Tekla Reimers

Liebesleben und Geschlechterkampf


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indem er die weiblichen Signalreize zu sehen bekommt: einen nackten Busen, üppige Kurven und schwellende Schamlippen. Der Erfahrungshintergrund dieser sexuellen Szene aus dem alten Sumer, an der Wiege europäischer Kultur, ist auch für den heutigen Mann erwiesen: die optischen Signale, roter Brustwarzen auf rundlichen Fettpolstern und präsentierter Vulva, lösen zuverlässig männliche Sexualerregung aus. Im Test ist meist Pupillenerweiterung gemessen worden, was eine ebenso unwillkürliche Reaktion ist, wie die Erektion.

      Durch aufrechte Körperhaltung des Menschen bleibt das weibliche Sexualorgan normalerweise zwischen den Beinen unsichtbar. Da es keine Brutsaison gibt, kein Brunstsignal und erwachsene Menschen allzeit paarungsbereit sind, ist ein zusätzliches Signal sexueller Reife im Naturzustand der menschlichen Gattung von der Selektion begünstigt worden. Es vermag männliche Sexualpartner auf Sichtweite anzulocken und ermöglicht Männern unfruchtbare Kopulationen zu vermeiden, insbesondere den Werbungsaufwand an Zeit und Energie für zu junge Frauen. Allein aus dem Körper deutlich hervorragende Brüste machen die weibliche Reife und potenzielle Fruchtbarkeit auf größere Distanz erkennbar. Sie wirken als wichtigster Bestandteil der weiblichen Stundenglas-Kurven. Ihre optische Wirksamkeit hängt wesentlich von der Nacktheit des menschlichen Körpers ab. Unter der üblichen Fellbedeckung von Affen wären sie kaum sichtbar. Daher werden weibliche Fettpolster an Brust und Steiß als Resultate einer Sonderevolution des Menschen interpretiert, deren Ursprünge allerdings weit in unser tierisches Erbe zurückreichen - etliche Äffinnen zeigen nämlich ebenfalls unbehaarte Brüste, allerdings ohne rote Warzenhöfe. In Zeiten, wo sie ihre Kinder nähren, tragen sie die milchprallen Brustdrüsen als spitze oder kugelförmige Anhängsel vor sich her. Rund und schimmernd ragen sie aus dem Fellsack des Affenkörpers hervor, ganz wie jene weithin leuchtenden ‘Paradiesäpfel’, womit so oft die Brüste der Frau poetisch umschrieben werden.

      Die nährende und lusterfüllende Funktion der weiblichen Brust lässt sie sehr geeignet erscheinen dem erwachsenen Mann Gelegenheiten zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse anzuzeigen. Wenn Kinder bis zum Alter von drei Jahren gestillt werden - was in Gesellschaften der Jäger und Sammler üblich ist und bis in die Neuzeit regelmäßig vorkommt bei Armut, Krieg oder Mangel an Nahrungsmitteln - dann muss sich der Anblick eines vollen Busens ihrem ursprünglichsten Empfinden nachhaltig einprägen als Gelegenheit zu totaler Befriedigung. Runde Brüste können vor diesem frühkindlichen Erfahrungshintergrund als Symbol für Sättigung, Fülle und mütterliche Liebe wirken, eine Versicherung gegen Hunger, Mangel, Stress - die ursprüngliche Quelle von Lust und Zufriedenheit in einer ungewissen Welt.

      Bildliche Darstellungen zeigen den Busen als zentrales Merkmal weiblicher Attraktivität durch alle historischen Epochen seit der frühen Steinzeit. In etlichen Kulturen rangiert er als zweithöchstes Schönheitskriterium gleich nach dem Gesicht, von Dichtern besungen, von Malern und Bildhauern verewigt. Mal offen zur Schau getragen, mal halbbedeckt und künstlich verziert, mal betont durch figurbetonte Kleidung, entfaltet er immer die gleiche anziehende Wirkung auf das männliche Geschlecht.

      Jedoch variieren die Vorstellungen darüber welche Form und Größe der Brüste am reizvollsten seien: Oft gilt einfach der Größte als der Schönste. Heutzutage wird der Stehende am meisten begehrt. Weil das, wegen der Schwerkraft, technisch nur bei mittelgroßen Brüsten vorkommen kann - regelmäßig also solchen, die nicht gestillt haben - bedeutet es: die Jungfrau zur Norm weiblicher Schönheit zu machen. Mit historischen Wandlungen des Frauenideals zwischen Urmutter, Lustobjekt und Spielzeug oder Gefährtin wechseln auch die männlichen Vorlieben an Busenformen. Riesenbrüste, wie sie den alt-steinzeitlichen Venusfiguren bis zum Bauchnabel hängen, finden moderne Männer höchstens ausnahmsweise einmal attraktiv - zur Befriedigung urmütterlicher Fantasien. So für länger, schwebt ihnen doch eher eine Frau vor, die nicht ständig durch zwei schwerfällig nebenher pendelnde Gewichte beim Laufen, Springen und allen möglichen Bewegungen behindert ist.

