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Michael Fischer
Seifenoper
Eine Mediensatire
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Inhaltsverzeichnis
Der lachende Produzent und sein trauriger Entertainer
Der wütende Papst und der Prominenten-Jaeger
Kluge kommt in die Klinik und Lollo ins Spukschloss
Cindy führt mit Harry frivole Tischgespräche
Grosse, der große Boss von Studio Wandsbek
Die Insel der Schönen, Berühmten und Reichen
Die Entführung des Entertainers oder kein Glück gehabt
Der Ghost-Writer oder das Gespenst vom Bodensee
Die Idylle auf der schönen Nordseeinsel - trügerisch
Der berühmte Dichter, dem der Freund die Feder führte
Der lachende Produzent und sein trauriger Entertainer
„Eins, zwei. Sprechprobe. Drei, vier. Sprechprobe.“
Harry Gundlach, freier Reporter für das berühmte Hamburger Magazin und andere überregionale Zeitschriften und Zeitungen, hielt sein winziges digitales Aufnahmegerät an und prüfte die Aufnahme.
„Eins, zwei. Sprechprobe. Drei, vier. Sprechprobe“ echote es aus dem kleinen Lautsprecher. Alles o.k. murmelte Harry in seinen grauen, gestutzten Schnauzbart. Und diktierte:
„Am Ende der Zufahrt erscheint das Anwesen des bekannten Fernsehmoderators und TV-Produzenten Alf Franke-Welser, ein, so kann man sagen, postmodernes Gebäude. Es ist ein Kubus, der von spielerischen Elementen wie einem auf vier Säulen ruhenden Portikus vor der Eingangstür geschmückt wird. Geschmückt? Oder eher verschandelt. Egal. Im Parterre glotzen den Betrachter getönte, undurchsichtige Fenster dumm an. Darüber, im ersten und zweiten Stock, hat der Architekt oder welche Berufsbezeichnung auch immer dieser Verunstalter im Namen führt, veritable Bullaugen als Fenster eingesetzt. Bullaugen!“ wiederholte er empört. „Darüber wölbt sich ein rotes Ziegeldach wie eine fernöstliche Pagode. Einfach hässlich, grottenhässlich, das Gebilde.“
Hätte man dem Haus eine rote Schleife umgebunden, hätte es auch als Geschenkkarton für ein süßliches Parfum durchgehen können.
So also sprach der Reporter Harry Gundlach, Hamburg, in sein unscheinbares, fast unsichtbares Minimikrophon, das er wie ein Schmuckstück am Revers seines dunkelgrauen Armani-Sakkos trug. Ein Sakko aus dem Second-Hand-Shop. Darunter trug er ein beiges Polohemd mit dem Krokodil über dem Herzen. Eine schwarze Jeans und ebensolche Slippers vervollständigten sein Outfit.
„Der Farbton das Hauses, Terracotta“, fuhr der Reporter fort, gleicht einem dieser putzigen Anwesen in der Toskana, dem Lieblingsaufenthaltsort des Bauherrn, der es dem TV-Produzenten verkauft hat.“ Der selbst schätzt die raren verborgenen Buchten auf der Balearen-Insel Mallorca. Da ist er seinem Publikum nahe und dennoch ohne peinigenden Kontakt.
„ Also“, fuhr der Reporter in seiner Rede, die er nur für sich selbst und sein kleines Aufnahmegerät hielt, fort: „ Terracottafarben. Die Säulen des Portikus, sehr auffallend, sind weiß gestrichen, richtig unschuldig weiß“, lachte er. „Neben dem Eingang wiegen sich riesige Oleanderpflanzen in dicken Weinfässern leise im Wind. Auch etliche Palmen aus dem fernen Süden. Wir befinden uns hier schließlich im Westen von Mittel-Deutschland. Genauer: Im Saarland. Exakt nahe der kleinen Landeshauptstadt Saarbrücken.“
Warum hat sich der Produzent eigentlich im Saarland angesiedelt, fragte sich der Reporter auf dem Weg von dem schäbigen Provinzflughafen, wo er in einem staubigen Verschlag seinen Mietwagen in Empfang genommen hatte. Die Lufthansa hatte ihn dorthin mit einer klapprigen, engen Turbopropmaschine geschafft, grauslig. Auf dem windigen Hochplateau, wo der Flughafen lag, hatte der fliegende Kasten beinahe noch die Landebahn verpasst.
