Robin Mayerle

Schatten der Zitadelle


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traute, etwas darauf zu antworten, wollte Broxx noch etwas hinzufügen, aber da erklang zaghaft die Stimme eines Mädchens, nicht älter als zwölf Jahre: „Es tut mir Leid...“ Sie schnappte nach Luft. „Es tut mir wirklich Leid, dir das sagen zu müssen, aber... aber ich glaube ich habe gesehen, wie sie dich und die Bärin in den Kerker geschleift haben. Und sie... sie haben dich eingesperrt, aber deine Freundin haben sie getötet...“

       Sofort überfiel Broxx eine unbeschreibliche Leere. Er wusste, dass er die Antwort auf seine Frage eigentlich gar nicht hören wollte. Dennoch stellte er sie.

       „Du glaubst es oder du weißt es? Es tut mir Leid, aber wenn auch nur der geringste Zweifel besteht...“ „Ich weiß es.“ Das Mädchen senkte betroffen den Blick. Das Herz des Mor’grosh erstarrte in diesem Moment zu Stein. Er konnte nichts fühlen, nichts anderes denken, als dass er Rache wollte.

      Er sprach mit bebender Stimme: „Wenn das so ist... Dann habe ich einen Entschluss gefasst. Ich werde mich diesen Wesen entgegenstellen und jeden Einzelnen von ihnen zur Rechenschaft ziehen, so wahr ich hier stehe.“

       Schweigen trat ein. Die Menge bedachte seine Worte.

       Schließlich sagte jemand ernst: „Dann schließe ich mich dir an.“ Es war ein Ork. Er schien ein Krieger zu sein, denn unzählige breite Narben überzogen seine Haut und er hatte ein Auge verloren.

       Aus zweiter Reihe erschallte es von einem großgewachsenen jungen Menschen: „Auch ich schließe mich dir an, Ork. Es scheint, dass du weißt, was du tust.“

       Eine unscheinbare Waldelfe folgte dem Beispiel ihrer Vorgänger.

       Als Broxx gerade dazu ansetzen wollte, den Vieren für ihre Unterstützung zu danken, meldete sich aus dem Dunkeln hinter ihm eine hellere weibliche Stimme: „Ich schließe mich auch an.“

       Aus der Nacht heraus bewegte sich eine attraktive Halborkin. Sie legte den Finger leicht auf Broxx’ Schulter, während sie um ihn herumging.

       Dann stand sie vor ihm, mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen und fragte ihn: „Na, was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

       Verdutzt stammelte er: „N-Nein. D-Du kanst dich uns natürlich auch anschließen. J-Jeder ist w-will-kommen.“

       Wieder halbwegs gefasst sagte er einige Augenblicke später: „Will sich uns sonst noch jemand anschließen? Wenn nicht, dann sollten wir überlegen, wohin wir die anderen führen. Also...“

      III. Reich der Orks

      Ein langer Abend war zu Ende gegangen und Broxx bereite sein Nachtlager vor. Er pflückte einfach Gras und legte es auf den Boden, um so seine Ruhestätte zu formen.

       Während er an diesem außergewöhnlichen Frühlingsabend in der weiten Aue neben dem Hügel, an dem die anderen ihr Lager errichtet hatten, lag, die Arme stützend hinter dem Kopf verschränkt und gen Himmelszelt blickend, verarbeitete er die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen.

       Mittlerweile war sein Verstand wieder halbwegs klar, auch wenn ihn Thetas Tod sehr belastete. Hätte er den Gedanken nicht weitgehend verdrängt, wäre er mit Sicherheit wahnsinnig geworden.

       Wenigstens im Gespräch über das weitere Verfahren hatten die Überlebenden Ergebnisse erzielen können. Broxx' neue Verbündete, die übrigen Flüchtlinge und er würden den Weg nach Karratosch, der Hauptstadt der Orks und somit dem nächsten sicheren Ort, gemeinsam bestreiten. Die zerstörte Zitadelle befand sich inzwischen irgendwo nahe der Ödlande, in denen die Grünhäute lebten. Sie war in den Wochen von Broxx' Gefangenschaft um einige Meilen weiter Richtung Westen gewandert.

       Persönlich wollte er nach Karratosch, um mehr über diese Kreaturen in der Festung in Erfahrung zu bringen. Die Schamanenältesten der Orks würden sicherlich eine Antwort kennen.

       Dennoch gefiel ihm der Gedanke, die Stadt erneut zu betreten, nicht. Er war nur einmal dort gewesen und damals hatten ihn die Orks nicht gerade zuvorkommend behandelt. Er war ein Ausgestoßener, wertlos in ihren Augen. Einer hatte sogar auf ihn gespuckt, als Broxx an ihm vorbeiging. Viel hielt diese kriegerische Rasse nicht von Mischlingen, spätestens der Bürgerkrieg kurz vor seiner Geburt hatte die Fronten verhärtet. Es würde schwer werden, Hilfe von ihnen zu erhalten.

