Robin Mayerle

Schatten der Zitadelle


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seine Wut hinunter.

       „Seid still jetzt“, sagte Broxx energisch. „Wir haben ein ernsthaftes und wichtiges Gespräch vor uns und können keine Streitereien gebrauchen.“

       Er warf ihnen einen mahnenden Blick zu, dann wandte er sich zum Ratsherrn des Kriegshäuptlings, der sie am Eingang erwartete.

       „Was ist euer Anliegen, Mor’grosh?“, fragte dieser etwas unwirsch.

       „Werter Ratsherr“, begrüßte Broxx den Ork, „Wir haben eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit mit dem Kriegshäuptling zu besprechen. Unser Anlass ist ein Angriff von merkwürdigen Kreaturen auf eine Siedlung am Rande der Steppe. Wir führen die Gruppe von Überlebenden des Angriffs. Uns ist es gelungen, aus der Gefangenschaft zu fliehen.“

       Den hochgestochenen Ton hatte Broxx von seinen Eltern und den Weisen seines Stammes gelernt. Im Gegensatz zu den meisten Orks konnte er sogar Lesen und Schreiben.

       „Wir leben wahrlich in stürmischen Zeiten. Man munkelt im Norden hat ein Umbruch der Herrschaft stattgefunden. Die Straßen im Osten zu den Menschen sind unsicher geworden. Und die Spitzohren schotten sich von allem ab. Ich werde euch zum Kriegshäuptling bringen, Halbblut.“ Das Wort Halbblut betonte er besonders und auch ihm lag jener herabwürdigende Blick in den Augen.

       Nun wurden sie durch die Gänge der Festung geführt. Bis auf einige Kriegstrophäen blieben die Wände völlig kahl, was das Gemäuer sehr militärisch und kalt wirken ließ.

       Fünf Abbiegungen später betraten sie den Thronsaal. Auf dem Boden war eine große, lederne Karte von Korrha ausgebreitet, um die einige Orks nachdenklich herumstanden. Anscheinend hielten sie gerade eine Beratung ab. Der Kriegshäuptling saß auf einem steinernen, an den Seiten mit Stacheln besetzten Thron und hörte sich die Vorschläge seine Berater an. Als er die Ankunft der Gruppe bemerkte, bedeutete er den Anwesenden, still zu sein, erhob er sich und schritt auf sie zu.

       „Ratsherr Morghur, wen bringt ihr uns denn da?“

       Als er Broxx anblickte, kniete dieser nieder und senkte den Kopf. Die anderen taten es ihm gleich.

       Der Ratsherr antwortete demütig: „Kriegshäuptling Thrakk, diese Gruppe ersucht Audienz bei euch. Sie sagen, sie seien Flüchtlinge eines Angriffs auf ein Dorf am Rand der Steppe.“

       „Lass sie sprechen. Und ihr anderen: Entfernt euch. Ich kann euch und eure Zankereien nicht mehr sehen!“ Die Ratsmitglieder verließen den Raum. Dann sprach der Anführer mit Erleichterung in der Stimme: „Ihr dürft euch erheben. Erzählt mir, was vorgefallen ist und spart nicht an Einzelheiten. Ein wenig Abwechslung tut mir gut. Nennt mir jedoch erst einmal Eure Namen.“

       „Ich bin Broxx, Sohn des Garthrak, Herr. Meine Begleiter nennen sich Elune, Lurd und Margha, Tochter der Nathanee. Und Mrosh Einauge dürftet ihr sicher kennen.“ Als Thrakk anerkennend nickte, fuhr er fort. „Wir kommen alle aus unterschiedlichen Gegenden, aber uns verbindet, dass wir in einem Menschendorf, am Rand zu eurem Reich von Kreaturen entführt wurden, die wie ein Bündnis aller Rassen Korrhas wirken. Allerdings sind sie vollkommen schweigsam und ihre Hautfarbe schimmert seltsam violett.

       Mir gelang es, mich und die anderen zu befreien und den Anführer der schwebenden Festung, in der wir gefangen waren, zu töten. Meiner Ansicht nacht... handelte es sich um einen Maleficar.“

       Nachdem der Kriegshäuptling eine Weile geschwiegen hatte, sagte er nachdenklich: „Beunruhigend. Ich glaube Euch, Mor’grosh, und den Geschehnissen muss nachgegangen werden. Dennoch kann ich Euch nicht behilflich sein. Ihr wisst vermutlich, dass meine Leute eine gewisse Abneigung gegen Euren Volksstamm hegen. Sie halten euch für schwach und unwürdig.“ Er sah Broxx direkt in die Augen, der die Weisheit in denen seines Gegenübers erkennen konnte. „Ich jedoch bin anderer Meinung. Euer Volk und mein Volk sind im Wesentlichen gleich.

       Leider haben uns Arroganz und Unbedachtheit entzweit und ich kann diese verbreitete Meinung nicht ändern. Aber zumindest werden wir die Schamanen befragen. Nun…“ – BUMM.

