Michael Fischer D.

Seifenoper


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mir. Sozusagen aus Kollegialität.“

      Es springe auch ein Informationshonorar dabei heraus, fügte er noch an.

      Wieder dieses Jaegersche Kichern.

      „Sie wissen doch, dass ich kein Kollege mehr bin. Mein Kollege ist derzeit mein Bewährungshelfer und der Sachbearbeiter beim Sozialamt“, sagte Jaeger.

      „Was man so hört. Wenn Sie mir helfen...“

      Gundlach hörte, wie Jaeger den Hörer beiseite legte, irgendwo kramte, irgendetwas notierte.

      „Geben Sie mir ihre Mobilnummer. Ich melde mich bei Gelegenheit.“

      „Bei Gelegenheit ist mir zu vage. Meine Nummer müsste auf ihrem Display aufscheinen. Wollen wir uns nicht mal irgendwo treffen? Ich würde Ihnen gerne unter vier Augen von den Recherchen erzählen.“

      „Holen Sie mich morgen um zehn ab. Haidhausen, Sie kennen die Adresse? Ich ahne, worum es Ihnen geht. Der Fall Ronnie A., gell!“

      Aus dem einst feisten Klatschreporter Manni Jaeger war ein hageres Männchen geworden. Das einstmals üppige, dunkle, tief in die Stirn reichende Haar war einer grauen, schütteren Matte gewichen. Keine Lach-, sondern Sorgenfalten zierten Jaegers Gesicht. Jaeger hatte krumm stehende, gelbliche Zähne. Dennoch strahlte er den Reporter aus Hamburg an, als er ihn in der Tür seiner Appartementwohnung in Münchner Stadtteil Haidhausen erwartete. Barfuss stand er dort an der Schwelle, ein mit Essensresten verkleckertes Hemd hing ihm aus der Hose, ein leichter, muffiger Geruch ging von ihm aus, aber der mochte auch aus dem Inneren der wüsten Wohnung kommen.

      „Jetzt erinnere ich mich an unsere Begegnungen. Es waren doch damals mehrere, gell?“ sagte Jaeger und hielt Harry die Pfote hin. „Haben Sie ein paar Jahre später nicht Aufsehen mit einem Roman erregt? Erregt, haha. Erinnere ich mich da auch richtig?“

      Jaegers Worte hallten aus dem Raum hinter ihm nach, als ob die Wohnung gänzlich leer geräumt war.

      Jaeger bat Gundlach herein und führte ihn am Ärmel seines Sakkos durch einen schmalen, dunklen Flur in einen hellen, offenen Wohnbereich. Der schien tatsächlich wie leergeräumt.

      „Der Gerichtsvollzieher hat damals alles mitgenommen, was nach Wert aussah“, erklärte Jaeger seinem Gast grinsend. „Meine Designermöbel, meine Schallplatten, meine Bücher. Die Stereoanlage und Videoanlage. Lediglich den Fernseher hat er mir gelassen, der gute Mann. Der zählt wohl zu den unverzichtbaren Lebensmitteln. Die gesamte Porsche-Küche wurde abtransportiert. Mir blieb mein Bett, ein Tisch, zwei Stühle und eine alte Couch.“

      Von der er eben gerade aufgestanden schien.

      An den Wänden blieben lediglich Jaegers Trophäen: Wohl Hunderte von Prominenten-Fotos, edel silbern gerahmt, Bilder von reichen, schönen und berühmten Menschen, die irgendwann einmal in Jaegers Kolumnen aufgespießt worden waren. Gunter Sachs und Günter Grass hingen dort friedlich nebeneinander, Uschi Glas, Romy Schneider, Alfred Hitchcock, Jack Nicholson. Und etliches Gundlach unbekanntes Personal.

      „Die Großen, Berühmten und Reichen“, kommentierte Jaeger ironisch seine Galerie. Seine Vergangenheit. Mehr war da nicht, dachte Harry. Mitleidig? Nö.

      „Und Geo Kapellmann und Alf Franke-Welser und Ronnie Akkermann sind nicht dabei?“

      „Geo – wer?“, fragte Jaeger grinsend und ließ sein gelbes Gebiss sehen.

      „Georg Kapellmann, genannt Geo, Sie wissen schon. Der Allesfresser aus der Kardinal-Döpfner-Passage.“

      Als Jaeger seinen Gast bat, sich zu setzen, servierte er ihm gleich einen Kir Royal. Champagner, plopp, auf schwarzem Johannisbeerextrakt. Wobei beide einvernehmlich lachen mussten. Waren das Zeiten! Jaeger war jemand, der sein Leben lang über seine Verhältnisse gelebt hatte.

