Michael Fischer D.

Seifenoper


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      „Bravo“, applaudierte Jaeger, „die große Blonde mit den schwarzen Pumps.“

      Nur Harry schwieg sich aus angesichts des Raums, der sich auftat und der ganz in schwarz-weiß gehalten war, wohl, dachte Gundlach, um das Farbenspiel der Bewohnerin optimal zur Geltung zu bringen: schwarz-weißer Teppichboden, zwei weiße Eames-Sessel, zwei schwarze Breuer-Couches, die um einen niedrigen Tisch mit Glasplatte postiert waren. Sah nach Ikea aus. Auf dem drei Champagnerkelche warteten, noch leer, also trocken. Schon wieder die Witwe.

      Endlich schaute Cindy fragend an dem Mann hoch, den Manni einfach mitgebracht hatte. Interessant kam ihr dem Mann vor.

      Cindy hatte das Haar halblang knapp über den Schultern geschnitten, mit einem Pony, der fast auf ihre Augenbrauen fiel. Frisch gefönt und gefärbt, glänzte es wie lackiert. Dunkle Augenbrauen zu blauen Augen, interessant, dachte Harry, wohl ein Überbleibsel aus der brünetten Phase. Das türkisfarbene Kleid, das sie zum Blond trug, blendete die beiden Besucher geradezu in diesem schwarz-weißen Ambiente. An den nackten Füßen trug sie Wildlederpumps der Marke Arche. Eine Sammlerin.

      „Das ist Harry Gundlach. Ein Kollege vom Magazin. Du weißt schon, dem berühmten aus Hamburg.“

      Cindy klapperte nun noch theatralischer mit den dunkel getuschten Wimpern.

      „Der berühmte Harry vom noch berühmteren Magazin? Heute ist ja mein Glückstag“, meinte sie kokett und drehte sich noch mal um die eigene Achse. Dabei wurde ein betörendes Parfum frei gesetzt.

      Harry grinste zu Jaeger, pardon, zu Manni hin. Der Abend lässt sich ja heiter an und verspricht noch mehr. Bei dem Gedanken regte sich etwas in Harry Hose.

      Dann machte sich Harry an eine Besichtigung der Wohnung. Wanderte zum Fenster, das von luftigen weißen Gardinen verhüllt wurde. Schob einen der wolkigen Stoffe beiseite und sah im Hof auf einen riesigen Kastanienbaum in voller Blüte, wie in einem Biergarten, dachte er. Und hatte sofort den Duft von süßen Blüten und von bitterem Bier in der Nase. Dann schlenderte er zu dem gerahmten Poster an der gegenüberliegenden Wand, dem Titelbild einer längst vergessenen Zeitschrift, Twen, an die er sich immerhin noch erinnern konnte. Darauf war eine superschlanke Brünette mit kleinen Brüsten, eigentlich nur dunklen Erhebungen mit harten braunen Nippeln abgebildet. Beim Entziffern der verschiedenen Zeilen auf dem Twen-Titel traf ihn erneut der Hauch jenes Parfums von hinten, Envy von Gucci glaubte er schnuppern zu können.

      Cindy nahte. Sie legte ihm ihre rechte Hand federleicht auf die Schulter und fragte: „Was glauben Sie, wer das wohl ist?“

      „Na, Sie aus dem Schulmädchenreport.“

      Sie knuffte ihn in die Seite und wandte sich von ihm ab.

      „Dein Freund ist ja ein Schelm“, sagte sie zu Jaeger. „Der hat mich tatsächlich identifiziert. Seufz. Ist das lange her.“

      „Dafür sind Sie heute schön blond und haben eine richtige Figur!“, grinste Gundlach und hob den Kelch zum Wohl. „Ich verehre Blonde!“ Ja nie Blondinen sagen!, mahnte er sich.

      „Und ich bin Cindy“, sagte Cindy ins Geklingel der Gläser.

      „Harry“, tat er, und verneigte sich ironisch, um sich den Wangenkuss der Gnädigsten abzuholen. Bussi. Bussi.

      „Wisst Ihr, wer eben bei mir war?“

      Nein, nein echoen die beiden Männer.

      „Ein neuer Liebhaber?“

      Niemals, schmollte Cindy. Der käme sowieso nie in Frage. Der?

      Wer?

      „Claas Bruhn, der Filmemacher. Auch der wollte sich an Ronnys Leid weiden. Will eventuell darüber einen TV-Film drehen. Alles redet nur noch von Ronny.“

      „So soll es sein“, meinte Harry, „genau so.“

      Weil er den Sinn der Rede endlich begriffen hatte, brach Manni in heftiges Gelächter aus.