      Ein lauter Knall schnitt ihm das Wort ab. Feine Bröckchen regneten von der Decke und durch ein Fenster drang Rauch in den Raum.

      Nachdem sie den Schock überwunden hatten, kam ein dunkelhäutiger Ork in den Thronsaal gehetzt. „Ein Angriff...Aus der Luft…Mitten in der Stadt…Explosion…dunkle Gestalten“ keuchte er. Dann brach er zusammen. Ein Pfeil steckte in seinem Rücken.

      Ruhig sagte der Kriegshäuptling: „Nun, es scheint wir haben ein Problem. Im Untergeschoss des Gebäudes ist es sicher. Dort könnt ihr euch ...“

      „Nein“, unterbrach Broxx ihn. Wir kämpfen an eurer Seite.“

      Thrakk nickte nur, der Ernst der Situation stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Dann kommt.“

      Sie eilten ins Freie, wo Krieger aus der ganzen Stadt zum Schauplatz des Geschehens strömten. Sie folgten einfach den anderen.

      Schon von Weitem konnte man erkennen, was passiert war:

      Ein großes Loch klaffte in der Festung gegenüberliegenden Berg. Daraus strömten unzählige Schattenkreaturen jeder Form und Größe auf die notdürftig errichtete Verteidigungslinie zu. Die Orks bildeten heldenhaft eine Mauer aus Leibern gegen den Feind und metzelten erbarmungslos alles nieder. Wenn einer fiel, rückte eine andere Grünhaut nach.

      Schon von Weitem begann der Kriegshäuptling seine Befehle brüllen.

      Augenblicklich begannen einige Orks, alles zu sammeln, was nicht niet- und nagelfest war, um daraus eine Barrikade zu errichten.

      Broxx und seine Gefährten reihten sich in die Verteidigungslinie ein. Er zog seine beiden Äxte, Lurd und Mrosh ihre Schwerter, die Elfe Elune legte die Sehne ihres Akazienbogens an und Margha konzentrierte sich, um ihre schamanistischen Kräfte jederzeit abrufen zu können.

      Lange blieb ihnen auch nicht Zeit sich vorzubereiten, denn ständig strürmten neue Feinde auf die Verteidiger zu und versuchten, einen von ihnen auszuhebeln, um hinter die anderen zu gelangen. Doch alle wurden sie rechtzeitig gestoppt. Jeder aus der Gruppe brachte den Tod über unzählige Gegner, jeder auf seine Weise.

      Aber das Aufgebot an Kreaturen nahm kein Ende, die Reihen der Orks lichteten sich und langsam wurden sie müde.

      Zu allem Überfluss verließen nun auch drei große Schatten den Krater und schwangen ihre mächtige Keulen und Ketten.

      Broxx brüllte: „Lurd, Mrosh, ihr nehmt euch den Rechten vor, Margha Elune, schnappt euch den Linken, ich gehe auf den in der Mitte!“

      Ohne eine Antwort abzuwarten rannte er auf seinen Feind zu. Die Wesen waren etwa dreimal so groß wie der Mor'grosh, die Schädel ähnelten denen von Ogern, hinten rund, ein langes Maul, die schwarzen Hörner eingedreht, die raubtierähnlichen Kiefer waren mit Reißzähnen besetzt, alles in allem kamen sie etwas zu wild geratenen Ogern gleich.

      Die muskelbepackten Arme ließen eine schwere Eisenkette auf den nahenden Halbork zuschnellen.

      Doch er wich dem Angriff gekonnt zur Seite aus, der Einschlag hinterließ eine fußtiefe Spur im Boden.

      Broxx machte sich bereit, auf den Schatten zuzuspringen, aber dann umschlang etwas seine Beine und er stürzte auf den harten Fels. Die Kreatur hatte die Kette blitzschnell umschwenken lassen und ihn schwer getroffen; und sie war bereits im Begriff erneut auf den Mor'grosh einzuschlagen. Der konnte sich gerade noch rechtzeitig sammeln und verhindern, zweigeteilt zu werden.

      Hastig griff er seine beiden am Boden liegenden Äxte und versuchte in die Nähe des gehörnten Ungetüms zu gelangen, doch dieses hielt ihn mit gezielten Hieben auf Abstand. Einige Male kam er beinahe auf Schlagreichweite heran, aber das Monstrum schaffte es immer wieder, ihn von sich fernzuhalten und streifte ihn immer wieder so mit der Kette, dass er nicht wenige Platzwunden und Blutergüsse davontrug.

      Jetzt wurde es ihm zu viel. Er versuchte mit einer wilden Schlagabfolge die Beine seines Gegners zu verletzen, doch dieser war schneller. Dessen Faust traf ihn hart am Körper und schleuderte ihn mehrere Meter durch die Luft, sodass er schließlich am Boden schleifend nach und nach zum Erliegen kam.