Arik Steen

Serva II


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ist, wenn ich mal ...»

      «Wenn du musst?», fragte die königliche Hoheit. Sie schaute ernst drein: «Dann mach über die Reling!»

      «Über die Reling?», Hedda war sichtlich irritiert: «Aber ...»

      «Es gibt kein aber, Hedda! Wir sind mitten auf dem Ozean. Und wenn du groß musst, dann ...»

      «Nein! Muss ich nicht!», wehrte sie ab.

      «Nun, in jedem Fall musst du über die Reling machen!»

      «Lass dir aber nicht von Haien in den Arsch beißen!», grinste Hamdir der Kommandeur.

      Hedda wusste nicht so richtig, was sie von ihm halten sollte: «Haie?»

      «Hör nicht auf ihn!», meinte der Prediger. Er saß in einer Ecke. Zusammengekauert wie ein kleines Paket. Seinen Kopf hatte er gesenkt. Er schaute nicht auf, sondern starrte nur gedankenversunken zu Boden.

      So viel ließ sie zurück. Ihr Land, ihre Vergangenheit, das Ewige Eis. Vor allem aber den Ewigen Tag. Es sollte bald dunkel werden, hatte die Königin verraten. Nicht für allzu lange aber doch so, dass es für ein paar Stunden stockfinster werden würde. Eine unheimliche Vorstellung für Hedda.

      «Erzählt uns, alter Mann. Was erwartet sie? Was erwartet uns?», fragte der Kommandeur und setzte sich neben den Priester.

      Vidolf, der weißhaarige Priester, schaute immer noch nicht hoch. Sondern sprach einfach vor sich hin: «Es ist unsere Aufgabe sie zum Tempel von Deux zu begleiten und sie dort den Göttern zu opfern.»

      «Opfern im Sinne von …», Hamdir stockte und schaute zu Hedda. Er wollte die Worte nicht in ihrem Beisein aussprechen.

      «Nein, ich glaube nicht!», murmelte Vidolf.

      «Ihr glaubt nicht?», fragte Hamdir verwirrt: «Nun, wenn Ihr es nicht wisst, wer dann?»

      «Es gibt eine Gruppe!», sagte Vidolf leise: «Eine geistliche Gruppe, die weitaus höhergestellt ist als wir Priester. Und auch höher als die Könige!»

      «Tatsächlich? Und wer soll das sein?»

      «Es sind die Wissenden!», murmelte der Priester.

      «Nun, wenn Ihr derjenige seid, der nur glaubt, dann ist es gut zu erfahren, dass es auch die Wissenden gibt!», spottete der Kommandeur grinsend.

      «Ihr seid ein kleingeistiger Soldat!», Vidolf schaute nun erstmals hoch: «Die Wissenden sind die Jünger des Großmeisters!»

      «Ihr werdet immer wirrer. Wer ist der Großmeister?»

      «Das ist derjenige, der über uns Priestern steht. Alle sieben Jahre, wenn wir uns versammeln, dann steht er uns vor. Allen Priestern der sieben Länder. Und er alleine hört die Stimme der Götter!»

      «Und die Wissenden, seine Jünger?»

      «Die stehen zwischen dem Großmeister und uns Priestern!»

      «Woher kommen sie? Aus welchem Volk?», fragte Hamdir ungläubig: «Ich höre davon zum ersten Mal.»

      «Weil Ihr nicht zuhört!», murmelte der Priester.

      «Oh, ich höre sehr wohl zu. Aber von einem Großmeister war nie die Rede.»

      «Es sollte für Euch als Kommandeur auch keine Rolle spielen. Wir, die Priester, sind die Sprachrohre des Großmeisters und damit auch der Götter.»

      «Dennoch könnt Ihr mir meine Frage nicht beantworten. Was geschieht mit der Serva? Mit diesem jungen, hübschen Ding?»

      «Wenn ich es wüsste, würde ich es Euch sagen. Aber ich weiß es nicht. Wir haben den Auftrag aus jedem Volk eine Serva zum Großmeister zu senden. Mehr weiß ich nicht!»

      «Nun gut!», nickte der Kommandeur und öffnete seine Tasche. Er holte sich eine Decke heraus und wickelte sich ein: «Dann möchte ich Euch nicht weiter nerven. Wir werden schon sehen, was uns die Zukunft bringt.»