      „Fahren wir zum Wittukind! Los!“

      Beim Wittukind hatte man den dreien einen Tisch in einer der Nischen reserviert.

      Nachdem sie der Chef persönlich begrüßt hatte, warf ihnen einer der Ober die Menus wie ein Kartenspiel auf den Tisch, danke, danke, keinen Apero, Champagner hatten wir bereits satt.

      Bestellt wurde dann eine Artischocken-Trüffel-Suppe als Einstand, gefolgt von Lammkoteletts auf diversen Gemüsen.

      Danke, heute keinen Fisch. Und nur ein leichtes Dessert, wie wär`s mit Tiramisu?

      Dazu immer den gleichen Wein: Einen Rose´ von der Cote d`Azur, auch wenn sich der Weinknecht zurückhaltend mokiert hatte. Langsam wurden die drei ausgelassener, und machten sich ihrerseits über den Mundschenk, der hier Sommelier hieß, lustig. Der Wittukind hat schließlich beim Robuchon, Paris, New York, Tokio und Abu Dabi gelernt, das merkt man am Service und an der Karte.

      „Genießbar, der Fraß?“, fragte Jaeger seine Gäste aufgeräumt.

      Seine Gäste? Hoffentlich nicht. Es wird schon der Kerl mit dem fetten Spesenkonto zahlen.

      „Noch einen vom Rose´, Mundschenk!“, rief Jaeger quer durch den Saal, der einmal sein zweites Zuhause war. „Aber bitte etwas kühler! Sie wissen es vielleicht nicht, aber der Rose´ wird bei höchsten sieben Grad Celsius verkostet, gell Cindy!“

      Cindy legt das Besteck aus der Hand und dieselbe Manni Promi-Jaeger auf den Arm.

      „Alle reden von Ronny. Tun wir es auch.“

      Einvernehmliches Nicken am Tisch, begleitet vom Klingeln des Silbers. Schon stand wieder der Sommelier bei den Dreien, eine neue Flasche zu entkorken und zu kosten. Rein. Astrein.

      „Sieben Grad Celsius“, meinte der noch, ehe er wieder diskret verschwand.

      „Geo, als ich mit dem noch liiert war“, kam Cindy endlich raus, „also Geo wollte Ronny immer von Franke-Welsers Firma wegkaufen. So, wie sich die Ligavereine die Fußballspieler gegenseitig wegschnappen. Ronny war ja einmal der Kaiser unter den Moderatoren, gell, Manni.“

      „Wie der Einäugige unter den Blinden, gell.“

      Manni nickte und mampfte, also fuhr Cindy fort: „Geo wollte endlich in seinem Laden, in seiner großen Fernsehwelt, auch so einen Magneten, so einen Star, bei dem jeder reinschaut, so einen wie Ronny.“

      Um die Spannung zu erhöhen, probierte Cindy erst einmal von den Lammkoteletts, zart sind die wie Butter. Und wie sie da putzig auf ihrem Bett aus Fenchel, Zucchinischeiben und jungem Lauch liegen! Daneben hatte der Künstler in der Küche ein paar geniale Kringel aus einer Art Soße gemalt, filigran, wie mit einem Einhaarpinsel.

      „Lecker. Geo hat sowohl Ronny eine Stange Geld geboten, wie auch Ronnys Förderer AFW...“

      „AFW?“, fragte Harry doof.

      “Alf Franke-Welser”, fuhr Cindy fort, „also AFW eine Art Ablöse geboten, viel Geld, wie beim Fußball halt. Doch die beiden haben nicht angebissen. Geos Gemischtwarenladen war ihnen wohl zu...“

      „Zu fromm? Zu verstaubt? Sag es schon, spuck es aus. Aber nicht dein Kotelette!“

      Cindy nahm erst noch einen Schluck vom Rose´, der besonders gut zum Fleisch und seinen Beilagen passte.

      „Geo war den beiden Schlaumeiern schlicht zu alt und zu krank. Das hätte nicht zum Image von Jugend und Frohsinn und Blödsinn und Schwachsinn gepasst, nehme ich mal an. Aber ich habe das alles ja nur aus einer gewissen Entfernung mitbekommen. Sozusagen vom Katzentisch aus, wohin mich Geo bei seinen Geschäftsessen immer verbannt hatte“, sagte Cindy bescheiden.

      Katzentisch, Kätzchen, Musch, Muschi, dachte Harry ganz leise, damit es niemand hörte.

      „Und jetzt vermuten wir drei,“ ließ er sich vorlaut vernehmen, „dass sich Geo wegen dieser Verweigerung der Übernahme an Ronny und AFW gerächt hat?“

      „Aber