Michael Fischer D.

Seifenoper


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ist, in Gefolgschaft von einem halben Dutzend Schwestern, kommt es dem immer noch wie in Watte gepackten Ronny vor, darunter Oberschwester Yvonne, sowie Studenten, die neugierig auf den Star und den Zustand seiner Genesung sind.

      Getuschel kann der Patient ausmachen, seine Augen hält er wieder geschlossen, um sich den Anblick dieser neugierigen Meute zu ersparen. Vielleicht auch, weil er einfach noch zu müde ist.

      „Setzen Sie die Beruhigungsmittel langsam wieder ab, Oberschwester,“ vernimmt der Patient noch wie von Ferne, ehe er wieder in den süßen Schlaf hinüber dämmert.

      Der wütende Papst und der Prominenten-Jaeger

      Seit eine Münchner Bank in den achtziger Jahren Pleite gegangen ist, residiert Georg Kapellmann unter der frommen Adresse Kardinal-Döpfner-Passage inmitten der Münchner Innenstadt.

      Den Besucher empfing ein Palais aus dem neunzehnten Jahrhundert, erstellt aus Marmor, Stein und Schmiedeeisen, prunkend mit einem Portal, über dem das Bayern-Wappen schwebte, von dicken Putti gehalten, spätes neunzehntes Jahrhundert.

      An zwei mächtigen Marmorsäulen vorbeischreitend, betrat der Magazin-Reporter Harry Gundlach ein Foyer, das eines Staatstheaters würdig gewesen wäre. Säulen trugen einen Himmel, der von allerlei Getier und ätherischen Wesen bevölkert war. Rechts vom Eingang befand sich eine Loge, wo zwei Pförtner gelangweilt Wache schoben.

      Als der Reporter den weiten Raum betrat, merkte einer von ihnen auf, erhob sich, verließ seinen durch Glas gesicherten Verschlag und trat auf den Eindringling zu, noch lächelnd, noch höflich.

      „Guten Tag, der Herr. Was kann man für Sie tun?“

      Als Harry Gundlach vom Magazin, Hamburg, stellte sich der Reporter vor. Und er habe eine Verabredung mit Herrn Georg Kapellmann.

      „Um diese Zeit?“

      Dabei sah der Pförtner, Herr Matuschke las der Reporter auf einem winzigen Schildchen, stirnrunzelnd auf seine Uhr, ein glitzerndes Rolex-Ding.

      „Um diese Zeit, mein Herr, feiert Herr Kapellmann doch die Heilige Messe!“

      Georg Kapellmann, den sie in der Branche nur Geo den Großen nennen, heißt auch „der Papst“, weil er erstens sich so fromm wie jener in Rom gebärdet, und zweitens, weil er in dem selben Dorf wie der Benedikter-Papst aufgewachsen ist.

      Dort betrieb Georgs Vater das Dorfkino. Geo ist also von Kindesbeinen an mit Kino und Film, der Vorführung in dunklen Sälen, dem Verleih und dem Handel desselben aufgewachsen. Nach dem Krieg ist Geo dann selbst in den Filmhandel eingestiegen, wobei er sein Vermögen mit einem einzigen Film aus dem

      Nachkriegsfrankreich gemacht hat: Kinder des Olymp, ein Werk von betörender Poesie, ein schwarz-weiß Schmankerl für Nachkriegscineasten, noch während des Kriegs in Frankreich von Marcel Carne´ inszeniert. An dem ein wenig der haut gout der Kollaboration haftete.

      Kapellmann wird auch deswegen der Papst genannt, weil er über ein Konglomerat aus verschiedenen Fernseh- , Video-, Phono- und Filmproduktionsfirmen gebietet, auch Geos Kirchen und Kapellen genannt. Einerseits hält er Beteiligungen an Kommerz-Fernsehsendern, Tageszeitungen, Zeitschriften, Frauenblättern und der kunterbunten Unterhaltungspresse; andererseits arbeiten seine Produktionsfirmen vor allem für das öffentlich-rechtliche Fernsehen; eine Art sichere Bank, auf die Geo immer setzen konnte.

      „Eins, zwei. Sprechprobe. Drei, vier. Sprechprobe. Besuch bei Papst Geo dem Großen“, murmelte Gundlach in sein Mini-Mikro, wobei er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

      Im Palais befand sich, extra für den frommen Mann eingerichtet, seine private Kapelle. Tief unten im Keller, wo einst das Allerheiligste der Bank war, der Tresor.

      „Was lachen Sie, mein Herr. Wir sind ein frommes Haus.“

      Ich weiß, ich weiß, nickte der Reporter und fragte nach dem Zeitpunkt seines Rendezvous.