Also, warum das Saarland? Wegen der Nähe zu Luxemburg, der Wiege des einfältigen Unterhaltungsfernsehens vermutlich, gab er sich selbst als Antwort. Alf Franke-Welser schuf seine Unterhaltungskleinodien sowohl fürs Kommerz-, als auch fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen.
In letzter Zeit sprach unser Reporter gerne laut mit sich selbst, Zeichen beginnender Verkalkung? Ach, egal. Auch das Saarland hat eine Vergangenheit beim Seichtrundfunk, man denke nur an die legendäre Europawelle Saar, erinnern Sie sich an Namen wie Dieter Thomas Heck, Rainer Holbe und den Mann mit dem Sex in der Stimme und im Namen, Manfred Sexauer? Oder Camillo Felgen? Hallo, schon mal gehört? Von Radio Luxemburg, auch nur ein` Steinwurf entfernt, colourful radio Luxembourg. Auch die größte deutsche, ja europäische Fernsehanstalt, ein Hort von Volksmusik und anderen tümlichen Zerstreuungen auf dem Mainzer Erlenberg liegt für Alf Franke-Welser sehr nah, wie alles Gute, wie man so sagt.
Ob sich das Knirschen des schneeweißen Kies`, der die Einfahrt bis hin zum Portikus bedeckte, auf seinem Interviewband wiederfindet, fragte sich der Reporter in dem Moment, als er seinen Mietwagen stoppte. Schnell warf er noch im Innenspiegel einen Blick auf sein Äußeres, das leicht gebräunte Gesicht mit dem grauen, kurzgeschnittenen Bart, den hellblauen Augen, die unter buschigen Brauen hervorlugten. Und strich sich über jenes, was man so hässlich eine Halbglatze nennt. Fünfzig Jahre hatten ihren Tribut gefordert.
Gundlach lugte in die offenstehende Garage neben dem Anwesen, aus der ein Jaguar-Oldtimer blitzte. Den Haufen Blech und Chrom hatte wohl der Butler eben erst poliert. Ja, ja, Alf Franke-Welser hatte eine Schwäche für alte Autos und ganz, ganz junge Mädchen. Lolitas. Lolita, light of my life, fire of my loans. My sin, my soul. Lo-lee-ta. Die Zeile konnte Gundlach tatsächlich auswendig, by heart. Und musste dabei lachen. Nabokov vom Feinsten.
Im selben Moment, in dem er den Schlag des Mietwagens, eines Audi 6, zuwarf, öffnete sich die grellgelb lackierte Tür des schmucken Anwesens und Hausherr Franke-Welser knipste sein berühmtes Plastik-Fernsehmoderatoren-Lächeln an. Dann tänzelte er die paar Stufen hinunter, als wäre es die Showtreppe aus einer seiner Spaß- und Musiksendungen. Er war adrett in dunkelblaues Tuch gewandet, aus dessen Brusttäschchen ein helles Tüchlein lugte. Das einstmals hübsche, ebenmäßige, also nichtssagende Gesicht war von den vielen Aufenthalten auf Mallorca und den Sonnenbänken ledrig geworden und runzlig und rundlich vom steten Tropfen Johnny Walker, still going. Der ging immer, der gute Tropfen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sah der Reporter auf Franke-Welsers Haupt ein dunkelblondes Haarteil schimmern?
„Schön!“, brüllte Franke-Welser mit seinem berühmten, sonoren Bass, der einst beim Radio geschulten Stimme. „Der Reporter von der Frankfurter ist eingetroffen. Treten Sie doch näher, Herr, Herr, wie war noch der Name?“
„Nicht von der Frankfurter, Herr Franke-Welser, vom Magazin. Demjenigen aus Hamburg!“
Die