiterkompanie links herum und eine rechts herum!»

      Der