      Wieder dieser grübelnde Blick auf die Rolex.

      In einer Viertelstunde sei er wohl so weit. Der Herr könne so lange in der Halle warten. Wobei Matuschke diesmal vage raumgreifend in eine der vielen Nischen wies.

      Als ob dem Depp dieses alles gehörte, dachte der Reporter, ehe er es sich bei den diversen Hochglanzbroschüren, die von den medialen Aktivitäten von Papst Geo prahlten, gemütlich machte.

      Auf die von weit her gerufene Frage nach einem Kaffee nickte der Reporter zufrieden. Stil hat man hier wenigstens, wenn auch keinen Geschmack. Das Interieur muss ein Dekorateur entworfen haben, der eine heftige Abneigung auf die Gesetze der Geometrie, der Proportionen und die natürliche Ordnung der Dinge gehabt haben muss.

      Als plötzlich Bewegung in die starren Pförtner kam, als sich in der Ferne eine Tür öffnete und Stimmen bis ins Foyer trugen, schien die Messe beendet.

      Amen. Gehet hin in Frieden.

      Es erschien Papst Geo, geleitet von einem in grau gehaltenen Herrn. Seitdem er vom Alterszucker gezeichnet ist, ist Geo Kapellmann fast blind. Also führte ihn sein Begleiter nun direkt auf den Reporter zu, der sich von den Broschüren losgerissen und sich erhoben hatte.

      „Eins, zwei, eins zwei“, murmelte er in sein winziges Aufnahmegerät, „Aufnahme: Der Papst hält Audienz.“ Und ließ es in der Innentasche seines Sakkos verschwinden.

      In Kapellmans Begleitung befand sich ein Dutzend Menschen: Der Pfarrer, der die Messe gelesen hatte mitsamt einem Ministranten strebten geziert dem Ausgang zu. Die anderen, in dunkles Tuch gehüllte Männer und eine Frau liefen zu den Aufzügen. Endlich war Papst Geo beim Reporter angelangt.

      „Herr Gundlach, nehme ich an.“

      Während der nickte, hielt Kapelmann Gundlach die Rechte hin. Geos warme, trockene, traf auf Harrys kalte, feuchte.

      „Gehen wir in mein Büro. Da ist bereits alles vorbereitet.“

      Im Schlepptau der beiden betrat der Reporter einen vierten um die Ecke gebauten Aufzug, der nur dem Papst vorbehalten war. Darin ging es ohne Aufenthalt in den siebten Stock des ehrwürdigen Hauses, zu den Zimmerfluchten, wo Geo Kapellmann seine Wohn- und Arbeitsräume hatte.

      Auch sein Büro, dessen Türen sich magisch öffneten, war mit etlichen Monitoren und Breitwandapparaten vollgestellt. Riesige Lautsprechertürme deuteten auf das Handicap des Gebieters über ein Medien-Imperium hin. Geo Kapellmann war zudem fast taub und konnte nur mit Hilfe einer grotesk großen Brille, in deren Bügel Hörgeräte versteckt waren, hören, eher Geräusche wahrnehmen.

      Als ob er seine Gedanken hätte lesen können, sagte der Medien-Papst:

      „Ich kann meine eigenen Produktionen kaum noch, äh, betrachten, äh, verfolgen, wenn ich mal so sagen darf.“

      Darauf brach er in ein kleines, kokettes Lachen aus, das dem Reporter die Spannung nahm. Eine Spannung die, so oft er auch bereits solcherart Persönlichkeiten besucht und befragt hatte, dennoch sein ständiger, unangenehmer Begleiter blieb.

      „Waren Sie schon dabei, als Ihr Chefredakteur mich und mein Haus vernichten wollte?“, fragte Kapellmann nun kalt und schneidend seinen Besucher. „Beim Magazin, meine ich?“

      „Sie vernichten? Nein, damals war ich noch nicht beim Magazin.“ Und über diese Geschichte wisse er nichts Näheres – außer, dass das Magazin einst, lang ist`s her, über die fruchtbaren Beziehungen zwischen Kapellmanns Firmenkonglomerat und einem der größten europäischen öffentlich-rechtlichen Sender berichtet hatte. Mit eidesstattlichen Erklärungen der Beteiligten. Mit Beweisen der Bestechungen und Bestechlichkeit. Beim öffentlich-rechtlichen Sender flogen daraufhin ein paar Redakteure raus, andere wurden degradiert oder in andere Redaktionen abgeschoben, es gab, so erinnerte sich Gundlach vage, auch einen Selbstmord auf dem Mainzer Erlenberg.

      Bei Geos Firmen hinterließ der Skandal keine Spuren.

      Deswegen auch heute diese gewisse Leutseligkeit des Chefs.

      Wenn das