      6

       Außerhalb der Stad Hingston,

       alter Wachturm

      Die Türe zum Balkon war weit geöffnet. Katharina war froh, dass sie so wenigstens einen Ausblick aufs Meer hatte. Knapp zwei Wochen würde sie hier gefangen sein. In diesem Turm außerhalb von Hingston. Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Durch die Türe ging es ohnehin nicht. Die war abgesperrt und zwei Wachen standen davor. Und über den Balkon? Darunter war nur schroffer Fels. Der Turm war direkt an einer Klippe gebaut worden, die hinunter zum Strand führte.

      Aber an fliehen dachte die Prinzessin ohnehin nicht. Wohin sollte sie schon gehen?

      Sie hörte die Türe und hoffte, dass es ihre Hofdame war. Tamira. Und ihre Hoffnung wurde erfüllt. Es war tatsächlich die junge Frau aus dem Veteranenviertel.

      «Ich bin froh dich zu sehen!», meinte Katharina.

      Tamira nickte und legte einen Korb auf den Tisch: «Ich habe Euch Essen mitgebracht, königliche Hoheit!»

      «Danke!», murmelte Katharina und ging hinaus auf den Balkon: «Es ist wunderbares Wetter!»

      «Ja, das ist es wohl!», nickte Tamira: «Übrigens, der Priester kommt. Ich war schneller als er, aber er wird bald da sein!»

      «Was will dieser Widerling?», Katharina schüttelte sich. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie er sie behandelt hatte.

      «Ich weiß es nicht. Er kommt mit seiner Magd!»

      «In die Ewige Verdammnis soll er fahren!», schnaubte die Prinzessin. Ihr Blick schweifte über das Meer: «Eigentlich ist die Vorstellung weiter in den Süden zu reisen gar nicht so übel. Ich habe es mir immer gewünscht. Und nun? Nun werde ich vielleicht dazu gezwungen und schon hat es seinen Reiz verloren!»

      Die Türe ging auf. Schwer atmend kam der Priester hoch. Zacharias, der oberste Priester aller Mani. Mit seinem rauschenden weißen Bart und seiner roten Robe.

      «Was wollt Ihr?», fragte Katharina.

      «Nach Euch sehen!», grinste er: «Ich bin für Euch verantwortlich, königliche Hoheit!»

      «Das seid Ihr nicht!», die Prinzessin drehte sich von ihm weg und schaute erneut auf das Meer.

      Zacharias schaute die Prinzessin von oben bis unten an. Sie war jung. Bildhübsch. Schlank. In ihm tobte ein Kampf. Auf der einen Seite die Verantwortung die schönste Jungfrau zum Tempel zu bringen, auf der anderen Seite seine Gier. Seine unersättliche perverse Gier nach frischem, jungen Fleisch. Viele Jahre war er dieser Lust nicht nachgegangen. Aus Prinzip. Aus Treue gegenüber den Göttern. Aus Verantwortung als Priester. Aber als er die Jungfräulichkeit der Prinzessin geprüft hatte, da war in ihm Feuer entflammt worden. Die Glut war schon immer dagewesen. Sie war in seinem Kopf, aber vor allem in seinen Lenden. Und ihr Anblick hatte diese Glut entfacht. Er hatte seine Magd vergewaltigt. Sie sich einfach genommen. Benutzt wie ein Stück Fleisch. Und es sehnte ihm nach mehr.

      «Es gibt eine Möglichkeit!», meinte der Priester: «Eine Möglichkeit, dass Ihr, Prinzessin, die Reise nicht antreten müsst!»

      «Tatsächlich?», fragte Katharina: «Nennt sie mir. Bitte!»

      «Nun. Wenn Ihr die Auserwählte seid und Ihr Euch Eure Unschuld willentlich rauben lasst, dann wäre das Sünde gegen die Götter. Nicht aber wenn ...»

      «Wenn was?», fragte Katharina.

      «Wenn ein Priester Euch die Unschuld raubt!»

      Katharina erbleichte: «Das meint Ihr nicht ernst?»

      «Oh doch! Das meine ich!»

      «Ihr seid ein ...», sie sprach nicht weiter.

      Er grinste sie an: «Es ist mir egal, was Ihr denkt, königliche Hoheit. Ihr seid ein kleines Mädchen und die Götter mögen Euch Eure blasphemischen Gedanken verzeihen.»

      Tamira starrte den Priester