Markus Jacobs

Hände hoch! Unterhalt!


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sich dieser Typ schon reichlich Gedanken gemacht, wie man mich entsorgen könne. In diesem Moment habe ich eine Zeitlang überlegt, ob ich ihm nicht auf offener Straße seine dämliche Fresse poliere. Ich schaute ihm ins Gesicht, studierte seine Körpersprache. Er fühlte sich locker, befreit und stark wie der große Zampano, der seinem Feind - also mir - jedes Detail genüsslich aufs Brot schmieren kann. Ich hörte ihm zu und meine Faust, die locker in der Jackentasche verborgen war, wollte unbedingt in sein Gesicht. Ich hatte auch keine Angst davor, meine aufgestaute Wut zu entladen. Dazu hätte ich sogar gute Gründe gehabt. Mir wären auch anschließende Strafanzeigen, Schmerzensgeldklagen usw. egal gewesen. Er plapperte und plapperte auf mich ein und gefiel sich immer besser in seiner Rolle als Big-Lover. Ein Typ, der hier in einer Tour auf mich einredet, wie bescheiden meine Beziehung zu meiner Frau sei und der sich bereits ausgiebig mit meinem Leben befasst hat. Er schien jetzt auf dem Höhepunkt seiner neurotischen Selbstdarstellung angekommen zu sein. Er wäre vor Begeisterung fast abgehoben. Das war eigentlich der passende Moment, diesem Freddy gepflegt aufs Maul zu hauen. Nur hätte ich nicht gewusst, ob ich dann ein Ende finden würde. Gedanklich war ich mit einem Bein schon im Knast und er im Krankenwagen. In solchen Momenten rasen einem hundert Gedanken durch den Kopf: Wenn ich das tatsächlich mache, dann werde ich gleich als gewalttätig und unbeherrschbar eingestuft, das kannte ich ja schon von meinem Freund Mattes. Ich hörte die Richterin schon sagen: „Sie sind kein Vorbild für ihre Kinder, sie sind gemeingefährlich, gewalttätig und völlig ohne Selbstkontrolle.“ Dennoch, am liebsten hätte ich ihn hier und jetzt auf den Asphalt gelegt und war nur einen Wimpernschlag davon entfernt.

      Meine Mutter hatte mich darum gebeten, unter keinen Umständen etwas Dummes oder Unkontrolliertes zu tun, als sie erfuhr, dass Uschi sich mit einem anderen Mann eingelassen hatte. Sie bat mich eindringlich, nicht die Beherrschung zu verlieren, sondern darauf zu setzen, dass sich alles wieder einrenkt und sich als Hirngespinst entpuppt. Meine Mutter hatte immer ein besonders Auge auf mich geworfen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich das jüngste von uns drei Kindern bin. Ich, der direkt nach der Ausbildung von Dortmund nach Stuttgart und später nach München zog, um dort ein zweijähriges Traineeprogramm zu absolvieren. Ich, der Jüngste war mit gerade mal 20 Jahren auf und davon und schnell flügge geworden. Meine Mutter war von meinen damaligen Berufsplänen wenig begeistert und machte sich größte Sorgen um ihr „Küken“.

      Und jetzt, diesen Freddy vor meiner Nase, war ich drauf und dran, zu tun, wovor meine Mutter mich gewarnt hatte. Unterdessen redete Freddy immer weiter auf mich ein.

      Ich fiel ihm ins Wort: „Toll, alles sehr interessant. Das habt ihr euch ja super ausgedacht. Glückwunsch, dass du über mein Leben und meinen Verdienst so ausführlich Bescheid weißt und dass du meiner Frau schon den Unterhalt für sie und die Kinder ausgerechnet hast – Respekt“ sagte ich. „Hast du da oben in deiner Bude denn noch genügend Platz?“ „Heeee, was, wie jetzt ???“ Er war in seinem Redeschwall so abgegangen und von sich begeistert, dass er außer sich selbst nichts mehr wahrnahm. „Pass auf, ich fahre jetzt nach Hause, dann schmeiße ich meine Frau aus meinem Haus. Und du, mein Freund, kannst die Möbel geraderücken, denn ab jetzt schläft sie bei dir. Wenn alles gut geht, hast du ab heute Besuch. Wenn ihr beide euch schon so viele Gedanken über mich und meine Kohle gemacht habt, über Unterhalt und Kindesunterhalt, dann frage ich mich, warum in aller Welt, wenn die Liebe doch so groß ist, warum geht ihr beide nicht arbeiten und plant euer gemeinsames Leben?“ Freddy guckte mich nur dumm an und sagte: „Ey, Arbeit ist was für Dumme, was soll ich denn arbeiten gehen, wenn die Knete auf anderem Wege kommt.“ Jetzt wäre endgültig der Zeitpunkt gekommen, ihm wirklich das Maul zu stopfen, aber dann dachte ich, das mach ich später, dafür finden sich Gelegenheit, Zeit und Ort. Ich brach das Gespräch ab und dankte ihm für die ausführliche Darstellung, die ich von Uschi wohl nie bekommen hätte. So trat ich frustriert und voller Zorn - als zukünftiges Auslaufmodell meiner Frau - den Heimweg an. In der Zwischenzeit hatte das neue Liebespaar schon eifrig telefoniert. Uschi rief mich im Auto an, sie hatte ja zwei Handys und war zudem auch noch multitaskingfähig: „Es tut mir leid, es tut mir so leid. Glaube mir, Markus, es geht nicht gegen dich.“

