Tekla Reimers

Liebesleben und Geschlechterkampf


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Geschlecht in dunkler Tarnkleidung einhergeht, um unter den farbenprächtig verzierten Töchtern des Landes seine Wahl zu treffen.

      Für sämtliche Tierarten, Beute wie Räuber, ist eine getarnte Gestalt in Milieufarben ökologisch zweckmäßig. Muster in braun oder grün, die den Körperumriss auflösen und der Umwelt anpassen, sind für jedes Individuum günstig, zum Überleben. Die Schönheit roter, gelber, blauer Farbenpracht und Verzierungen, mit Anhängseln aus roter oder blauer Haut, Haarkämmen, Mähnen und ähnlichem, wird durch sexuelle Selektion generell nur an einem der beiden Geschlechter herausgezüchtet - nämlich dem Werbenden. Das wählende Geschlecht bleibt unauffällig mausgrau, eben schlicht und unverziert. Wodurch es weniger gefährlich lebt als das Schöne, denn auffällige Verzierungen sind auch hinderlich, Handikaps im Lebenskampf. Am besten bekannt ist dieses Phänomen vom Hahn-Henne-Typus: Der Fasanen-Hahn mit seinem bunten Gefieder ist für Raubfeinde leicht zu entdecken und durch seine langen Schwanzfedern behindert bei der Flucht.

      Unsere Spezies, Homo sapiens, gehört naturhistorisch nicht zu diesem Typ exklusiv männlicher Schönheit, sondern beide, Männer und Frauen, sind mit sexuellen Reizen verziert. Biologen, die den Homo sapiens vor dem Hintergrund seiner äffischen Abstammung erforschen, finden weithin sichtbare und hörbare Auslöser für Sexualerregung auf beiden Geschlechtern des Menschen, mit wechselseitig anziehender Wirkung:

      - Auf große Distanz wirkt eine kurvige Gestalt mit Taille, runden Hüften und fettgepolsterten Milchdrüsen als weibliches Signal, eine hohe und im Kreuz breite als männliches, jeweils verstärkt durch geschlechtstypischen Gang und Haltung. Die tiefere Stimmlage nach der Pubertät kündet von männlicher Anwesenheit über Sichtweite hinaus. Außerdem geben Höhe oder Tiefe der Stimme Aufschluss über die hormonelle Konstitution von geschlechtsreifen Männern. Bei bärtigen Varietäten der Bartwuchs ebenfalls.

       Sexuelle Reize auf mittlere Distanz sind im weiblichen und männlichen Geschlecht ziemlich gleich: rote Lippen, jugendlich glatte, seidige Haut, bei Aufregung errötend; strahlende Augen von schöner Farbe, deren Glanz und Pupillenerweiterung sexuelle Erregung ausdrücken kann.

       Ein erigierter Penis signalisierte bei unseren unbekleideten Vorfahren männliche Kopulationsbereitschaft; die Präsentation rot aufquellender Schamlippen weibliche.

      Die meisten Signalreize im Tierreich wirken als Mitteilungen an Artgenossen über die Bedingungen ihrer Konkurrenz und Möglichkeiten zur Kooperation zwischen Individuen. Sexuelle Signale zeigen vor allem das Geschlecht eines Gegenübers an. Oft geben sie zusätzlich Aufschluss über wichtige Qualitäten seiner aktuellen Befähigung zu Paarung und Fortpflanzung: die Reife, den Gesundheitszustand, potenzielle Kampfkraft, einen ererbten Hormonstatus und dessen gegenwärtige Verfassung, nicht zuletzt auch über Erbanlagen für Sexappeal, jene besonderen ‘guten Gene’ der sexuellen Attraktivität. So kann bei einer Begegnung jedes beteiligte Individuum die gegebene Situation nach Möglichkeit für sich nutzen. Beispielsweise vermindern weithin wahrnehmbare, sexuelle Signale offene Kampfhandlungen und Verletzungen enorm, weil deutlich schwächere Rivalen Abstand halten. Dagegen können mögliche Sexualpartner eine günstige Gelegenheit zur Paarung weiträumig erkennen.

      Über solche Vorteile, in der Kommunikation, sind auffällige Geschlechtsmerkmale durch Konkurrenz zwischen Artgenossen, im Kontext natürlicher und sexueller Selektion vielfach begünstigt worden. Bereits Charles Darwin erklärte die Entstehung bunter Federfächer, leuchtend roter Hahnenkämme oder strahlend blauer Hodensäcke mit einer besonderen Selektion derjenigen Sexualpartner, die das andere Geschlecht am meisten zu erregen vermögen. Nach seiner Theorie der ‘female choice’, - die moderner als sexuelle Partnerwahl formuliert wurde - gelingen den attraktivsten Individuen einer Spezies wesentlich öfter in ihrer Lebenszeit fruchtbare Paarungen als ihren weniger Sexuallust erregenden Artgenossen. Sie pflanzen sich dementsprechend häufiger fort und verbreiten mit ihren Genen auch ihre sexuellen Reize. Biologen sprechen deshalb vom ‘sexier sons Prinzip’, also einer Regel, wonach attraktivere Söhne mehr Nachkommen zeugen. Denn der naturhistorische Erfolg weiblicher Wahl verläuft über eine größere Nachkommenausbreitung, bei Säugetieren vor allem durch Söhne mit außergewöhnlichem Sexappeal. Wenn Kinder die sexuelle Attraktivität ihrer Eltern erben, werden auch sie relativ mehr Nachkommen haben, als ihre unscheinbareren Rivalen und so fort... Die betroffene Spezies kann im Laufe ihrer Stammesgeschichte immer stärkere, größere, auffälligere Verzierungen entwickeln - manchmal sogar über das individuell Zweckmäßige hinaus.