      Etliche moderne Frauen mit hinderlicher Busenfülle, von mehr als Körbchengröße F oder G, fühlen sich dermaßen unwohl damit, dass sie ihre Fettpolster operativ verkleinern lassen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich einsehen, warum die Evolution von Busengröße über ein C-Körbchen hinaus zwar natürlich, aber trotzdem nicht zweckmäßig ist. Biologen fanden die roten Brustwarzenhöfe als wirksame Auslöser der männlichen Sexualerregung. Hervorgehoben durch die wippenden Fettpolster der weiblichen Brüste wird ihre Reizwirkung intensiviert. Die Busenevolution der Frau unterlag demzufolge einer Selektion für Signalübertreibung, bei Europäern manchmal sogar über das bewegungstechnisch günstige Maß hinaus. Behinderungen der betroffenen Frauen können ausgeglichen worden sein durch die erhöhte Attraktivität übergroßer Brüste und vermehrte Nachkommenausbreitung, von Kindern, die ebenfalls eine Veranlagung zu großen Fettspeichern unter den Brustwarzen hatten und weiter vererbten.

      Tatsächlich variiert die Busenfülle ethnisch sehr: Der Zipfelbusen ist eine afrikanische Variante; üppige Busen von rundlicher Gestalt sind unter Europäerinnen häufig; Asiatinnen haben insgesamt weniger Fettdepot an dieser Stelle. Da jedoch die Brustwarzen aller geschlechtsreifen Frauen durch irgendeine Form östrogenvermittelter Fettansammlungen hervorgehoben sind, muss der Busen als Übertreibung eines weiblichen Signals vor allen heutigen Varietäten des Homo sapiens entstanden sein.

      Seine genetisch und hormonell gesteuerte Vermehrung bis zu hinderlichen Größen, kann aber erst später selektiert worden sein, in Sozialverbänden wo Mütterlichkeit hoch geschätzt wurde und auch besonders beschützt. Falls hochrangige Männer Frauen, mit üppigeren Brüsten, als Sexualpartnerinnen vorzogen und langfristig mit ihnen zusammenblieben, genossen diese Frauen selbst einen gewissen Schutz, mussten nicht mehr so behände flüchten, und sie hinterließen wahrscheinlich mehr Nachkommen als ihre weniger attraktiven, flachbrüstigen Rivalinnen. In historischer Zeit gibt es für einen derartigen sexuellen Selektionsmechanismus durch männliche Wahl vielfältige Belege: Wo sich Stammesoberhäupter, Fürsten und Könige viele Frauen einhandeln konnten, gab es immer einen Zusammenhang von weiblichem Liebreiz, weiblichem Rang und Kinderzahl. Wenn unter solchen sozialen Verhältnissen weniger attraktive Frauen mit ärmeren oder untüchtigeren Männern vorlieb nehmen mussten, konnten sie auf Grund karger Lebensbedingungen in der Regel weniger Kinder aufziehen.

      Insgesamt gab es beim Homo sapiens keine Evolution sexueller Reize auf einem der beiden Geschlechter. Männer sind, ebenso wie Frauen, natürlicherweise mit übertriebenen sexuellen Signalen in Form wippender und farbiger Anhängsel verziert. Brüste und Penis pendulus wirken auf das je andere Geschlecht sexuell anziehend. Obschon eigentlich Handikaps, werden sie als schön empfunden und erstrebenswert, weil sie Reize aussenden und Sexualerregung bewirken beim anderen Geschlecht.

      Männer sind durch weibliche Wahl gleichermaßen verschönert worden, wie Frauen durch männliche. Nach der Verteilung natürlicher Verzierungen auf die beiden Geschlechter zu urteilen, ergibt sich eine sexuelle Partnerwahl auf Gegenseitigkeit als naturhistorisches Erbe für den Jetzt-Menschen. In fast allen Gesellschaften behauptet sie neben und unter den offiziellen Regeln zur Eheschließung und Präsentation sexueller Reize einen wichtigen Platz im wirklichen Leben der Völker. Von der europäischen Aufklärung unter dem Begriff ‘Liebesheirat’ zum bürgerlichen Ideal erhoben, ist freie gegenseitige Wahl der Sexualpartner bis zum heutigen Tag immer noch im Prozess ihrer historischen Verwirklichung.

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