      „Nee? Nicht gegen mich? Ach so! Vielleicht sollte ich alles auch nicht so persönlich nehmen?! Ich habe dir immer gesagt, ich geh mit dir durch dick und dünn, aber nicht durch dick und doof! Ich bin in 40 Minuten zu Hause. Du kannst jetzt deine Koffer packen, wenn ich komme, ziehst du aus. Die Kinder bleiben bei mir! Du hast dich ohnehin immer über die Kinder beschwert, dass sie so laut und stressig sind und nur Arbeit machen. Du kannst dich jetzt mit diesem Knallkopp vergnügen - aber die Kinder bleiben bei mir!“

      Wie ferngesteuert fuhr ich nach Hause. Ich musste das Erlebte erst mal verarbeiten und auch wieder abkühlen, alles unter Kontrolle bringen, um dabei festzustellen, dass meine Ehe tatsächlich im Eimer war. Ich war sauer, wütend und enttäuscht. Ich fühlte mich verraten, hintergangen und ausgekundschaftet und das von meiner eigenen Frau und diesem Freddy.

      Zu Hause angekommen, ging es erstaunlich friedlich zu, ich versuchte, die Fassung zu bewahren und Uschi versuchte sich rauszureden. Sie hat an diesem Abend nicht gepackt, sie schlief ab jetzt bei ihren Eltern und die Kinder blieben vorerst bei mir. Das Wochenende stand ohnehin vor der Tür und für die Kids war es nicht mehr ungewöhnlich, dass ihre Mama am Wochenende nicht präsent war. Ich versuchte, den Jungs ein buntes Programm für das Wochenende zu bieten. Ausgestattet mit Roller, Go-Kart, Trecker, Eimer und Schaufeln zogen wir zum Spielplatz, um den Sandkasten auf den Kopf zu stellen. Am Abend traten wir mit unserem Material-Convoy den Heimweg an. Wieder zu Hause mussten wir zuerst die Taschen, Schuhe und Haare vom Sandkastensand befreien. „So Männer, und jetzt ab unter die Dusche und dann ins Bett - aber, zack, zack!“ Als die beiden Nackedeis unter der Dusche standen, fragte Tim: „Papa, wo ist denn meine Mama, wann kommt Mama nach Hause?“ „Tim, das sag ich Dir gleich, komm erst aus der Dusche“ „Ja, aber wo ist denn die Mami - verdammt noch mal“ schob Max nach. „Kommt mal zu mir, Männer“. Ich wickelte meine Sandkastenhelden in zwei große Badetücher, setzte mich auf den Boden des Badezimmers und nahm meine Kids in die Arme. Gespannt und mit großen Knopfaugen, schauten sie mich erwartungsvoll an „Tim und Max, die Mama kommt heute nicht nach Hause und morgen kommt die Mama auch nicht nach Hause“ „Ist die Mama in den Urlaub gefahren, Papi - ohne uns? So eine gemeine Gemeinheit – mano!“ sagte Max. „Nein, die Mama ist nicht im Urlaub“ „Trennt ihr euch, Papa?“ fragte Tim mit leiser und ängstlicher Stimme. Ich merkte, wie ich jetzt nicht mehr an mich halten konnte und die Tränen in meine Augen schossen. Es tat mir so leid für meine beiden Kids. Ich nickte und sprach mit wässrigen Augen: „Ja, Kinder, so sieht es aus. Mama und Papa trennen sich!“ Max guckte mich ungläubig an und sagte: „Waaaas“ Die Mama soll nach Hause kommen!“ Tim hingegen hatte die Lage schon gecheckt. Blitzartig erstarrte er, um dann mit einem lauten: „NEEEIIIIIN Papa, bitte nicht, nein Papa, bitte nicht, die Eltern von Kevin und Nele haben sich auch gerade getrennt, mein Herz zerspringt in tausend Teile. Papa bitte nicht.“ Diesen Moment, die Gesichter meiner Kinder, die Augen, die mich anstarrten und wie mein Sohn Tim dieses für ein Kind unglaubliche „Nein, Papa, mein Herz zerspringt in tausend Teile“ ausschrie, all das werde ich nie in meinem Leben vergessen. Ich versuchte, den Kindern die Angst zu nehmen und ihnen aufzuzeigen, dass es bei uns etwas ganz anderes sei als bei ihren Freunden. Und dass Mama und Papa immer für sie da sein würden. Ich sagte: “Im Moment verstehen wir uns nicht so gut und deshalb ist es besser, wenn Mama und Papa sich vorerst nicht sehen. Das kennt ihr doch auch, dass ist bei Erwachsenen manchmal nicht anders als bei euch im Kindergarten oder in der Schule. Da findet ihr den einen oder anderen auch nicht immer toll und streitet euch mit ihm. Und ein paar Tage oder Wochen später seid ihr wieder Freunde, und genauso ist das mit Mama und Papa auch.“

      Es war nicht einfach, meine beiden Jungs halbwegs beruhigt ins Bett zu bringen. Ihre Mama fehlte ihnen doch sehr, besonders an diesem Tage – und ich war es, der Mama vor die Tür gesetzt hatte und der selbst nicht daran glauben konnte, was ich den Kids gerade in Aussicht gestellt habe.

      Am Montag wollte Uschi die Kinder für ein paar Stunden zu ihren Eltern holen. Ich hatte nichts dagegen. Allerdings: Uschi brachte die Kinder nie mehr zurück. Sie zog gemeinsam mit den Kindern in das große Haus ihrer Eltern und war vorerst nicht mehr erreichbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein recht gutes Verhältnis zu meinen Schwiegereltern – von diesem Tage an war ich ein Fremder, ein Aussätziger.