      In diesem Falle, müssen die Nachteile - zum Beispiel einen riesigen Federfächer oder unförmige Brunstsignale zu tragen, die keine andere Funktion erfüllen, als dem anderen Geschlecht zu gefallen, - ausgeglichen sein, durch die Vorteile vermehrten fruchtbaren Sexualverkehrs. Ohne dem würden solche sexuellen Reize von der natürlichen Selektion auf ein bescheideneres Maß begrenzt. Bei Arten, die sich ausschließlich sexuell und ohne monogame Paarungssysteme fortpflanzen, kommt es gar nicht selten zu Handikap-Evolutionen, wenn der Wettbewerb um Sexualpartner hart ist. Denn dann hinterlassen nur die auffälligsten fünf bis zehn Prozent des werbenden Geschlechts überhaupt Nachkommen.

      Die Gene unscheinbarerer Rivalen, und mit ihnen die ‘grauen Mäuse’ selbst, wirken dann lediglich als Spielmaterial dieser Form der sexuellen Selektion. Sie bilden eine sexuelle ‚Reservearmee’, die unter veränderten Bedingungen eine Rolle spielen kann, normalerweise jedoch überflüssig ist. Ein Beispiel: Wenn zehn Fasanen-Hennen sich allein mit dem aufregendsten Hahn verpaaren, dem, der die buntesten Flügel und die längsten Schwanzfedern vor ihnen spreizt, dann gehen neun Hähne leer aus. Da aus den Fasanen-Eiern - wegen der beiden Sexchromosomen - immer gleich viele männliche wie weibliche Tiere schlüpfen, haben dann in jeder Fasanenbevölkerung die allermeisten Hähne keine Chance sich fortzupflanzen.

      Bei Orang Utans hat die sexuelle Selektion auf solche Weise große Kehlsäcke hervorgebracht, zur Verstärkung der Stimme im männlichen Geschlecht. Der so entstandene ‘laute Ruf’ signalisiert den einzeln im Geäst tropischer Regenwälder umherstreifenden Orang Utan Frauen, wo sich ein verfügbarer Sexualpartner befindet. Im Falle eigener Brunstgefühle können sie ihn dann weiträumig aufsuchen. Je lauter ein Mann unter diesen Bedingungen brüllt, umso mehr Frauen kann er erreichen und anlocken, insofern seine Stimme auch Aufschluss über seine männlichen Qualitäten gibt. Nach dem ‘sexier sons Prinzip’ wird ein Rufer mit besonders weit reichender und erregender Stimme mehr Nachkommen, mit ebenfalls vergrößerten Kehlsäcken, zeugen, als seine leiseren Rivalen. Zumal weniger begabte Orang Utan Männer - auch solche, die noch zu jung und nicht ausgewachsen sind - schweigend ihrer Wege ziehen, wenn sie sich im Streifgebiet eines deutlich überlegenen Artgenossen aufhalten.

      Bei Menschen ist die Reichweite der männlichen Stimme ebenfalls vergrößert, durch Absenkung auf tiefere Töne, aufgrund eines pubertären Wachstumsschubs am Kehlkopf. Die Vergrößerung des gesamten Organs beginnt unter dem Einfluss von Hodenhormonen im Alter von ungefähr 13 Jahren und ist um den 16.Geburtstag herum abgeschlossen. In diesem sogenannten Stimmbruch verlängern sich die Stimmlippen und lassen die mittlere Sprechstimmlage erwachsener Männer durchschnittlich eine Oktave tiefer klingen als weibliche.

      Nach biologischer Theorie handelt es sich bei solchen extrem ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen um Signalübertreibungen durch weibliche oder männliche Partnerwahl: Wenn eine rote Feder als sexueller Reiz funktioniert, sind zwei rote Federn noch wirksamer, also attraktiver. Wenn eine tiefe Stimme Männlichkeit signalisiert, wirkt eine noch weiter abgesenkte Stimmlage eben männlicher. Jede Mutation und Neukombination von Genen in diese Richtung wird von der Auslese durch sexuelle Partnerwahl begünstigt. Solche stammesgeschichtlich entstandenen Übertreibungen sexueller Signalreize finden sich beim Jetzt-Menschen auf beiden Geschlechtern. Insofern das Sexualverhalten des Homo sapiens nicht von Jahreszeiten ausgelöst wird – wie bei den meisten Säugetieren - sondern nach aktuellen Gelegenheiten zu Paarung und Nachkommenausbreitung, können deutliche Signale viel bewirken. Sie funktionieren als Auslöser für sexuelle Erregung, ohne die Bedürfnisse ebenso wie Befähigungen zur Begattung ausbleiben (s.5.Kap. / Sexualerregung).

      Weil fruchtbare Paarungen ausschließlich zwischen den beiden Geschlechtern derselben Spezies biologisch möglich sind, gehören die artgemäßen sexuellen Signale zu den wichtigsten Eigenschaften