Markus Jacobs

Hände hoch! Unterhalt!


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gestritten wurde. Uschi verbrachte viel Zeit damit, mich während des Urlaubs auszufragen, wie ich dieses oder jenes Drama in unserem Bekanntenkreis beurteilen würde. Sie löcherte mich unentwegt mit allen möglichen Aktivitäten, die nach unserer Rückkehr anstanden. So lag es ihr sehr am Herzen, nach unserem Urlaub schnellstmöglich die Heizungsanlage im Haus zu erneuern. Die Anlage war zwar alt, aber voll funktionstüchtig und musste nicht unbedingt erneuert werden. Darüber hinaus sollte im Keller eine Hochsicherheitstür eingebaut werden, damit Uschi sich sicher fühlte und besser schlafen konnte. Diese kostspieligen Anschaffungen waren von ihr, wie sich später herausstellten sollte, mit einem vorausschauenden Blick in eine neue Zukunft eingestielt worden.

      Zurück zum Glück oder bonjour tristesse

      Uschis Wille wurde in die Tat umgesetzt. Die Heizung wurde ausgewechselt und die Hochsicherheits-Kellertür eingebaut, ganz so, wie sie es gewünscht hatte. Während ich morgens die Kids in den Kindergarten und in die Schule brachte, konnte sie morgens noch länger als gewöhnlich schlafen. Selbst erforderliche Arztbesuche mit meinen Kindern hatte ich alleine zu erledigen. Irgendwie schaffte Madame das nie, so wie manches andere auch nicht. Wahrscheinlich hatte ich auch deshalb jeden Tag und zu meinem Leidwesen meine Schwiegermutter im Haus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir das Haus damals den Schwiegereltern abgekauft hatten und meine Schwiegermutter immer noch der Meinung war, es sei ihr Haus und sie dort unentbehrlich. Dieses Reihenmittelhaus aus den 70ern, hatte ich damals mit der Hilfe meiner Freunde von Grund auf saniert. Es musste quasi komplett entkernt werden, alle Fenster, Bäder sowie alle Wege, Aufgänge und die Terrasse wurden erneuert. Ich habe damals all meine Ersparnisse in die Sanierung dieses Objektes gesteckt. Heute kann ich sagen, ich habe für dieses Haus einfach zu viel bezahlt und meinen Schwiegereltern eine Hütte abgekauft, die 25 Jahre alt war, nie eine Reparatur gesehen hatte und meinen Schwiegereltern eh nur eine Last war. Dass im Kaufpreis auch der Hausgeist in Gestalt meiner Schwiegermutter inbegriffen war, ist mir damals nicht so recht klar gewesen. Auch dem Notarvertrag konnte ich eine derartige Klausel nicht entnehmen.

      Uschi nahm sich nach unserem Urlaub nicht nur für den gesunden Morgenschlaf mehr Zeit, sondern auch für ihre Freundinnen, die ja alle in schwierigen Ehesituationen steckten. Am Wochenende musste sie den desorientierten Damen mit Rat und Tat zur Seite stehen, um mit ihnen einen Weg aus der Krise zu finden.

      Für mich hieß das, die Abende vieler Wochenenden mit den Kindern alleine zu Hause zu verbringen, bis Uschi gegen Mitternacht nach Hause kam. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, weil ich um die Hilfsbedürftigkeit von Uschis Freundinnen ja wusste. Während sich bei mir deren Männer ausheulten und mir ihr Leid klagten, war Uschi offensichtlich die therapeutische Hilfe auf der weiblichen Seite unseres Bekanntenkreises.

      Zwei besonders krasse Fälle sind mir noch bestens in Erinnerung. Biene & Toto und vor allem Susanne & Mattes.

      Aufbauhilfe

      Frühmorgens hatten Toto und ich diese verfluchte IKEA-Küche in Einzelteilen abgeholt, ausgepackt, zusammengeschraubt und stundenlang aufgebaut. Biene sah Toto und mir die ganze Zeit interessiert zu und gab uns hilfreiche Tipps, wie wir diesen Bausatz doch ohne Macken und Schrammen am besten aufbauen und wo was hingehörte. Die Küche sollte schließlich ein Leben lang halten. Zumindest die Küche! Als wir am Abend den ganzen IKEA-Krempel aufgebaut hatten, saßen wir zwischen Kartons und Verpackungsmaterial auf dem Küchenboden, bewunderten unser „Wunderwerk“ und nahmen uns zum Küchenrichtfest ein kleines Flensburger Bierchen, denn jetzt waren wir fix und fertig. Wir stießen auf die Küche an und Toto reimte: „Heute bauen wir die Küche auf und morgen schmeißt meine Frau mich raus“. Biene, die den ganzen Tag eh schon so eine seltsame Visage gezogen hatte, erwiderte auf den Vers: „So einen Quatsch können auch nur Männer von sich geben“ und ergänzte wohlwollend: „aber eines muss ich sagen, das habt ihr Männer toll gemacht. Ich bin suuuper glücklich!“ Immerhin hielt das „Ich bin suuuper glücklich“ von Freitagabend bis Sonntagmittag. Da stand dann nämlich mein Freund Toto mit zwei Koffern vor unserer Tür.