      „Der Sektkühler ist aus dem Haushalt von Gunter Sachs und BB“, sagte Jaeger und zeigte auf die ineinander geschlungenen Monogramme der beiden Berühmtheiten, BB und GS, in einem Herzchen vereint. Auch längst vorbei, diese yellowpress Romanze. GS geht jetzt am Stock und BB füttert ihre tausend Tiere.

      „Um Ihnen ein paar mehr Informationen über die dunklen Seiten des Medienhauses des großen Geo Kapellmann zu verschaffen“, sagte Jaeger wichtigtuerisch, “werden wir uns heute Abend mit einer seiner Ex treffen, o.k.?“

      O. K. nickte der Reporter und sah seinen Kollegen fragend an. Der blätterte bereits in seinem Telefonbuch.

      „Ein fast vergessenes Sternchen. Cindy Mueller-Leile nennt sie sich. Die hat so eine Wut auf Geo, dass sie darüber gerne mit Ihnen sprechen möchte. Ich habe einen Tisch beim Wittukind bestellt. Ein alter Freund von mir.“

      Klar, nickte Gundlach und leerte mit einem Zug sein Glas. Dann lehnte er dankend den Nachschub ab. Für das Rendezvous galt es fit zu sein. Jaeger kippte den Rest hinunter, entschuldigte sich dann und watschelte ins Bad, sich frisch machen. Seinem Gast knipste er noch den Fernsehapparat an, damit der ein wenig Unterhaltung habe.

      Gundlach zappte sich durch etliche Programme, Talkshows am Nachmittag, bis er im Spezial-Programm aus Mainz landete, das die Geschichte um Ronnys Attentat von Tag zu Tag fortstrickte. Er stellte den Apparat lauter und sah einer Runde Experten zu, darunter einem Uniformierten, die sich anscheinend über die Absicht des Attentäters stritten.

      „Ein Verrückter“, hörte man einen finsteren Mann immer zu murmeln, „ein Verrückter, der der muslimischen Welt schaden will.“

      „Aber der Attentäter wurde doch immerhin als aus dem arabischen Raum stammend identifiziert“, warf die Moderatorin ein, eine dümmlich lächelnde Brünette, die etwas Phlegmatisches ausstrahlte. „Oder, Herr Polizeipräsident?“, fragte sie den Uniformierten.

      Woraufhin der eine abwehrende Handbewegung machte.

      „Wir geben erst eine Stellungnahme heraus, wenn sämtliche Umstände abgeklärt sind.“

      Abgeklärt murmelte Gundlach in seinen grauen Bart.

      „Und damit gebe ich zurück in unser Nachrichtenstudio,“ konnte man die Brünette noch vernehmen, ehe Gundlach mit einem Klacken den Fernseher ausknipste.

      Sogleich erfüllte Stille die halbleere Wohnung in dem bunten Münchner Stadtteil. Irgendwo konnte man eine Dusche rauschen hören, der Kerl scheint ja das große Reinigungsprogramm zu machen, dachte Gundlach noch, als der auch schon im schmuddeligen Bademantel erschien und sich das bisschen Haar trocken rubbelte.

      „Nichts Neues unter der Sonne?“

      „Nichts aus Mainz von unserem Freund.“

      Jaeger lachte bei der Bemerkung.

      „Von wegen aller Welt Freund! Der ist im Lauf seiner Karriere so manchem ganz schön auf die Füße getreten. Schenken Sie sich doch noch nach. Das Zeug verliert ja sonst seinen Esprit, gell.“

      „Manni!“, strahlte Cindy, auch von Nahem gesehen eine noch gut erhaltene Blondine um die vierzig, Promi-Jaeger an. „Du siehst aber recht mitgenommen aus. Ziemlich schlecht, wenn ich mal so sagen darf.“

      Dann kicherte sie verlegen ob ihrer Aufrichtigkeit und zuckte die Schultern. Vieles Lachen hatten kleine Fältchen um ihre blauen Augen gegraben, süß sah das aus, fand Harry Gundlach.

      „Cindy! Immer charmant!“, entgegnete Jaeger der Blonden. „Dafür strahlst du wie ein polierter Diamant.“

      Cindy Mueller-Leile, wie sie mit vollem Namen hieß, hatte Promi-Jaeger Harry auf dem Weg hierher verraten, sei eine Sammlerin! Ausrufezeichen!

      Harry schaute verständnislos drein. „Die Sammlerin, la collectionneuse, wie der Film von Eric Rohmer heißt – kennen Sie den nicht ?“, fragte Jaeger.

      Doch, doch nickte Harry.

      „Unsere Sammlerin sammelt Marken und Männer“, grinste Jaeger mit seinem mit einem Mal polierten Gebiss. Hatte er sich im Bad frische falsche Zähne eingesetzt? Cindy sammle Modemarken und Markenmänner, sagte er noch vergagt.

      Indessen