       Umso mehr verwunderte es ihn, dass sich ihm eine Grünhaut für den Kampf gegen die unbekannten Eindringlinge angeschlossen hatte. Der alte Kämpfer Mrosh wollte wohl noch ein letztes Mal zu einem Abenteuer aufbrechen und Schlachten schlagen. Broxx konnte es ihm nicht verdenken, genoß er doch selbst die Hitze des Gefechts, auch wenn er die friedliche Lösung immer vorziehen würde.

       Und dann war da noch die junge, attraktive Schamanin Margha. Schon am Lagerfeuer hatte sie Broxx' Aufmerksamkeit erregt. Er spürte ein heftiges Kribbeln in Brust und Bauch.

       Warum will sie mich wohl begleiten?

      Er hatte keine Antwort auf seine Frage. Wollte sie vielleicht auch einfach nur ein Abenteuer erleben? Fühlte sie sich angesichts dessen, dass sie und Broxx beide den Mor’grosh angehörten zu ihm hingezogen? War sie vielleicht eine Spionin der Wesen aus der Zitadelle? Oder gar eine Meuchelmörderin?

       Er schüttelte sich. Hör auf, solchen Schwachsinn zu denken, Broxx. Sie will sich wahrscheinlich auch nur dafür rächen, was man ihr angetan hat. Dennoch konnte er sich nicht ganz von dem Gedanken lösen, was sie wohl dazu trieb, ihn bei diesem gefährlichen Unterfangen zu unterstützen. Sich wilde Szenarien ausmalend, wie Margha ihn kaltblütig im Schlaf ermorden oder sich in ein Monster verwandeln würde, schlief Broxx schließlich ein.

       Da war ein Monster! Direkt hinter dem Haus dort. Er hatte es genau gesehen. Seine mächtigen Äxte in den Händen pirschte er sich an die Gefahrenstelle an. Gleich habe ich dich!

      Jetzt sprang er um die Ecke. Und tatsächlich: Dort war es. Riesengroß wie ein Turm und fürchterlich und blutrünstig stellte es sich ihm entgegen. Es war wirklich hässlich. Nein, was redete er da. Er schaute in das Gesicht der Kreatur. Es war er selbst! Aber nur das Gesicht erinnerte noch an Broxx. Der Körper war erheblich gewachsen und sah aus wie eine der Schattenkreaturen aus der Zitadelle. Zumindest teilweise. Einige Flecken seiner normalen, hellbraunen Haut lugten noch aus dem Violett-schwarz des Rests hervor. Nun machte sich das Monster bereit, anzugreifen. Es duckte sich so, als wollte es gleich auf Broxx losgehen, dann stürmte es auf ihn zu. Es war so schnell, er konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen! Er machte sich bereit, zu sterben. Noch ein Meter, dann war es vorbei. Nach einigen weiteren Sekunden nahm er die schützenden Hände wieder vom Gesicht. Vor ihm war kein Monster mehr. Aber dann hörte er ein Brüllen hinter sich und er drehte sich um. Die Kreatur war gar nicht auf ihn zugestürmt. Hinter ihm war Theta, die sich ein Gefecht mit dem Monster lieferte. Oh, meine geliebte Freundin, dachte er. Aber er musste ihr helfen! Da der Monster-Broxx sich gar nicht um ihn zu kümmern schien, packte er seine Äxte fest und sprang auf den Riesen. Er rammte ihm beide Waffen ins Genick. Die Kreatur wollte ihn packen und von seinem Rücken zerren, aber Broxx wich gekonnt aus und nahm die Äxte wieder in die Hand. Dann hing er sich an die Tötungsinstrumente und machte sich so schwer er konnte. Er glitt, das Fleisch des Monsters durchtrennend, nach unten. Der Riese sackte in sich zusammen. So Theta, du bist wieder sicher!“, sagte er stolz zu seiner Freundin und diese knurrte zufrieden.

       Als die Beiden sich abwandten und gemeinsam ihres Weges ziehen wollten, erhob sich das Monster jedoch wieder und blitzschnell warf es sich auf die Gefährten. Broxx dachte, jetzt wäre das Ende doch noch gekommen, aber dann eilte die Mor’grosh Margha zu Hilfe. Sie konnte ihn befreien,, doch für Theta kam leider jede Hilfe zu spät: Die riesige Kreatur hatte sie unter ihrem Gewicht begraben.

      „NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!“, schrie Broxx. Er riss den Oberkörper hoch. Seine Hände griffen ins Leere. Der Schweiß rann ihm von der Stirn. Nachdem er noch kurz wild um sich geschlagen hatte, kam er schließlich wieder zur Besinnung.

      Ach, das war alles nur ein schlechter Traum. Er schlug die Hände vors Gesicht. Aber Theta ist wirklich tot...

      Er vermisste