      Biene war weiterhin suuuper glücklich, nun allerdings ohne Mann und dafür mit dem gemeinsamen Sohn und der neuen Küche. Die durften Toto und ich freundlicherweise noch aufbauen. Am liebsten hätte ich Biene die Küche gleich wieder abgebaut oder in Schutt und Asche gelegt. Aber jetzt musste ich erst einmal den Seelsorger für meinen Kumpel spielen, der ein echtes Problem hatte. Er konnte nicht mal eben hunderte von Kilometern zu seinen Eltern fahren. Er musste am Montag zur Arbeit. Also schlief Toto die kommenden Wochen bei Uschi und mir auf dem Sofa, bis er eine Wohnung gefunden hatte. Eigentlich hätte Biene ausziehen können, ihre Eltern wohnten nur ein paar Kilometer weiter, aber Biene war ja jetzt „suuuper glücklich“.

      Seit diesem Tag leide ich unter einer Küchenphobie. Ich baue keine Küche mehr auf!

      Mein Freund Mattes

      Freund Mattes hatte auch so ein Erlebnis der besonderen Art. Er führte mit seiner Frau Susanne einen kleinen Handwerksbetrieb für Renovierungen rund ums Haus. Mattes hatte extra einen Meister angestellt, der zwar nie für ihn tätig war, aber monatlich mit 500 Euro über seine Bücher lief, damit er mit der Bezeichnung „Meisterbetrieb“ werben durfte. Mein Kumpel war ein recht witziger Typ. Ein kleiner Pummel mit Wohlstandsbauch und einer Lockenpracht wie Thomas Anders von Modern-Talking. Seine schwarzen Haare waren meistens mit bunten Farbresten versehen. Eigentlich kenne ich ihn nur in Malerklamotten: weißer Schlapphut und weiße Latzhosen über seinen Bauch geschnürt mit tausenden Farbtupfern und genauso buntes Schuhwerk, waren sein Markenzeichen. Susanne war eher so ein Discomäuschen, das im Grunde nicht zu ihm passte. Schlank, goldbraune lange Haare, etwas größer als er und immer top gekleidet. Sie hatten sich irgendwo auf einem Scheunenfest vor neun Jahren kennen und lieben gelernt. Irgendwann war Susanne schwanger und das Kind sollte natürlich einen Vater haben. Florian, kurz Flori, sah genauso aus wie sein Papa. Die Unternehmensnachfolge schien gesichert zu sein. Für einen Außenstehenden waren Mattes und Susanne der typische Fall einer Dorfbekanntschaft – „hat sich so ergeben“.

      Der Meister Torsten allerdings, ein kerniger Typ, verbrachte einen Großteil seiner Zeit mit Kicken beim heimischen Dorfverein. Den Rest seiner Freizeit arbeitete er nach Lust und Laune und vor allem nach dem Prinzip „Handwerk hat goldenen Boden“.

      Während Mattes mit seinen fünf Angestellten das Tagesgeschäft betrieb, baggerte der Malermeister an der Chefin herum. Er hatte auch genügend Zeit für Komplimente und Aufmerksamkeiten.

      Eines Tages, der Monat neigte sich dem Ende zu, war weder von Susanne noch vom Meister etwas zu sehen. Flori hatte sie an diesem Tag im Büro gelassen und Mattes informiert, er möchte heute doch bitte auf den Jungen aufpassen. Sie hätte noch ein paar wichtige Erledigungen zu machen und wäre erst gegen Abend zurück.

      Susanne kam an diesem Abend aber nicht mehr zurück und am nächsten Tag auch nicht und die kommenden sechs Monate schon gar nicht. Sie hatte kurzerhand alle Konten geplündert und das Geschäftskonto bis zum Anschlag überzogen und war „mal eben weg“ und der Meister gleich mit. Mattes konnte seine Angestellten nicht mehr bezahlen und meldete Konkurs an. Weder von Susanne, noch vom Meister war etwas zu hören oder zu sehen. Kein Brief, keine Info auf der Mailbox, die beiden waren wie vom Erdboden verschwunden. Mattes war mit Flori, der gerade sieben Jahre alt geworden war, alleine und das ohne Kohle, dafür mit fünf Angestellten, die jetzt ebenfalls ein Riesenproblem hatten. Sie bekamen kein Geld für den bereits gearbeiteten Monat. Man könnte hier von einem Dominoeffekt sprechen. Denn aus einem Problem wurden fünf oder noch mehr Probleme. Alle waren natürlich stinksauer auf Mattes. Die Mitarbeiter fühlten sich um ihren Lohn betrogen. Zwei von ihnen wollten den Monatslohn aus Mattes herausprügeln, weil sie Unterhalt für Frau und Kinder zu zahlen hatten. Wenn jedoch der Unterhalt ausbleibt, droht die sofortige Pfändung und davor hatten die beiden Angestellten enorme Angst. Mattes verstand seine Mitarbeiter und lieh sich vorübergehend Geld im Bekanntenkreis, um die beiden zu beruhigen.

      Es dauerte ein Vierteljahr, bis eine Postkarte von Susanne einging. „Lieber Mattes, es tut mir leid. Torsten und ich wollen uns ein neues Leben